DOI: 10.17175/2025_010
Nachweis im OPAC der Herzog August Bibliothek: 1933467576
Erstveröffentlichung: 23.10.2025
Letzte Überprüfung aller Verweise: 03.09.2025
GND-Verschlagwortung: Der Neue Pitaval | True Crime | Annotation | Kriminalfall | Erzähltechnik
Empfohlene Zitierweise: Katharina Herget / Thomas Weitin: Recht erzählen. Eine Annotationsstudie der Fallgeschichten des »Neuen Pitaval«. In: Zeitschrift für digitale Geisteswissenschaften 10 (2025). 23.10.2025. HTML / XML / PDF. DOI: 10.17175/2025_010
Abstract
Der Beitrag präsentiert ein Annotationsprojekt zur Fokalisierung in der Fallgeschichtensammlung Der Neue Pitaval (1842–1890), das theoretisch im Schnittfeld von Narratologie, Literatur- und Rechtswissenschaft verortet ist und methodisch manuelle Annotation mit literaturwissenschaftlicher Lehre verbindet. Ausgangspunkt ist die Frage, wie in den Kriminalfallgeschichten des Neuen Pitaval erzählerische Perspektiven organisiert und Wahrnehmung strukturiert wird. Auf Grundlage eines an Genettes Modell orientierten, reduzierten Kategoriensystems wurden 36 Fallgeschichten annotiert und ausgewertet. Die Ergebnisse weisen einerseits auf wiederkehrende narrative Muster hin, zeigen andererseits aber auch die Herausforderungen im Umgang mit kategorialen Unschärfen – sowohl auf Textebene als auch im Rahmen kollaborativer Annotation.
The article presents an annotation project on focalization in the criminal case collection Der Neue Pitaval (1842–1890), which is theoretically situated at the intersection of narratology, literary studies, and legal scholarship. Methodologically, it combines manual annotation with academic teaching. The starting point is the question of how narrative perspectives are organized and perception structured in these historical crime narratives. Based on a simplified categorization model derived from Genette’s theory of focalization, 36 case stories were annotated and analyzed. The results point, on the one hand, to recurring narrative patterns, and on the other, to the challenges posed by categorical ambiguity – both at the textual level and in the context of collaborative annotation
1. Einleitung
[1]›True Crime‹ ist allgegenwärtig – ob als Podcast, in Serien, Büchern oder Dokumentationen: Spannungsgeladene Erzählungen wahrer Verbrechen sind populär. Die Formate und Darstellungsformen mögen neu sein, das Genre ist es nicht: Bereits im 18. und 19. Jahrhundert kommen Nacherzählungen wahrer Kriminalfälle in Mode, die häufig wiederum von der Literatur aufgegriffen und fiktionalisiert werden (etwa in Annette von Droste-Hülfshoffs Die Judenbuche und E.T.A. Hoffmanns Fräulein von Scuderi).[1]
[2]Neben solchen Literarisierungen haben aber auch faktuale Darstellungen realer Fälle Konjunktur: In der Geschichte der deutschsprachigen Kriminalfallliteratur kommt insbesondere dem Neuen Pitaval eine zentrale Bedeutung zu. Inspiriert von François Gayot de Pitavals Causes célèbres (1734–1743) veröffentlichten Julius Eduard Hitzig und Wilhelm Häring (alias Willibald Alexis) zwischen 1842 und 1890 eine 60-bändige Sammlung »interessantester Criminalgeschichten aller Länder aus älterer und neuerer Zeit«.[2] Während das ästhetische Konzept der Fallgeschichtensammlung bereits etabliert war, sahen die Herausgeber das Neue ihres Projekts in der spezifischen Darstellungsweise und der Mehrfachadressierung: Der Neue Pitaval beabsichtigte »berühmte[] und interessante[] Fälle in einer dem gebildeten Publicum bestimmten Sammlung zu registriren, und ihnen dabei die Form zu erstreben, welche derselben im Auge des Juristen, des Psychologen und der größeren Leserclasse einen Anspruch auf dauernde Theilnahme sicher[t]«.[3] Mit diesem Zusammenspiel von juristischer Belehrung und populärer Unterhaltung eröffnet der Neue Pitaval eine neue Form der Fallnarration, er wird zu einem prägenden Medium zwischen Recht und Literatur.[4]
[3]An dieses Spannungsfeld zwischen Rechtsausbildungs- und Unterhaltungsliteratur knüpft das hier vorgestellte Vorhaben an, das im Rahmen des DFG-Projekts Zwischen Recht und Literatur: Die Kriminalfallsammlung des Neuen Pitaval in der literaturwissenschaftlichen Korpusanalyse durchgeführt wird.[5] Im Arbeitspaket Erzählanalysen steht die Darstellungsweise der Fallgeschichten mittels narratologischer Kategorien im Vordergrund – insbesondere im Hinblick auf die Erzählführung und erzählerische Konstruktion.
2. Kriminalität erzählen: Operationalisierung einer Darstellungsform
[4]Die Herausgeber des Neuen Pitaval betonen die Notwendigkeit einer »lebendigen Darstellung der Handlung, der That und ihrer Motive«[6] – und halten zugleich an der rechtshistorischen Authentizität der Fälle sowie dem sorgfältigen Umgang mit Akten und Zeugnissen fest. Diese doppelte Ausrichtung prägt die Ästhetik der Pitavalgeschichten und verleiht dem Genre eine eigene, stilbildende Erzählform die zum »Erfolgsmuster«[7] wird.
[5]Gerade weil die Pitavalgeschichten explizit keine fiktionalen Texte sind, sondern eine faktuale Textsorte mit realen Kriminalfällen, fällt der Einsatz literarischer Mittel besonders ins Gewicht. Im Sinne einer »lebendigen Darstellung« werden die Fallgeschichten mit poetischen Verfahren ausgestaltet, um für jeden einzelnen Fall »die charakteristische Sprache zu finden« und ihn »möglichst plastisch[] zu klarer Anschauung«[8] zu bringen. Das bedeutet, dass die Herausgeber, die Fallgeschichten kontextualisieren und so auch Deutungshoheiten sichern, eine Erzählstimme haben, die poetische und literarisierende Elemente zulässt, zugleich aber auch subjektive Sichtweisen – eine erzählerische und sogleich realistische Tendenz zur Individualisierung rechtlicher Wahrheitsfindung.[9]
[6]Diese Wahrnehmungszentrierung ist dabei oft rollenspezifisch. Die Perspektiven von Täter*innen, Zeug*innen, Ermittlern oder Richtern werden häufig aus selbiger Wahrnehmung heraus inszeniert, wie Einzeltextanalysen der narrativen Gestaltung der Pitaval-Geschichten herausstellen konnten: So vergleicht Joachim Linder die Erzählstrukturen und -sequenzen des Mordfalls Rudolf Kühnapfel im Neuen Pitaval mit einer Version aus Ludwig Demmes Konkurrenzsammlung Das Buch der Verbrechen.[10] Wie auch in anderer Forschungsliteratur wird insbesondere der Wechsel der Erzählperspektiven als markant wahrgenommen: Während Täter in der Ich-Form mit teils blutiger Detailfülle berichten, erscheinen Zeugenaussagen oft intern fokalisiert; aktenbasiertes Wissen wird hingegen auktorial vermittelt.[11] Dieses Wechselspiel der Darstellung erzeugt ein Spannungsverhältnis zwischen Nähe und Distanz, zwischen subjektiver Wahrnehmung und autoritativer Deutung.
[7]Um die komplexe Vielschichtigkeit narrativer Wahrnehmung differenziert erfassen zu können, ist eine präzise analytische Kategorie erforderlich. Das häufig verwendete Konzept der Erzählperspektive erweist sich hier als zu grob, da es Erzählinstanz und Wahrnehmungsposition oftmals vermischt. Das Instrument der Fokalisierung hingegen – im Sinne Gérard Genettes – erlaubt eine klarere Trennung und systematische Beschreibung: Es unterscheidet zwischen dem Ort des Erzählens und dem Ort des Wahrnehmens innerhalb der erzählten Welt. Gerade für die Analyse der Pitavalgeschichten, in denen auktoriales Erzählen, subjektive Figureneindrücke und protokollarische Gerichtsszenen eng miteinander verwoben sind, bietet die Fokalisierung ein methodisch belastbares Raster, um erzählerische Perspektiven nachvollziehbar und vergleichbar zu machen.
