Begriffe der Digital Humanities – Ein diskursives Glossar. Vorwort

Views
806
Downloads
3
Kategorie
Working Paper
Version
1.0
AG Theorie des Verbandes Digital Humanities im deutschsprachigen Raum e. V. Autor*inneninformationen

DOI: 10.17175/wp_2023_001

Nachweis im OPAC der Herzog August Bibliothek: 183976709X

Erstveröffentlichung: 25.05.2023

Lizenz: Sofern nicht anders angegeben Creative Commons Lizenzvertrag

Medienlizenzen: Medienrechte liegen bei den Autor*innen

Letzte Überprüfung aller Verweise: 05.05.2023

GND-Verschlagwortung: Digital Humanities | Glossar | Terminologie | 

Empfohlene Zitierweise: AG Theorie des Verbandes Digital Humanities im deutschsprachigen Raum e. V.: Begriffe der Digital Humanities – Ein diskursives Glossar. Vorwort. In: AG Digital Humanities Theorie des Verbandes Digital Humanities im deutschsprachigen Raum e. V. (Hg.): Begriffe der Digital Humanities. Ein diskursives Glossar (= Zeitschrift für digitale Geisteswissenschaften / Working Papers, 2). Wolfenbüttel 2023. 25.05.2023. HTML / XML / PDF. DOI: 10.17175/wp_2023_001


Das Open Public Peer Review ist abgeschlossenOpen Public Peer Review abgeschlossen

[1]Die Digital Humanities (DH) zeichnen sich dadurch aus, dass in ihnen viele unterschiedliche Wissenschaftsdisziplinen zusammenkommen und sich miteinander austauschen. Alle diese Teildisziplinen bringen ihre Fachtermini mit jeweils eigenen Bedeutungsdimensionen mit. Die gleichen Begriffe mit verschiedenen Bedeutungen zu nutzen, führt nicht selten zu Spannungen und Missverständnissen – dies gilt nicht nur für die sogenannte kleine Interdisziplinarität bei verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen derselben Disziplinenfamilie, sondern insbesondere auch für die große Interdisziplinarität. Es ist daher grundlegend wichtig, sich über Begriffe auszutauschen und ihre diversen Bedeutungsdimensionen zu reflektieren. Es gibt bereits erste Ansätze zur Begriffsarbeit in den DH – neben abgeschlossenen Sammelbänden[1] existiert eine Reihe von digitalen Glossaren, Lexika und Taxonomien[2] –, eine systematische Zusammenführung derselben stand bislang aber noch aus.

[2]Auch wenn die DH häufig mit einem practical turn in Verbindung gebracht werden, der Begriffsstrukturen und -entwicklungen auf den ersten Blick vernachlässigt, lässt sich bezogen auf methodische und praxeologische Ansätze beobachten, dass Forschungsvorhaben in interdisziplinären Projekten immer schon eine kritische Begriffsarbeit voraussetzen. Es finden nicht nur semantische Anreicherungen und Umdeutungen von Begriffen statt. Vielmehr dienen verwendete Begriffe in kollaborativen Projekten auch als produktive Reibungsflächen, welche die Frage nach dem, worüber eigentlich gesprochen wird, neu verhandeln. Solche produktiven Prozesse werden in der interdisziplinären Zusammenarbeit schnell zur kommunikativen Herausforderung: »Ohne das gleichzeitige Verständnis der geisteswissenschaftlichen Herangehensweisen und informatischer Bearbeitungsmöglichkeiten geht jedenfalls häufig viel Zeit verloren, bis beide Seiten über das Gleiche reden.«[3] Bei dem hier von Patrick Sahle angesprochenen gegenseitigen Verständnis werden nicht nur Methoden, sondern auch die dafür wesentlichen Begriffe zu Objekten der gegenseitigen Sensibilisierung.

[3]Das von der DHd-AG ›Digital Humanities Theorie‹ kollaborativ erarbeitete und erweiterbare Working Paper Begriffe der Digital Humanities. Ein diskursives Glossar für die DH im deutschsprachigen Raum widmet sich nun den begrifflichen Strukturen. Anknüpfend an Susan Leigh Star und James R. Griesemers Ansatz verstehen wir Begriffe explizit als »boundary concepts«[4], die zum einen »aufgrund der Vielfalt potenzieller Bedeutungen verschiedene Anschluss- und Verstehensmöglichkeiten«[5] bereithalten. Zum anderen helfen geteilte Begrifflichkeiten, in interdisziplinären Kontexten Kohärenz zu entwickeln und aufrechtzuerhalten. Begriffe in interdisziplinärer Perspektive für alle leicht zugänglich aufzubereiten, ist ein wesentliches Anliegen des vorliegenden Glossars. Wir gehen daher von der These aus, dass eine theoretische Fundierung unserer Begriffe etablierte Erkenntnisprozesse und Forschungspraktiken innerhalb der DH sichtbar und verhandelbar macht. Mehr noch, wir behaupten, dass die Begriffsarbeit eine wertvolle Perspektive auf die latenten Logiken einer Theoriebildung in den DH in Aussicht stellt.

[4]Die theoretische und begriffliche Reflexion der DH ist das Arbeitsprogramm der DHd-AG ›Digital Humanities Theorie‹, die 2019 gegründet wurde. Ihre Mitglieder (heute: ca. 65) kommen aus allen Bereichen der (digitalen) Geistes- und Kulturwissenschaften und werden geeint von ihrem Interesse und Bestreben, die theoretische Durchdringung der digitalen Geisteswissenschaften und ihrer Werkzeuge, Objekte und Methoden zu systematisieren und weiterzuentwickeln. Die Arbeitsgruppe versteht sich dabei als Plattform des Austausches und organisiert hierfür regelmäßige Treffen und Veranstaltungen, z. B. Workshops auf DHd-Jahreskonferenzen.

