Abstract
Die digitale Editorik ist permanent im Wandel, ihr Status verortet sich derzeit zwischen medialem Experimentieren, textkritischer Traditionsverhaftung und Standardisierung. Der experimentelle Charakter lässt sich unter den Schlagworten Multiperspektivität, Multidisziplinarität und Trans-/ Multimedialität subsumieren, die als (re)produktive Kräfte das permanente Streben nach Mehr vorantreiben, welches der Medienwandel mitsamt veränderter Forschungsinteressen und -ziele initiiert hat. Die damit einhergehenden medialen und materiellen Metamorphosen erzeugen jedoch das Dilemma einer dokumentarischen Detailliertheit der digitalen Edition, die erst neue Nutzungsstrategien erforderlich macht. Führen die neuen Möglichkeiten die digitale Editorik an ihre Grenzen, stellt sich die Frage nach ihrem zukünftigen Weg.
The act of digital editing is permanently in flux, and it is currently located between medial experimentation, the text-critical attachment to tradition, and standardization. This experimental character can be subsumed under keywords such as multiperspectivity, multidisciplinarity, and trans- or multimediality. These keywords serve as the (re)productive power driving the permanent pursuit of more, which was initiated by the shift in format, with its changing research interests and goals. However, the corresponding medial and material metamorphoses produce the dilemma of a documentary level of detail in the digital edition that requires new strategies for use. As these new possibilities take digital editing to its limits, the next question is where its future direction will lead.
- 1. Das Streben nach mehr als Motor der digitalen Editorik
- 2. Metamorphosen in der Editionslandschaft
- 2.1 Mediale Metamorphose: Die Edition als transmedialisierter Datenpool
- 2.2 Materielle Metamorphose: Semantizität des Materials und der Materialität
- 2.3 Möglichkeiten, Grenzen und Gefahren der Metamorphosen in der digitalen Editorik
- 3. Wegweiser Standardisierung? – Was eine digitale Edition gegenwärtig bieten muss
- 4. Quo vadis, digitale Edition?
- Bibliographische Angaben
- Internetquellen
- Weiterführende Literatur
1. Das Streben nach mehr als Motor der digitalen Editorik
Zukunftsweisend und inzwischen beinahe nicht anders möglich ist es, sowohl Editionen selbst als auch weitere Editionsergebnisse in digitaler Form zur Verfügung zu stellen.[1] Die permanente Weiterentwicklung der neuen Medien und die digitale Vernetzung, welche die Ansprüche der Nutzer verändert haben, bedingen stets neue Wege der digitalen Edition. Daher ist jede Edition nur eine Momentaufnahme des verfügbaren Materials und der jeweils geltenden wissenschaftlichen Paradigmen und technischen Möglichkeiten zur Erforschung und Bearbeitung einer Quelle.[2] Hieraus spricht die Erkenntnis, dass das Potenzial der digitalen Form noch nicht ausgeschöpft ist und es aufgrund ihres dynamischen Status‘ wohl auch nie sein wird – »[...] perhaps there will always be something more [...]«.[3] Das Streben nach diesem ›Mehr‹ ist der Motor der ständigen Transformationsprozesse der digitalen Edition und ein beständiger Faktor ihrer Entwicklung. Somit ist in der noch recht jungen Geschichte der digitalen Editorik die Frage nach Neuerungen und Veränderungen omnipräsent – eine ständige Metamorphose ist gewünscht und erforderlich.
Der Begriff Metamorphose bezeichnet eine Anpassung an (veränderte) Umweltbedingungen bis hin zur Umwandlung oder komplexe Verwandlungen eines Themas, Inhalts oder Gegenstandes.[4] Diese allgemeine Definition umspannt bereits die Aufgaben der digitalen Editorik und verweist auf die fließend ineinander übergehende, stufenförmige Entwicklung der noch jungen Disziplin. Zugleich deutet sie neben Möglichkeiten ebenso auf Irrwege und Grenzen der Entwicklung hin.
- Hervorbringung einer »neuen Kulturtechnik«[5], die den Wissenstransfer und die Wissensorganisation vergangener Zeiten anhand von Texten greifbar macht, durch stetige Anpassung an die veränderten medialen Bedingungen (mediale Metamorphose).
- Umwandlung der textuellen Substanz durch Ablösung des Textes vom Original zur Konstruktion eines digitalen Dokuments mit eigener Materialität, das zugleich diejenige des ›Originals‹ repräsentiert (medial-materielle Metamorphose im Sinne der Transtextualität und Transliterarität).