2.1 Fokalisierung operationalisieren: Vom Konzept zum Tagset
[8]Der Begriff der Fokalisierung wurde von Gérard Genette eingeführt, um zwischen der Position der Erzählinstanz zum Geschehen und dem Wahrnehmungsfokus zu unterscheiden.[12] Als metaphorische »Linse«[13] beschreibt Fokalisierung den Blickwinkel, durch den Leser die erzählte Welt wahrnehmen – eine abstrahierte Form von »focus of narration«.[14] Da das erzählerische Phänomen über den Wahrnehmungshorizont des Erzählens erschlossen wird, ist die vordringliche Unterscheidung, ob überhaupt aus einer Wahrnehmung in der erzählten Welt heraus erzählt wird oder ob es sich um eine unfokalisierte Erzählung handelt, die Genette Nullfokalisierung nennt.[15]
[9]Wird eine Fokalisierung identifiziert, lässt sich systematisch unterscheiden, ob die Wahrnehmung von fokalen Figuren ausgeht (interne Fokalisierung) oder ob aus der Außensicht wahrgenommen wird und die Figuren ohne Informationen zur Innenwelt beobachtet werden (externe Fokalisierung):
- Nullfokalisierung (= auktorial) (Übersicht des Erzählers)
- Interne Fokalisierung (= aktorial) (Innensicht der Figur)
- Externe Fokalisierung (= neutral) (Äußerliche Mitsicht)[16]
[10]Zentral ist also die Frage, ob aus einer Wahrnehmung heraus erzählt wird – und wenn ja, aus welcher. Insbesondere in fiktionalen Texten ist oft keine statische Fokalisierung vorhanden. Stattdessen können narrative Segmente identifiziert werden, die von verschiedenen Fokalisierungsformen dominiert werden. Die Identifikation und anschließende Analyse dieser Segmente sind gängige Verfahren im Methodenrepertoire der Narratologie und Literaturwissenschaft, häufig durchgeführt im Close-Reading-Verfahren.
[11]Eine der hermeneutisch arbeitenden Literaturwissenschaft nahe Methode ist die manuelle Annotation, die als textnahes, hervorhebendes und kommentierendes Verfahren stark in der literaturwissenschaftlichen Tradition verankert ist.[17] Annotationen ermöglichen sowohl freie als auch strukturierte Textauszeichnungen, ganz ähnlich dem traditionellen Markieren, Hervorheben und Kommentieren relevanter Textstellen; durchgeführt in digitalen Umgebungen ermöglichen sie eine vergleichende Systematisierung und Auswertung nach Kategorien, Vorkommen und Verläufen.[18]
[12]Die Verbindung von textnaher Analyse und systematischer Kategorisierung macht die Narratologie besonders anschlussfähig für manuell-digitale Annotation.[19] Auch sind bereits erste automatisierte Ansätze zur Erkennung von Erzählperspektive bzw. Fokalisierung entstanden, diese befinden sich jedoch meist noch im Entwicklungsstadium und sind auf literarische Erzähltexte ausgelegt.[20]
[13]Die Annotation der Fokalisierung im Neuen Pitaval folgt hingegen einem ausschließlich manuellen Ansatz, die Ergebnisse können aber als kontrollierte Grundlage für mögliche spätere Weiterverarbeitung dienen – etwa für das Training von Machine-Learning-Modellen oder großer Sprachmodelle.
[14]Ausgangspunkt des Annotationsvorhabens ist das von Janina Jacke entwickelte Tagset Narratologie (discours),[21] das Tags, Definitionen und Indikatoren für die umfangreichen Analysekategorien der strukturalistischen Narratologie enthält. Darunter die Kategorie ›Fokalisierung‹ mit den Tags ›Nullfokalisierung‹, ›interne Fokalisierung‹ und ›externe Fokalisierung‹. Die Definitionen und Tags wurden inhaltlich und terminologisch leicht überarbeitet, um sie einerseits an die Anforderungen der narratologischen Analyse an das Genre faktualer Fallgeschichten anzupassen sowie andererseits die Kategorien und Begriffe für die annotierenden Studierenden möglichst zugänglich zu gestalten.
2.2 Fokalisierung in der Lehre annotieren – Konzept und Herausforderungen
[15]Die konzeptionelle Entwicklung des Annotationsschemas sowie erste Testläufe zur narratologischen Annotation wurden in einem Expertenteam erarbeitet und im Projektverlauf mehrfach iterativ überprüft und angepasst. Bereits im frühen Projektstadium wurde entschieden, die Annotationstätigkeit in die universitäre Lehre zu integrieren. Dies versprach gleich zwei Vorteile: Zum einen ließen sich Forschung und Lehre produktiv miteinander verzahnen, zum anderen konnte so eine größere Menge an annotierten Daten generiert werden. Drei Bedingungen sind entscheidend, damit aber die Kombination aus Forschungsprojekt und Lehre gelingen kann: Die Auswahl eines geeigneten Annotationswerkzeugs, eine didaktisch und literaturwissenschaftlich fundierte Einbettung in das Lehrportfolio sowie eine sorgfältige Einführung in das Kategoriensystem und seine Anwendung.
[16]Um die Fokalisierung im Rahmen zweier Annotationsprojekte im Lehrkontext systematisch zu erfassen, wurde zunächst ein stark regelgeleiteter Annotationsansatz festgelegt. Die Annotationspraxis selbst sollte mit CATMA erfolgen, einer ganz auf die Bedürfnisse digitaler Hermeneutik zugeschnittenen Software.[22] Die didaktische und methodische Konzeption ist an dem von Evelyn Gius vorgeschlagenen Verfahren angelehnt,[23] wurde jedoch um fachspezifische und didaktische Elemente erweitert. Ziel war es, die Studierenden nicht nur methodisch anzuleiten, sondern sie auch in zentrale Kontexte der Kriminalfallgeschichten des 19. Jahrhunderts einzuführen.
[17]Zu Beginn der Hauptseminare wurde daher jeweils ein vorbereitender Forschungsblock vorgeschaltet, in dem grundlegende Aspekte des Verhältnisses von Recht und Literatur sowie die Konzeption der Sammlung Der Neue Pitaval diskutiert wurden. Anhand exemplarischer Lektüren und gestützt von Fachliteratur wurden in einem ersten Schritt gattungsspezifische Charakteristiken der Pitavalgeschichten erschlossen, die anschließend um erzähltheoretische Komponenten – mit Fokus auf die Fokalisierung – ergänzt wurden.[24] Nach ausführlichen Besprechungen der ersten Analysen erhielten die Studierenden die Annotationsguidelines zur Fokalisierung. Neben einer kompakten Einführung in das Konzept der Fokalisierung sind dort auch die Annotationsregeln, Kategoriendefinitionen sowie praktische Hilfestellungen zur Identifikation enthalten. In mehreren praxisorientierten Sitzungen wurde die Annotation der Texte in CATMA eingeübt. Jede Sitzung endete mit einem Reflexionsblock, in dem Probleme und Uneindeutigkeiten diskutiert sowie gemeinsame Standards und Lösungen erarbeitet wurden. Diese wurden anschließend in die Annotationsguidelines übernommen, um gemeinsame Entscheidungen festzuhalten und eine möglichst eindeutige Kategorienabgrenzung zu erzielen.[25] Im Übrigen liegt ein (nicht ausschließlich) didaktischer Mehrwert des angeleiteten, kollaborativen Annotierens in der produktiven Auseinandersetzung mit den Herausforderungen interpretativer Entscheidungen: Unsicherheiten konnten gemeinsam systematisch reflektiert, die Relevanz subjektiver Deutungen offengelegt und Kriterien für deren argumentative Absicherung gemeinsam erarbeitet werden.[26]
[18]Ein zentrales Element der Annotationsvorbereitung war die Entwicklung eines Entscheidungsbaums (Abbildung 1), der die Operationalisierung des komplexen Konzepts der Fokalisierung auf verständliche Weise visualisieren und die Anwendung auf faktuale Fallgeschichten erleichtern soll. Hier zeigt sich auch eine der Modifikationen des ursprüngliche Tagsets von Janina Jacke: Die Kategorien ›Nullfokalisierung‹, ›interne Fokalisierung‹ und ›externe Fokalisierung‹ wurden in die Begriffe ›auktorial‹, ›aktorial‹ und ›neutral‹ überführt. Diese Terminologie ist den Studierenden aus der literaturwissenschaftlichen Grundausbildung vertrauter und sollte daher ein konsistentes Verständnis der Kategorien fördern.