[5]Das Working Paper Begriffe der Digital Humanities. Ein diskursives Glossar ist ein Langzeitprojekt, das unter Einbeziehung der Community in verstetigter praktischer und theoretischer Begriffsarbeit wachsen soll. Damit möchte die AG ›Digital Humanities Theorie‹ einen ersten Meilenstein setzen, indem eine Auswahl zentraler Begriffe behandelt wird. Für die deutschsprachige DH-Forschungscommunity verspricht das Glossar, sowohl Anschlüsse zur geisteswissenschaftlichen Begriffsgeschichte zu eröffnen, als auch ein Werkzeug für den interdisziplinären, kollaborativen Forschungsalltag bereitzustellen.

[6]Die Begriffseinträge folgen einem von uns erarbeiteten standardisierten Schema:

  • Schlagwörter und Synonyme sowie Pendants in kontrollierten Vokabularen
  • Begriffsdefinition
  • Begriffsgeschichte samt etymologischer Herleitung
  • intensionale Definition in Form einer deskriptiven Erläuterung des Begriffes in den DH
  • gegenwärtige Kontroversen um den Begriff bzw. das Konzept, für das der jeweilige Begriff steht

[7]Die verschiedenen Einträge können nur einen Überblick herstellen und verweisen zur Vertiefung auf ausgewählte Forschung. Die Auswahl der in diesem Working Paper vorgelegten Begriffe kam einerseits durch AG-interne Abstimmungen zustande. Andererseits wurden Inputs aus der Community aufgenommen: Im Rahmen der vDHd 2021 hat die AG zu einem Workshop eingeladen, in welchem wünschenswerte Glossareinträge diskutiert und mit Hilfe von Schreibsprints konturiert wurden.[6]

[8]Aktuell umfasst das alphabetisch sortierte Glossar 13 Einträge zu den Begriffen → Annotation, → Daten, → Experiment, → Hypertext, → Interpretation, → Methode, → Mixed Methods, → Modell, → Operationalisierung, → Simulation, → Text, → Theorie und → Visualisierung. Wir verstehen das Working Paper als eine explizite Einladung zur kollaborativen Begriffsarbeit. Die bereits vorhandenen Begriffseinträge verstehen sich als ›work in progress‹ und können kollaborativ kommentiert und dadurch elaboriert werden. An die Veröffentlichung schließt sich die Phase des Open Public Peer Reviews an. Die daraus resultierende überarbeitete Version soll nicht als abgeschlossen verstanden werden, sondern bleibt der kritischen Beurteilung, Erweiterung und Kommentierung zugänglich.

[9]Zukünftig soll das Glossar weiter ausgearbeitet und um weitere Begriffe ergänzt werden. Kontaktpersonen für Beitrags- oder Überarbeitungsvorschläge über den Review-Prozess hinaus sind Jonathan D. Geiger (jonathan.geiger@adwmainz.de) und Rabea Kleymann (rabea.kleymann@phil.tu-chemnitz.de).

Index der Synonyme und ähnlichen Begriffe


Bibliografische Angaben

  • DH-Lexikon. Hg. von der Universität Stuttgart. 14.08.2015. HTML. [online]

  • forTEXT Glossar. Hg. von Evelyn Gius. Hamburg 2016. HTML. [online]

  • Rebecca Frost Davis / Matthew K. Gold / Katherine D. Harris / Jentery Sayers (Hg.): Digital Pedagogy in the Humanities: Concepts, Models, and Experiments. A Peer-reviewed, Scholarly Collection of Pedagogical Artifacts. 2020. [online]

  • Jonathan D. Geiger / Jan Horstmann: Aus der Glossar-Schreibwerkstatt: Kurzer Bericht zum AG-Workshop auf der vDHd 2021. In: Digital Humanities Theorie. Blogbeitrag vom 15.05.2021. [online]

  • Martin Huber / Sybille Krämer / Claus Pias (Hg.): Wovon sprechen wir, wenn wir von Digitalisierung sprechen? Gehalte und Revisionen zentraler Begriffe des Digitalen. (Digitalität in den Geisteswissenschaften 2019, Bayreuth, 13.02.–15.02.2019) Frankfurt / Main 2020.

  • Ilana Löwy: Unscharfe Begriffe und föderative Experimentalstrategien. Die immunologische Konstruktion des Selbst. In: Die Experimentalisierung des Lebens. Experimentalsysteme in den biologischen Wissenschaften 1850/1950. Hg. von Hans-Jörg Rheinberger / Michael Hagner. Berlin 1993, S. 188–206. [Nachweis im GVK]

  • Ernst Müller / Falko Schmieder: Begriffsgeschichte und historische Semantik. Ein kritisches Kompendium. Berlin 2016. [Nachweis im GVK]

  • Patrick Sahle: Digital Humanities? Gibt’s doch gar nicht! In: Grenzen und Möglichkeiten der Digital Humanities. Hg. von Constanze Baum / Thomas Stäcker. Wolfenbüttel 2015. (= Zeitschrift für digitale Geisteswissenschaften / Sonderbände, 1). 19.02.2015. HTML / XML / PDF. DOI: 10.17175/sb001_004

  • Susan Leigh Star / James Richard Griesemer: Institutional Ecology, ›Translations‹ and Boundary Objects: Amateurs and Professionals in Berkeley’s Museum of Vertebrate Zoology, 1907–39. In: Social Studies of Science 19 (1989), H. 3, S. 387–420. [Nachweis im GVK]

  • TaDiRAH: Taxonomy of Digital Research Activities in the Humanities. Version 2.0.1. Hg. von Luise Borek / Canan Hastik / Vera Khramova / Jonathan D. Geiger. 28.09.2020. HTML. [online]