- Komplexe Verwandlung des digitalen Dokuments durch (a) neue mediale Möglichkeiten sowie (b) Anreicherung mit weiteren Informationen, u. a. durch Vernetzungen, aufgrund produzenten- und anwenderseitiger Interessen (transmediale Metamorphose).
2. Metamorphosen in der Editionslandschaft
Der Begriff ›Metamorphose‹ widerspricht auf den ersten Blick zunächst der Prämisse der Editorik, Texte in ihrer originalen historischen Gestalt[6] zu dokumentieren, abzubilden und zur Verfügung zu stellen – impliziert er doch eine Gestaltwandlung. Er tangiert somit ein zentrales Thema, das die digitale Editorik vor ihre größte Herausforderung stellt und zugleich ihr Ziel definiert: die mediale Repräsentierbarkeit historischer Dokumente. Lösen lässt sich dieser Widerspruch durch die Differenzierung zwischen den beiden viel diskutierten Entitäten Text und Dokument, wobei Edieren dementsprechend »[...] ein Ablösen der Texte von den originalen Dokumenten selbst [...]«[7] bzw. mehr noch ein Ableiten und Konstruieren des Textes[8] durch Übertragen in ein digitales Dokument mit eigener ›Materialität‹ meint. Editorisch wird somit der vom Original abgelöste Text der Vorstellung vom Original vorgeordnet[9], was zur Folge hat, dass die originalen Dokumente in eine materielle und eine textuelle Komponente unterteilt werden.
Die mediale (Re)Präsentation historischer Dokumente muss somit den beiden Komponenten Textualität und Materialität unter Berücksichtigung der digitalen Möglichkeiten (Transmedialität) und Grenzen gerecht werden. Durch dieses Bestreben hat sich bereits eine Metamorphose inhaltlicher Art seit den Anfängen digitaler Editionen abgezeichnet. Zugleich führen diesbezügliche Überlegungen in den letzten Jahren dazu, dass die Themen Textualität, Materialität und Medialität – sowohl der historischen Dokumente selbst als auch der digitalen Medien – in den Fokus der Editoren rücken. Dabei werden die Beziehungen der drei Bereiche zueinander im Hinblick auf ihre jeweilige spezifische Teilhabe an der Generierung von Bedeutung systematisiert.[10] Dies resultiert aus der Erkenntnis, dass der zu edierende Text sowohl den Regeln des Mediums unterliegt, als auch durch die Materialität Informations- und Deutungszusätze erhält (Transtextualität), die kulturabhängige, temporäre textuelle Konventionen der jeweiligen Epoche widerspiegeln (Transliterarität). Die Erfassung all dieser verschiedenen Elemente hat die Edition zu einem ›Datenpool‹ werden lassen.
Im Kontext der medialen Präsentation gilt die elektronische Reproduzierbarkeit als Chance und Herausforderung der digitalen Edition, da sie ein vielversprechendes Mittel bei der Gratwanderung zwischen Quellennähe und Rekonstruktion darstellt.[11] Digitalisierung und Langzeitarchivierung kommen dabei sowohl der Forderung nach der jederzeitigen Verfügung über erarbeitetes Wissen und Erkenntnisse sowie deren sukzessiver Ergänzung als auch dem Erhalt des kulturellen Gedächtnisses nach. Digitale Archive mit dem Zweck der Langzeitarchivierung ergänzen so Museen, Archive und Bibliotheken in ihrer Funktion der Gedächtnisorganisation. Damit einher geht eine veränderte Aufgabenteilung, die die Grenzen zwischen den verschiedenen Einrichtungen integrativ verschiebt.
Die ›digitale Wende‹ hat mit der Entwicklung genuin für das digitale Medium konzipierter Editionen zudem einen Wandel der editorischen Praxis initiiert, der traditionelle Konzepte und Verfahren sowie die Rollen von Editor und Nutzer in Frage stellt und die Aufgabenfelder und Tätigkeiten von Editoren, Archivaren und Informatikern konvergieren lässt. Die Folgen dessen sind erst ansatzweise sichtbar.[12] Zugleich erfolgt ein Paradigmenwechsel zu offenen, flexiblen und mehrdimensionalen Editionsformen und deren Popularisierung für größere Benutzerkreise.