[19]Auch das analytische Vorgehen wird durch die Guidelines vorgegeben: Die Annotation der Fokalisierung soll auf Grundlage einer vollständigen Erstlektüre erfolgen, bei der insbesondere auf die Darstellung der Erzählperspektive geachtet wird. Anschließend wird auf Satzebene annotiert: Nach dem Lesen eines Absatzes wird jeder Satz mithilfe des Entscheidungsbaums hinsichtlich seiner Fokalisierung geprüft. Der Satz bildet dabei die größtmögliche Annotationseinheit – mit jedem neuen Satz ist eine neue Annotation vorzunehmen. Wechselt die Fokalisierung innerhalb eines Satzes, sind die entsprechenden Satzteile separat zu annotieren. Überschneidende Annotationen sind nicht zulässig; für jede Einheit muss eindeutig eine Kategorie gewählt werden.
3. Das Annotationskorpus: Daten und Verteilung
[20]Insgesamt wurden 36 Fallgeschichten bearbeitet und 25.031 Annotationen vorgenommen. Zehn der Texte wurden doppelt annotiert, um mittels Inter-Annotator-Agreement (IAA) die Kategorienschärfe prüfen zu können. Die Verteilung der Annotationen zeigt, dass die auktoriale Fokalisierung am häufigsten vergeben wurde (10.627), gefolgt von der neutralen (9.181) und aktorialen Fokalisierung (5.223).
[21]Die für die Annotation ausgewählten Fallgeschichten sollten möglichst exemplarisch für den Neuen Pitaval sein, was angesichts der Heterogenität der Sammlung eine Herausforderung darstellt: Das digitale Korpus umfasst ohne Paratexte wie Einleitungen oder Zueignungen 570 Texte und 626.0079 Token. Über die 48-jährige Publikationsgeschichte hinweg entwickelte der Neue Pitaval eigene Subgenres, etwa Räuberbanden- oder Highwaymengeschichten. Es werden Kriminalfallgeschichten vom 14. Jahrhundert bis zur zeitgenössischen Gegenwart (1842–1890) berichtet. Dabei sind Mord und Raub durchgehend häufige Tatbestände.[27]
[22]Auch im Umfang der einzelnen Texte findet sich viel Varianz, der kürzeste umfasst nur 241 Token,[28] die längste Pitavalgeschichte hat mit 63.282 Token einen Umfang von etwa 282 Normseiten (Marschall Bazaine, Band 45, 1874). Im Sinne der Operationalisierung wurde die Kurzform der ›Criminalistischen Miscelle‹ nicht für die narratologische Annotation berücksichtigt. Solche Miszellen machen das Gros der kürzesten Korpustexte aus und sind eher kriminalhistorische Notizen als Fallgeschichten.
[23]Der Vergleichbarkeit halber wurden extrem lange und kurze Texte für das Annotationsprojekt ausgeschlossen. Aus den verbleibenden Geschichten wurden dann Texte ausgewählt, die jeweils im Mittel der kürzeren und längeren Fallgeschichten lagen. Abschließend wurde kontrolliert, dass keiner der annotierten Texte zuvor im Seminar behandelt worden war, und es wurde darauf geachtet, die Subgenres der Pitavalgeschichten gleichmäßig zu repräsentieren.[29]
[24]Trotz dieser Auswahlkriterien bleibt die Varianz im Annotationskorpus hoch – was allerdings der Diversität der Pitaval’schen Fallgeschichtensammlung entspricht, wie Tabelle 1 zeigt:
| Textumfang (Token) | Annotationen | |
| Minimum (Einzeltext) | 2715 | 17 |
| Maximum (Einzeltext) | 26024 | 1797 |
| Median (Korpus) | 3261 | 176 |
| Mittelwert (Korpus) | 12196 | 544 |
[25]Die Operationalisierung der mittleren Umfangsebene des Neuen Pitaval führt aufgrund der hohen Korpusvarianz zu einem zweigeteilten Annotationskorpus: Die mittlere Ebene der kürzeren Fallgeschichten wird durch 25 Fallgeschichten mit einen Umfang von 2.715–3.290 Token repräsentiert, in Abgrenzung dazu stehen 21 Fallgeschichten mit einem Umfang von 19.304–26.024 Token.
3.1 Annotation und Auswertung
[26]Die systematische Identifikation von erzähltheoretischen Merkmalen ist herausfordernd – ganz besonders, wenn dies als studentische Leistung im Rahmen eines Forschungsprojekts durchgeführt wird. Die grundlegende Konzeption der Pitaval’schen Fallgeschichten als hybride Gattung zwischen Literatur und Recht kann die Unterscheidung der erzählerischen Gestaltung zusätzlich erschweren. Das gilt in besonderem Ausmaß für die Fokalisierung, die zwar ein »basales erzähltheoretisches Analysekonzept« ist, das zugleich jedoch ein »anhaltender Streitfall«[30] ist. Entsprechend heterogen stellt sich das Inter-Annotator-Agreement dar, das die einheitliche Anwendung der Kategorien auf die einzelnen Fallgeschichten vergleicht (Tabelle 2).
| Dokument | Krippendorff’s Alpha |
| Mary Hendron und Margaret Pendergras | 0,759036 |
| Gilder Roy | 0,625579 |
| Alibaud | 0,605891 |
| Matheo Von Casale | 0,301563 |
| Marie Francoise Salomon | 0,173702 |
| Alois Szemeredy | 0,149466 |
| Der Florentiner Bombenprocess | 0,135318 |
| Struensee | 0,098372 |
| Elisabeth Chudleigh | -0,095446 |
| Der Advocat Hallet | -0,185823 |
[27]Mit Krippendorff’s Alpha, einem Standardmaß bei der Berechnung des Inter-Annotator-Agreements, wird die Übereinstimmung zwischen zwei und mehr Annotationscollections anhand der vorgefundenen Abweichungen berechnet.[31] Die Werte liegen auf einer Skala von +1 (perfekte Übereinstimmung) bis -1 (systematische Gegensätzlichkeit), ein Wert nahe 0 deutet auf eine Zufallsverteilung hin.
[28]Die Ergebnisse zeigen ein heterogenes Bild: Nur eine Fallgeschichte (Mary Hendron und Margaret Pendergras, Band 5, 1844) erreicht mit einem Alpha von 0,76 einen sehr guten Wert. Zwei weitere (Gilder Roy und Alibaud) liegen im guten Bereich zwischen 0,60 und 0,63. Die übrigen sieben Vergleiche weisen auf tendenziell unzuverlässige Kategorienverwendungen hin.
[29]Das schlechteste Inter-Annotator-Agreement findet sich bei Der Advocat Hallet in Wisconsin und der Räuber George Raleigh, mit einem negativen Alpha-Wert (α = -0,18). Klaus Krippendorff selbst empfiehlt für die Nutzung in automatisierten Klassifikationsverfahren einen Mindestwert von 0,67, idealerweise 0,8. Für manuelle, abstrakte Annotationen – wie hier umgesetzt – existieren jedoch keine einheitlichen Schwellenwerte. Gerade bei literarischen Texten mit hoher stilistischer Komplexität erscheint ein gewisses Maß an Uneinigkeit fast unvermeidlich, was einerseits an der Polyvalenz der Texte, andererseits an der Divergenz im Verständnis der Annotator*innen liegen kann.[32]
[30]Eine nähere Auswertung der Übereinstimmungen und Abweichungen bei der Anwendung der Fokalisierungskategorien zeigt, dass die auktoriale Fokalisierung mit einer Übereinstimmung von 70,8 % relativ konsistent annotiert wurde (vgl. Tabelle 3). Bei der aktorialen (38,9 %) und vor allem der neutralen Fokalisierung (37,9 %) zeigen sich hingegen deutliche Abweichungen, die auf systematische Schwierigkeiten bei der Abgrenzung der Kategorien schließen lassen.
| Kategorie | Übereinstimmung (%) | Abweichung (%) |
| aktorial | 38,9 | 61,1 |
| auktorial | 70,77 | 29,23 |
| neutral | 37,85 | 62,15 |
[31]Allerdings: Die Übereinstimmungswerte erlauben keine Aussage darüber, ob Kategorien richtig oder falsch angewendet wurden. Sie zeigen lediglich, ob konsistent bzw. kohärent annotiert wurde – nicht jedoch die Qualität einzelner Annotationen. Die textuelle Polyvalenz der Fallgeschichten erlaubt durchaus verschiedene Interpretationen der Wahrnehmung.[33] Zudem gilt, insbesondere für Literatur, dass unterschiedliche Lesarten zu verschiedenen Interpretationen führen.[34] Gerade bei abstrakten literaturwissenschaftlichen Konzepten ist ein binäres falsch oder richtig nicht immer zielführend, denn auch mit herausragender narratologischer Expertise »lässt sich in den meisten Fällen an der Textoberfläche kaum festlegen, wo genau ein Fokalisierungswechsel stattfindet. Allenfalls lassen sich Indizien für eine bestimmte Fokalisierung an der Textoberfläche annotieren«.[35]
[32]Genette selbst weist auf die Unschärfe des Konzepts hin: Es »läßt sich bisweilen nur schwer zwischen variabler Fokalisierung und Nullfokalisierung unterscheiden, da die unfokalisierte Erzählung sehr häufig als eine ad libitum multifokalisierte Erzählung betrachtet werden kann, nach dem Prinzip: Wer mehr kann, kann auch weniger«.[36] Und auch die »interne Fokalisierung […] [wird] nur selten in aller Strenge praktiziert […]. Denn im Prinzip impliziert dieser narrative Modus ja, daß die fokale Figur ungenannt bleibt, nie von außen beschrieben wird, und daß der Erzähler ihre Gedanken oder Wahrnehmungen nie objektiv analysiert.«[37]
[33]Trotz der festgestellten Schwächen im Inter-Annotator-Agreement ist die annotierte Datenbasis ein erster Zugang zu einem bislang kaum systematisch erforschten Phänomen. Die beobachteten Unschärfen verweisen nicht nur auf die Schwierigkeiten der kategorialen Zuordnung, sondern auch auf die interpretative Offenheit der Fallgeschichten selbst. Gerade deshalb lohnt es sich, die Annotationen – mit der nötigen methodischen Vorsicht – auszuwerten.
3.2 Ein Blick in die Ergebnisse: Die Fallgeschichtendarstellung des Neuen Pitaval
[34]In einem ersten Analyseschritt wurden die annotierten Textteile nach den verwendeten Tags in Subkorpora unterteilt und hinsichtlich der vorkommenden Wörter und ihrer Häufigkeiten (Most Frequent Words, MFWs) analysiert.[38] Wie so häufig in den Computational Literary Studies, zeigen die hochfrequenten Wörter der jeweiligen Tagkategorien zunächst sehr viel Ähnlichkeit – was gewissermaßen per definitionem in die Kategorie eingeschrieben ist. Der Einbezug der relativen Häufigkeitswerte pro Subkorpus ermöglicht eine Annäherung an kategorielle Unterschiede und so eine erste Fokalisierungscharakteristik des Neuen Pitaval:
| Annotationskorpus | auktoriales Subkorpus | aktoriales Subkorpus | neutrales Subkorpus | |||||||||
| Rang | Wort | Vorkommen | Relative Häufigkeit | Wort | Vorkommen | Relative Häufigkeit | Wort | Vorkommen | Relative Häufigkeit | Wort | Vorkommen | Relative Häufigkeit |
| 1 | und | 16726 | 6,468 % | der | 7972 | 6,636 % | und | 3010 | 6,006 % | und | 6016 | 6,660 % |
| 2 | der | 15928 | 6,159 % | und | 7700 | 6,409 % | ich | 2424 | 4,837 % | der | 5784 | 6,403 % |
| 3 | die | 14728 | 5,695 % | die | 7365 | 6,131 % | die | 2215 | 4,420 % | die | 5148 | 5,699 % |
| 4 | er | 10168 | 3,932 % | er | 4550 | 3,787 % | der | 2172 | 4,334 % | er | 3615 | 4,002 % |
| 5 | in | 9245 | 3,575 % | in | 4526 | 3,767 % | er | 2003 | 3,997 % | in | 3343 | 3,701 % |
| 6 | zu | 8464 | 3,273 % | zu | 3888 | 3,236 % | zu | 1790 | 3,572 % | zu | 2786 | 3,084 % |
| 7 | den | 7179 | 2,776 % | den | 3594 | 2,992 % | sie | 1518 | 3,029 % | den | 2471 | 2,736 % |
| 8 | sie | 6267 | 2,423 % | von | 2706 | 2,252 % | in | 1376 | 2,746 % | sie | 2381 | 2,636 % |
| 9 | daß | 5764 | 2,229 % | nicht | 2547 | 2,120 % | daß | 1364 | 2,722 % | von | 2219 | 2,457 % |
| 10 | von | 5742 | 2,220 % | sich | 2490 | 2,073 % | nicht | 1353 | 2,700 % | daß | 1939 | 2,147 % |
| 11 | nicht | 5606 | 2,168 % | daß | 2461 | 2,048 % | den | 1114 | 2,223 % | das | 1872 | 2,072 % |
| 12 | das | 5225 | 2,020 % | sie | 2368 | 1,971 % | das | 1066 | 2,127 % | sich | 1857 | 2,056 % |
| 13 | sich | 5153 | 1,993 % | das | 2287 | 1,904 % | es | 984 | 1,964 % | dem | 1783 | 1,974 % |
| 14 | dem | 4752 | 1,837 % | dem | 2284 | 1,901 % | von | 817 | 1,630 % | mit | 1740 | 1,926 % |
| 15 | mit | 4720 | 1,825 % | mit | 2231 | 1,857 % | sich | 806 | 1,608 % | nicht | 1706 | 1,889 % |
| 16 | des | 4342 | 1,679 % | des | 2227 | 1,854 % | mit | 749 | 1,495 % | des | 1564 | 1,731 % |
| 17 | ein | 4271 | 1,651 % | ein | 2091 | 1,741 % | ist | 704 | 1,405 % | ein | 1490 | 1,650 % |
| 18 | es | 3992 | 1,544 % | war | 1908 | 1,588 % | auf | 691 | 1,379 % | auf | 1446 | 1,601 % |
| 19 | auf | 3928 | 1,519 % | auf | 1791 | 1,491 % | ein | 690 | 1,377 % | als | 1288 | 1,426 % |
| 20 | ich | 3716 | 1,437 % | es | 1749 | 1,456 % | dem | 685 | 1,367 % | es | 1259 | 1,394 % |
[35]Tabelle 4 zeigt, dass sich Unterschiede in den Annotationskategorien in Anbetracht der hochfrequenten Wörter zunächst besonders in der Verwendung der Personalpronomen zeigen: Im auktorialen Teilkorpus dominiert das generalisierende »er« (Rang 4, 3,79 %), gefolgt von »sie« (12). Im aktorialen Subkorpus tritt hingegen »ich« (4,85 %) deutlich häufiger als »er« auf – im Gegenzug findet sich »ich« im auktorialen Subkorpus erst auf Rang 133 (0,17 %). Die Verwendung von »ich« ist entsprechend charakteristisch für die interne Fokalisierung, die sich schließlich aus der Wahrnehmung einer Figur heraus organisiert und sich neben der ersten Person Singular auch über Verben der Wahrnehmung erschließen lässt.[39] Die genannten Merkmale zeigen sich im Korpus insbesondere in der Annotation von erlebter Rede, etwa von Zeugen oder Angeklagten, und oft in Kombination mit Konjunktivformen wie »würde« (Rang 85, 0,33 %) und »hätte« (Rang 91, 0,30 %), z. B.: »Ich war so verwirrt und übermannt von dem Schrecken, von dem ich erfüllt war, daß ich, wenn jemand mir damals das Verbrechen vorgehalten oder mich verhaftet hätte, augenblicklich alles eingestanden haben würde.«[40]
[36]Das Subkorpus der externen Fokalisierung (neutral) lässt sich hinsichtlich der Nutzung von Personalpronomen nicht von den anderen beiden Annotationskategorien abgrenzen, auffällig erscheint hier vor allem der Konjunktiv »sei«, der hier mit Rang 46 seine höchste Frequenz im Vergleich der Fokalisierungsarten erreicht (0,63 %). Bezieht man allerdings auch die inhaltstragenden Begriffe der 200 MFWs ein, dann weisen Begriffe wie »dr« (Rang 73, 0,32 %), »briefe« (Rang 100, 0,25 %) und »angeklagten« (Rang 139, 0,17 %) auf sachlich-beschreibende Darstellungen hin, die teilweise mit Expertentum einhergehen. Etwa, wenn das Plädoyer eines Anwalts in wörtlicher Rede wiedergegeben wird:
[37]»Angenommen, die Vergiftung sei zufällig geschehen und weiter angenommen, der Arsenik sei zu irgendeinem häuslichen Zwecke gekauft, aber unvorsichtigerweise an dem Orte, wo das Salz aufbewahrt wurde, oder auf dem Anrichtetische liegen geblieben, so kommt doch alles darauf an, wer den Pudding gesalzen, also Arsenik und Salz verwechselt hat.«[41]
[38]Nachdem zuerst die Fokalisierungsgruppen miteinander verglichen wurden, soll die Analyseskala abschließend noch geweitet werden: von der Ebene der Annotationen zu übergreifenden Mustern. Aus den Annotationsdaten ergeben sich zwei Operationalisierungen, die Analyse der Annotationswechsel sowie die Annotationsverläufe.
[39]Beginnend mit den Wechseln der Annotationskategorien zeigt Abbildung 2 eine Heatmap der Wechselverläufe im Annotationskorpus. Die Einfärbung der jeweiligen Kategorienkästchen spiegelt die Wechselhäufigkeit – je dunkler, desto häufiger. Die diagonal verlaufenden hellgelben Nullreihen zeigen, dass ausschließlich Kategorienwechsel erfasst wurden, nicht aber, wenn der Annotationstyp bestehen bleibt.
[40]Auf die bisher insgesamt 25.031 Annotationen des Projekts entfallen 7.406 Fokalisierungswechsel. Mit deutlichem Abstand treten die meisten Wechsel zwischen den beiden am häufigsten vertretenen Kategorien auf: von auktorial zu neutral und umgekehrt (mit einem prozentualen Anteil von 21,33 % bzw. 20,40 %). Ein Vergleich der Wechselfrequenzen in Abhängigkeit von der Länge der Fallgeschichten zeigt leichte Unterschiede: Zwar dominieren die Wechsel zwischen auktorial und neutral auch hier, doch ist dies bei kürzeren Fallgeschichten ausgeprägter. Dort entfallen fast 52 % der Wechsel auf die Kategorien auktorial und neutral, während es im Gesamtkorpus 38,67 % und bei den längeren Fallgeschichten 40,12 % sind. Bei den längeren Fallgeschichten zeigt sich die Verteilung über die möglichen Wechselpfade also leicht ausgewogener.[42]
[41]Wechsel zwischen auktorialer und aktorialer sowie aktorialer und neutraler Fokalisierung sind übergreifend deutlich seltener.[43] Ein Blick in die Annotationsdaten zeigt, dass diese Wechselformen sich etwa in der Darstellung szenischer Beschreibungen identifizieren lassen, wie Zeugenaussagen vor Gericht. Die übereinstimmenden Doppelannotationen in Abbildung 3 zeigen einen Fokalisierungsablauf, bei dem alle drei Kategorien vorkommen – im Kontext einer Hinrichtung: Während die letzten gesprochenen Worte des Verurteilten aktorial annotiert sind, wird die Hinrichtung selbst aus der beobachtenden, neutralen Fokalisierung erzählt, die gewissermaßen einen fokalen Zwischenschritt bildet, bevor ein auktorialer Herausgeberkommentar die Fallgeschichte beschließt.
[42]Neben der Häufigkeit von Annotationswechseln erlaubt auch die Verteilung der Fokalisierungsannotationen innerhalb der Fallgeschichten Rückschlüsse auf die narrativen Strategien des Neuen Pitaval.
[43]Abbildung 4 zeigt mit einem Density-Plot, wie sich die Annotationen im Text verteilen. Anstelle einfacher Häufigkeiten wird hier mittels Dichte-Schätzung (Kernel Density Estimation) berechnet, in welchen Abschnitten sich viele Annotationen einer Kategorie dicht beieinander befinden. So entsteht pro Tag eine geglättete Kurve, deren Spitzen die Häufungen von Datenpunkten anzeigen. Da die Fokalisierungstags über die gesamten Verläufe der Fallgeschichten verteilt sind, wurden die Kurven übereinandergelegt.
[44]Mittels der Dichteverteilung lassen sich Tendenzen der Fokalisierung feststellen: In den initialen Segmenten der Fallgeschichten treten verstärkt auktoriale Passagen auf – ein Hinweis darauf, dass diese bevorzugt rahmende, kommentierende sowie einleitende Funktionen haben. Ein Beispiel dafür sind etwa die genretypischen Quellenverweise, mit denen viele Fallgeschichten beginnen:
[45]»Berühmte Räuber der alten Zeit finden wir nicht allein in den Volksbüchern, sondern auch in allen Sammlungen der Causes célèbres verzeichnet. Wenngleich die actenmäßigen Nachrichten bei vielen derselben fehlen und die, welche sich gerettet, durch die Tradition, vielleicht auch durch die Poesie des Volks, ergänzt und geschmückt sind, fehlen sie doch auch nicht in den sonst wissenschaftlich behandelten Sammelwerken bei Engländern und Franzosen.«[44]
[46]Die aktorialen Anteile hingegen konzentrieren sich im ersten Textdrittel, wohingegen sich im letzten Drittel eine annähernd gleichmäßige Verteilung zwischen auktorialer und aktorialer Fokalisierung zeigt – bevor kurz vor Textende erneut eine kleine auktoriale Zuspitzung einsetzt, allerdings deutlich weniger stark als zu Beginn.
4. Fazit und Ausblick
[47]Das vorgestellte Annotationsprojekt zur Fokalisierung im Neuen Pitaval verbindet narratologische Theorie, digitale Methodik und literaturwissenschaftliche Lehre, aus der sich erste Beobachtungen zur narrativen Struktur der Fallgeschichten ableiten lassen: Ein kontrastiver Abgleich der hochfrequenten Wörter der verschiedenen Fokalisierungskategorien weist auf spezifische sprachliche Muster hin: Während etwa im auktorialen Teilkorpus generalisierende Personalpronomen dominieren, tritt im aktorialen Subkorpus insbesondere das Pronomen ›ich‹ sowie eine erhöhte Frequenz von Wahrnehmungsverben und Konjunktivformen auf – typische Merkmale interner Fokalisierung, die im Korpus häufig mit erlebter Rede korrespondieren. Das neutrale Subkorpus ist hingegen weniger durch Pronomen, dafür aber durch sachlich-deskriptive Begriffe und eine auffällige Konjunktivnutzung geprägt, etwa in juristischen Sprechakten. Die systematische Analyse der Fokalisierungswechsel belegt die Dominanz der Übergänge zwischen auktorialer und neutraler Fokalisierung. Wechsel, an denen die aktoriale Perspektive beteiligt ist, sind insgesamt seltener und treten vor allem in narrativen Szenen auf, etwa bei Zeugenaussagen oder Gerichtsschilderungen. Dieses Zusammenspiel verweist auf ein spezifisches Erzählverfahren, das subjektive Wahrnehmung zulässt, aber zugleich diskursiv auktorial einhegt und auslegt.
[48]Jedoch zeigen die Auswertungen des Inter-Annotator-Agreements und der kategorialen Trennschärfe eine teilweise schwache Datenqualität: Während auktoriale Segmente vergleichsweise zuverlässig identifiziert wurden, führte die Zuordnung der anderen Kategorien zu deutlich mehr Uneinigkeit zwischen den Annotator*innen. Dieser Befund kann sowohl auf textinterne als auch auf textexterne Gründe zurückgeführt werden: Fokalisierung ist in vielen Fällen kein explizit markiertes, sondern ein kontextuell erschließbares Phänomen – umso mehr in hybriden Gattungen wie der Fallgeschichte, die zwischen juristischer Faktenerzählung und literarischer Gestaltung changiert. Zudem sind narratologische Analysen immer auch Interpretationen der literarischen Welt – insbesondere bei der wahrnehmungsabhängigen Kategorie Fokalisierung. Dies geht entsprechend oft mit stark variierenden IAAs einher.[45] Allerdings zeigen die erreichten positiven Werte (0,76 bei Mary Hendron und Margaret Pendergras, 0,63 bei Gilder Roy und 0,61 bei Alibaud), dass höhere Übereinstimmungswerte möglich wären.
[49]Es läge nun nahe, die studentischen Annotator*innen durch ausgebildete Expert*innen zu ersetzen und so auf qualitativ und quantitativ einheitlichere Annotationen zu hoffen – allerdings zielt das Projekt dezidiert darauf ab, einen Mehrwert aus der möglichst engen und praxisnahen Verzahnung von Forschung und Lehrimplementierung zu generieren. Entsprechend sollte in nachfolgenden Lehreinheiten ein vertiefter Schwerpunkt auf die Kategorienschärfung und -einübung gesetzt werden. Hierzu könnte etwa ein intensives, obligatorisches Workshop-Format geeignet sein. Denn die ersten Analysen lassen darauf hoffen, dass sich mit mehr (Annotations-)Daten auch mehr Indizien für ein genrespezifisches Erzählen und die narrative Dynamik des Neuen Pitaval erschließen lassen.
[50]Vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen stellt sich zunehmend die Frage, inwiefern auch Large Language Models (LLMs) künftig bei der Annotation literarischer Texte eingesetzt werden können. Eine aktuelle Studie mahnt zur Zurückhaltung: Die Leistungsfähigkeit der Modelle werde häufig überschätzt und ihre Vorschläge würden oftmals unkritisch übernommen – mit Folgen für die Validität und Vielfalt der Daten.[46] Die hier präsentierten Ergebnisse können aber einen ersten Schritt in Richtung belastbarer Ground-Truth-Daten markieren, mit denen sich LLMs künftig besser trainieren und kritisch evaluieren lassen.
Anhang 1: Annotationsdaten
| Dokumente | Token- anzahl |
Sätze | Annotationen | Verwendete Tags |
| Bd16 1850 10 DieweisseKatzeunddasweisseMaedchen 1779-1783 | 2715 | 130 | 125 | 'auktorial', 'aktorial', 'neutral' |
| Bd18 1852 7 Raeuberbanden5 DasPfarrhauszuMuelheimanderRuhr | 2750 | 155 | 148 | 'auktorial', 'aktorial', 'neutral' |
| Bd60 1890 7 Meineid-oder-Rechtsirrthum 1889 | 2758 | 111 | 124 | 'auktorial', 'aktorial', 'neutral' |
| Bd55 1884 4 Der-florentiner-Bombenprocess 1878 1879 | 2800 | 148 | 110 | 'auktorial', 'neutral' |
| Bd55 1884 4 Der-florentiner-Bombenprocess 1878 1879 | 2800 | 148 | 151 | 'auktorial', 'aktorial', 'neutral' |
| Bd27 1859 6 Lord-Stourton 1556 | 2869 | 111 | 94 | 'auktorial', 'neutral' |
| Bd44 1873 3 Ein-Pistolenduell-unter-Studenten 1872 | 2969 | 171 | 169 | 'auktorial', 'aktorial', 'neutral' |
| Bd53 1882 5 Der-Advocat-Hallet-in-Wisconsin-und-der-Raeuber-George-Raleigh 1874 | 2992 | 158 | 163 | 'auktorial', 'aktorial', 'neutral' |
| Bd53 1882 5 Der-Advocat-Hallet-in-Wisconsin-und-der-Raeuber-George-Raleigh 1874 | 2992 | 158 | 169 | 'auktorial', 'aktorial', 'neutral' |
| Bd41 1870 3 Marie-Francoise-Salmon ein-Opfer-der-franzoesischen-Justiz 1781 1786 | 3009 | 134 | 135 | 'auktorial', 'aktorial', 'neutral' |
| Bd41 1870 3 Marie-Francoise-Salmon ein-Opfer-der-franzoesischen-Justiz 1781 1786 | 3009 | 134 | 149 | 'auktorial', 'aktorial', 'neutral' |
| Bd4 1843 7 DieKindesmoerderinunddieScharfrichterin 1625 | 3052 | 156 | 155 | 'auktorial', 'aktorial', 'neutral' |
| Bd6 1844 7 MatheovonCasale 1805 | 3063 | 157 | 139 | 'auktorial', 'aktorial', 'neutral' |
| Bd6 1844 7 MatheovonCasale 1805 | 3063 | 157 | 172 | 'auktorial', 'aktorial', 'neutral' |
| Bd28 1860 9 Der-Doctor-Bors 1779 1780 | 3083 | 138 | 135 | 'auktorial', 'aktorial', 'neutral' |
| Bd17 1851 9 Clemence 1755-1777 | 3154 | 160 | 54 | 'auktorial', 'aktorial' |
| Bd28 1860 8 Gilder-Roy 1652 | 3159 | 128 | 137 | 'auktorial', 'aktorial', 'neutral' |
| Bd28 1860 8 Gilder-Roy 1652 | 3159 | 128 | 144 | 'auktorial', 'aktorial', 'neutral' |
| Bd15 1850 2 Alibaud 1836 | 3162 | 179 | 180 | 'auktorial', 'aktorial', 'neutral' |
| Bd15 1850 2 Alibaud 1836 | 3162 | 179 | 186 | 'auktorial', 'aktorial', 'neutral' |
| Bd29 1861 12 Elisabeth-Chudleigh-in-Esthland Nachtrag-zu-Process-der-Herzogin-von-Kingston | 3179 | 91 | 17 | 'auktorial', 'neutral' |
| Bd29 1861 12 Elisabeth-Chudleigh-in-Esthland Nachtrag-zu-Process-der-Herzogin-von-Kingston | 3179 | 91 | 69 | 'auktorial', 'neutral' |
| Bd60 1890 2 Herzog-Johann-Friedrich-von-Weimar 1627 1628 | 3232 | 181 | 170 | 'auktorial', 'aktorial', 'neutral' |
| Bd5 1844 4 MaryHendronundMargaretPendergras 1727 | 3290 | 135 | 136 | 'auktorial', 'aktorial', 'neutral' |
| Bd5 1844 4 MaryHendronundMargaretPendergras 1727 | 3290 | 135 | 136 | 'auktorial', 'aktorial', 'neutral' |
| Bd49 1878 2 Der-Process-Tourville 1877 | 19304 | 933 | 367 | 'auktorial', 'neutral' |
| Bd32 1862 7 Joseph-Keller-und-Christine-Meder 1860 | 19313 | 736 | 760 | 'auktorial', 'aktorial', 'neutral' |
| Bd57 1887 5 Alois-Szemeredy Ein-Criminalprocess-aus-Suedamerika-nach-altspanischem-Verfahren 1876 1881 | 19512 | 890 | 452 | 'auktorial', 'aktorial', 'neutral' |
| Bd57 1887 5 Alois-Szemeredy Ein-Criminalprocess-aus-Suedamerika-nach-altspanischem-Verfahren 1876 1881 | 19512 | 890 | 888 | 'auktorial', 'aktorial', 'neutral' |
| Bd19 1852 1 GraefinSomersetundihrGatte 1613-1616 | 19693 | 920 | 934 | 'auktorial', 'aktorial', 'neutral' |
| Bd16 1850 3 Ney 1815 | 20079 | 1152 | 1179 | 'auktorial', 'aktorial', 'neutral' |
| Bd52 1881 6 Der-Process-Hansen-Fischer 1880 | 22559 | 1924 | 1797 | 'auktorial', 'aktorial', 'neutral' |
| Bd3 1843 1 Struensee 1772 | 23282 | 1165 | 1027 | 'auktorial', 'aktorial', 'neutral' |
| Bd3 1843 1 Struensee 1772 | 23282 | 1165 | 1229 | 'auktorial', 'aktorial', 'neutral' |
| Bd42_1871_1_Eine-Fabrik-falscher-Autographen-in-Paris_1869_1870 | 23580 | 1209 | 1273 | 'auktorial', 'aktorial', 'neutral' |
| Bd43 1872 2 Edward-S-Ruloff 1839 1870 | 23646 | 886 | 1041 | 'auktorial', 'aktorial', 'neutral' |
| Bd34 1863 5 Ein-altes-Criminalurtelcopial | 24046 | 721 | 1055 | 'auktorial', 'aktorial', 'neutral' |
| Bd46 1875 1 Der-Process-Tichborne 1866 1874 | 24170 | 998 | 974 | 'auktorial', 'aktorial', 'neutral' |
| Bd30 1862 1 Die-Sickles-Tragoedie-in-Washington 1859 | 24690 | 1007 | 1087 | 'auktorial', 'aktorial', 'neutral' |
| Bd26 1858 4 Der-Schreiner-Birnstiel 1844 1848 | 24784 | 1111 | 1074 | 'auktorial', 'aktorial', 'neutral' |
| Bd37 1866 3 Edmond-Desire-Couty-de-la-Pommerais 1863 1864 | 24810 | 1056 | 784 | 'auktorial', 'aktorial', 'neutral' |
| Bd9 1846 1 MiguelServeto 1553 | 25584 | 999 | 1098 | 'auktorial', 'aktorial', 'neutral' |
| Bd9 1846 9 WilstergenanntBaronvonEssen 1809-1813 | 25643 | 1118 | 1295 | 'auktorial', 'aktorial', 'neutral' |
| Bd2 1842 1 FonkundHamacher 1816-1823 | 25757 | 1164 | 1468 | 'auktorial', 'aktorial', 'neutral' |
| Bd40 1869 2 Der-Buchbindermeister-Ferdinand-Wittmann 1862 1868 | 25877 | 1279 | 485 | 'auktorial', 'aktorial', 'neutral' |
| Bd20 1853 4 DerPfarrerJosephSchaeffer 1803 | 26024 | 1276 | 1397 | 'auktorial', 'aktorial', 'neutral' |
| Median | 3261 | 179 | 176 | |
| Mittelwert | 12196 | 569 | 544 |
Anhang 2: Annotationswechsel
| Gesamtkorpus | ||
| auktorial | -> neutral | 21,33 % |
| neutral | -> auktorial | 20,40 % |
| neutral | -> aktorial | 17,34 % |
| aktorial | -> neutral | 16,45 % |
| aktorial | -> auktorial | 12,68 % |
| auktorial | -> aktorial | 11,80 % |
| Subkorpus kürzerer Fallgeschichten (2.715–3.290 Token) | ||
| auktorial | -> neutral | 26,32 % |
| neutral | -> auktorial | 25,66 % |
| aktorial | -> auktorial | 12,50 % |
| neutral | -> aktorial | 12,06 % |
| auktorial | -> aktorial | 11,95 % |
| aktorial | -> neutral | 11,51 % |
| Subkorpus längerer Fallgeschichten (19.304–26.024) | ||
| auktorial | -> neutral | 20,53 % |
| neutral | -> auktorial | 19,59 % |
| neutral | -> aktorial | 18,25 % |
| aktorial | -> neutral | 17,35 % |
| aktorial | -> auktorial | 12,59 % |
| auktorial | -> aktorial | 11,68 % |
Fußnoten
-
[1]Vgl. Brylla 2016; Linder 2013.
-
[2]Hitzig et al. 1842–1890 (1862 übernahm der Jurist Anton Vollert die Herausgabe der Sammlung). Der Neue Pitaval liegt als volldigitalisiertes Korpus vor, siehe: Weitin / Herget (Hg.) 2025.
-
[3]Alexis 1842, S. XII.
-
[4]
-
[5]Gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Projektnummer 470395523.
-
[6]Alexis 1842, S. XIII.
-
[7]Linder / Schönert 1983, S. 195.
-
[8]Beide Zitate: Alexis 1847, S. XXIV und XXVI.
-
[9]Vgl. Košenina 2009; Pethes 2016.
-
[10]Vgl. Linder 1991. Sandra Beck kombiniert dies später mit Erzählfunktionen wie dem retardierenden Moment, siehe: Beck 2017.
-
[11]
-
[12]Vgl. Genette 2010, S. 132–138, 241–244.
-
[13]
-
[14]Genette 2010, S. 133.
-
[15]Vgl. Genette 2010.
-
[16]Vgl. Martínez / Scheffel 2016, S. 64 (Hervorhebung im Original). Die Wissensverhältnisbestimmung zwischen Erzählinstanz und Figur ist von Tzvetan Todorov übernommen. Genette greift diese auf, um die von ihm vorgeschlagenen Fokalisierungsarten zu bestimmen, vgl. Genette 2010.
-
[17]Vgl. Gius 2022.
-
[18]
-
[19]
-
[20]
-
[21]Vgl. Jacke 2024b.
-
[22]Siehe: Gius et al. 2024; das zugehörige Python-Package GitMA ermöglicht den Zugriff auf das CATMA-Backend und vereinfacht die Analyse der Annotationen, vgl. Vauth et al. 2022.
-
[23]Gius 2022, S. 395.
-
[24]Die Annotation mit CATMA sowie zentrale Konzepte der Narratologie – einschließlich der Fokalisierung nach Genette – werden in den obligatorischen Einführungsveranstaltungen der Literaturwissenschaft vermittelt, sodass die Seminare auf bereits vorhandenes Grundlagenwissen aufbauen konnten.
-
[25]Vgl. Gius et al. 2019.
-
[26]Vgl. Jacke 2021, S. 17.
-
[27]Vgl. De Doncker 2017, S. 128.
-
[28]Eine Miszelle über Exekutionsorte (Band 37, 1866).
-
[29]Dies betrifft insbesondere die 21 Räuberbandengeschichten des Neuen Pitaval, von denen eine in das Annotationskorpus aufgenommen wurde. Die Annotationsdaten finden sich in Anhang 1.
-
[30]Beide Zitate: Igl 2018, S. 142.
-
[31]Vgl. Krippendorff 1970 sowie Reiter / Konle 2022, S. 11.
-
[32]Vgl. Gius 2022, S. 396.
-
[33]Vgl. Reiter et al. 2020, S. 340–341.
-
[34]Vgl. Gius / Jacke 2017.
-
[35]
-
[36]Genette 2010, S. 123 (Hervorhebung wie Original).
-
[37]Genette 2010, S. 123.
-
[38]Vertiefend zur Bedeutung von MFWs in der digitalen Literaturwissenschaft vgl. »Literarische Stilometrie: Evaluation der Parameter«, in: Herget 2025, S. 225–233.
-
[39]Vgl. Jacke 2024b.
-
[40]
-
[41]
-
[42]Die Daten sind im Anhang aufgeführt, siehe: Anhang 2.
-
[43]Wechsel zwischen aktorialer und auktorialer Fokalisierung machen 11,80 % bzw. 12,68 % im Gesamtkorpus und 12,59 % bzw. 11,68 % bei den längeren Fallgeschichten aus; der niedrigste Wert der kürzeren Fallgeschichten bezieht sich auf Wechsel von aktorial zu neutral: 11,51 %. Allerdings weisen die beiden Kategorien auch relativ hohe Abweichungsraten beim IAA auf (vgl. Tabelle 3).
-
[44]
-
[45]Vgl. Gius / Jacke 2017, S. 236, 241.
-
[46]Vgl. Schroeder et al. 2025.
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- Nora Ketschik / Benjamin Krautter / Sandra Murr / Yvonne Zimmermann: Zur Theorie von Erzählebenen und ihrer Annotation im digitalen Kontext. In: Nils Reiter / Axel Pichler / Jonas Kuhn (Hg.): Reflektierte algorithmische Textanalyse. Interdisziplinäre(s) Arbeiten in der CRETA-Werkstatt. Berlin u. a. 2020, S. 439–464. DOI: 10.1515/9783110693973-018
- Alexander Košenina: Schwerpunkt: Fallgeschichten. Von der Dokumentation zur Fiktion. In: Zeitschrift für Germanistik 19 (2009), S. 282–287. [Nachweis im GVK]
- Klaus Krippendorff: Estimating the Reliability, Systematic Error and Random Error of Interval Data. In: Educational and Psychological Measurement 30 (1970), H. 1, S. 61–70. DOI: 10.1177/001316447003000105
- Joachim Linder: Wissen über Kriminalität. Zur Medien– und Diskursgeschichte von Verbrechen und Strafjustiz vom 18. bis zum 21. Jahrhundert (= Literatur, Kultur, Theorie, 16). Würzburg 2013. [Nachweis im GVK]
- Joachim Linder: Deutsche Pitavalgeschichten in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Konkurrierende Formen der Wissensvermittlung und der Verbrechensdeutung. In: Jörg Schönert (Hg.): Erzählte Kriminalität. Zur Typologie und Funktion von narrativen Darstellungen in Strafrechtspflege, Publizistik und Literatur zwischen 1770 und 1920 (= Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur, 27). Tübingen 1991, S. 313–348. DOI: 10.1515/9783110912456.313
- Joachim Linder / Jörg Schönert: Literarische Verständigung über ›Kriminalität‹ in der deutschen Literatur 1850–1880. Vermittelnde Medien, leitende Normen, exemplarische Fälle. In: Jörg Schönert (Hg.): Literatur und Kriminalität. Die gesellschaftliche Erfahrung von Verbrechen und Strafverfolgung als Gegenstand des Erzählens. Deutschland, England und Frankreich 1850–1880. Interdisziplinäres Kolloquium der Forschergruppe »Sozialgeschichte der deutschen Literatur 1770–1900«, München, 15.–16.01.1981 (= Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur, 8). Tübingen 1983, S. 184–238. [Nachweis im GVK]
- Marie Françoise Salmon, ein Opfer der französischen Justiz (1781 bis 1786). In: Anton Vollert (Hg.): Der neue Pitaval. Eine Sammlung der interessantesten Criminalgeschichten aller Länder aus älterer und neuerer Zeit. Leipzig 1870. [Nachweis im GVK]
- Matías Martínez / Michael Scheffel: Einführung in die Erzähltheorie (= C. H. Beck Studium). 10. Auflage. München 2016. [Nachweis im GVK]
- Nicolas Pethes: Literarische Fallgeschichten. Zur Poetik einer epistemischen Schreibweise. Konstanz 2016. [Nachweis im GVK]
- Nils Reiter / Leonard Konle: Messverfahren zum Inter-annotator-agreement (IAA). Eine Übersicht (= DARIAH-DE Working Papers, 44). Göttingen 2022. DOI: 10.47952/gro-publ-103
- Nils Reiter / Marcus Willand / Evelyn Gius: Die Erstellung von Annotationsrichtlinien als Community-Aufgabe für die Digitalen Geisteswissenschaften. In: Julia Nantke / Frederik Schlupkothen (Hg.): Annotations in Scholarly Editions and Research. Functions, Differentiation, Systematization. Berlin u. a. 2020, S. 325–350. DOI: 10.1515/9783110689112-015
- Hope Schroeder / Deb Roy / Jad Kabbara: Just Put a Human in the Loop? Investigating LLM-Assisted Annotation for Subjective Tasks. In: arXiv (21.07.2025). DOI: 10.48550/arXiv.2507.15821
- Henny Sluyter-Gäthje: Zur Perspektive in Erzähltexten. Ein Ansatz der Computational Literary Studies. In: Zenodo. 2024. DOI: 10.5281/zenodo.10698344
- Rudolf Stichweh: Zur Subjektivierung der Entscheidungsfindung im deutschen Strafprozeß des 19. Jahrhunderts. In: André Gouron / Laurent Mayali / Antonio Padoa Schioppa / Dieter Simon (Hg.): Subjektivierung des justiziellen Beweisverfahrens. Beiträge zum Zeugenbeweis in Europa und den USA (18.–20. Jahrhundert) (= Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 64). Frankfurt / Main 1994. [Nachweis im GVK]
- Michael Vauth: Eine digitale Narratologie der Binnenerzählung. Untersuchungen zu den Dramen und Novellen Heinrich von Kleists (= Digitale Literaturwissenschaft). Berlin u. a. 2023. DOI: 10.1007/978-3-662-67036-1
- Michael Vauth / Evelyn Gius: Event Annotations of Prose. In: Journal of Open Humanities Data 8 (2022). DOI: 10.5334/johd.83
- Michael Vauth / Male Meister / Hans Ole Hatzel / Dominik Gerstorfer / Evelyn Gius: GITMA. In: Zenodo. Version 1.4.9 vom 05.03.2022. DOI: 10.5281/zenodo.6330464
- Anton Vollert: Edward S. Ruloff (Nordamerika) 1839–1870. In: Anton Vollert (Hg.): Der neue Pitaval. Eine Sammlung der interessantesten Criminalgeschichten aller Länder aus älterer und neuerer Zeit. Leipzig 1872. [Nachweis im GVK]
- Thomas Weitin: Zeugenschaft. Das Recht der Literatur. München 2009. [Nachweis im GVK]
- Thomas Weitin / Katharina Herget (Hg.): Der Neue Pitaval (1842-1890). In: Zenodo. Version 1.2 vom 23.06.2025. Dataset. DOI: 10.5281/zenodo.15720778
- Thomas Weitin / Katharina Herget: Zwischen Recht und Literatur: Die Kriminalfallsammlung des »Neuen Pitaval« (1842–1890) als Gegenstand digitaler Korpusanalysen. In: Rechtsgeschichte – Legal History 33 (im Erscheinen).
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
- Abb. 1: Entscheidungsbaum zur Identifikation des vereinfachten Fokalisierungskonzepts [Grafik: Herget / Weitin 2025]
- Tab. 1: Kennwerte des Annotationskorpus.
- Tab. 2: Inter-Annotator-Agreement (Krippendorff’s Alpha) der doppelt annotierten Fallgeschichten.
- Tab. 3: Kategorienschärfe: Übereinstimmung und Abweichung
- Tab. 4: Ausschnitt aus den MFWs des Annotationskorpus im Vergleich zu den Subkorpora (Angabe mit Reihung, Wort, absoluten Vorkommen und relativer Häufigkeit).
- Abb. 2: Heatmap der Annotationswechsel (gesamtes Korpus); auf der Y-Achse sind die Ausgangsannotationen zu finden, auf der x-Achse die geänderten Annotationen. [Grafik: Herget / Weitin 2025]
- Abb. 3: Ausschnitt eines doppelt annotierten Texts in CATMA. [Screenshot: Herget / Weitin 2025]
- Abb. 4: Dichteverteilung der annotierten Erzählperspektiven über den normalisierten Textverlauf der Fallgeschichten hinweg. Die horizontale Achse markiert die Textposition, die vertikale Achse die Dichte der Annotationen. [Grafik: Herget / Weitin 2025]
- Tab. 5: Annotationsdaten. Textumfang in Wörtern (Token) und Annotationen; nach Tokenanzahl sortiert, inklusive doppeltannotierter Fallgeschichten.
- Tab. 6: Daten der Annotationswechsel (in Prozent und nach Häufigkeit sortiert).


![Abb. 1: Entscheidungsbaum zur Identifikation des vereinfachten Fokalisierungskonzepts [Grafik: Herget / Weitin 2025]](https://www.zfdg.de/sites/default/files/medien/fallgeschichten_001.png)
![Abb. 2: Heatmap der Annotationswechsel (gesamtes Korpus); auf der Y-Achse sind die Ausgangsannotationen zu finden, auf der x-Achse die geänderten Annotationen. [Grafik: Herget / Weitin 2025]](https://www.zfdg.de/sites/default/files/medien/fallgeschichten_002.png)
![Abb. 3: Ausschnitt eines doppelt annotierten Texts in CATMA. [Screenshot: Herget / Weitin 2025]](https://www.zfdg.de/sites/default/files/medien/fallgeschichten_003.png)
![Abb. 4: Dichteverteilung der annotierten Erzählperspektiven über den normalisierten Textverlauf der Fallgeschichten hinweg. Die horizontale Achse markiert die Textposition, die vertikale Achse die Dichte der Annotationen. [Grafik: Herget / Weitin 2025]](https://www.zfdg.de/sites/default/files/medien/fallgeschichten_004.png)