2.1 Mediale Metamorphose: Die Edition als transmedialisierter
Datenpool
Begleitet der Medienwechsel die (klassische) Editorik seit jeher, so hat sie mit dem Medienwandel und der ›digitalen Wende‹ eine der größten Metamorphosen vollzogen, die sich in der Weiterentwicklung der digitalen Editorik fortsetzt. So gilt es weiterhin, das originale (historische) Dokument als Medium im Sinne eines stofflichen Vermittlers und Kommunikationsmittels zu erfassen.[13] Zwar steht hierbei immer noch vorrangig die Textualität der Werke und Egodokumente im Zentrum der Betrachtung, doch wird in den letzten Jahren durch eine Rückbesinnung auf die spezifischen Eigenschaften des betreffenden Mediums, d. h. seine charakteristische Ästhetik und Materialität, angestrebt, die Medialität der originalen Dokumente im Sinne der Kommunikations- und Verwendungszusammenhänge zu verzeichnen, in denen die Texte und die Textträger entstanden sind.
Darüber hinaus meint medial im digitalen Kontext nun aber vor allem die IT-bezogene Modellierung und Repräsentation von Texten. In diesem Bereich schreitet die mediale Metamorphose[14] stetig voran. Auszeichnungssprachen, Speicherformate, Digitalisierungstechniken und insgesamt fortschreitende technische Entwicklungen der neuen Medien verändern ständig das Präsentationsformat und die Nutzungsmöglichkeiten der digitalen Edition. Gerade die Digitalisierung der Editionstechnik hat einen grundlegenden Wandel angestoßen. Sie ermöglicht die Delinearisierung des Inhalts als Hypertext, die Anreicherung des edierten Textes mit Metadaten unterschiedlichster Art – über das Format der klassischen Apparate hinaus –sowie die Produktion multipler Repräsentationsformate aus einer (Text-)Quelle. Gleichzeitig sind neue Formen der Analyse, Erschließung, Semantisierung und Recherche entstanden,[15] sodass die Edition als durchsuchbarer Datenpool zum Interface für Nutzer wird.[16]
Diese neue editorische Praxis der Darstellung eines Inhalts in verschiedenen Medien auf Basis von Daten wird als Transmedialisierung[17] verstanden. Die methodische Herausforderung dabei bestehe darin, eine medienadäquate Präsentation editorischer Inhalte zu erzeugen und zugleich medienunabhängige Daten zu modellieren[18] – was per se nicht möglich ist.[19] Grundlegend für die Umsetzung der verschiedenen medialen Anforderungen und Veränderungen sind daher »Überlegungen zur Wissens-Organisation und zum Anbringen von (interpretierenden) Codierungen«[20] im Text mittels der erwähnten Auszeichnungssprachen. Seit den Anfängen digitaler Editionen sind zahlreiche Programme[21] für diese Aufgabe entwickelt worden und auch für die Zukunft zeigt sich bezüglich der Bereiche Wissensorganisation und programmgestützter Codierung ein weites Feld für beständige Metamorphosen.
Ein weiterer Wandel hat sich auch hinsichtlich der Präsentation und Nutzung der datenbasierten Editionen abgezeichnet. Mittlerweile erleichtern mediale Plattformen und infrastrukturell vernetzte Forschungsumgebungen wie TextGrid, DARIAH oder die D-GRID GmbH kollaborative Forschung, wodurch sich deren Topologie und Navigation[22] ebenso sukzessive aufgrund unterschiedlichster Nutzungsarten wandelt.
Im Bereich der Medialität stellt die Interaktivität eine weitere Metamorphose digitaler Editionen dar, die als ein charakteristisches Merkmal des Internets und der Unterhaltungsmedien auch zu einer wesentlichen Komponente digitaler Editionen geworden ist. Durch die Möglichkeit, Prozesse der Selektion und Kombination der dargebotenen Inhalte vorzunehmen, emanzipieren sich die Nutzer derartiger Medienangebote von der Rolle bloßer Konsumenten. Die parallele Entstehung einer entsprechenden Erwartungshaltung bei der Nutzung digitaler Editionen bedingt eine stetige Veränderung in deren medialem Auftritt.[23]
Bei der (Re)Präsentation der erforschten Dokumente mitsamt ihrer textuellen, materiellen und eigenen medialen Komponente spielt die Benutzerfreundlichkeit somit heute eine immer gewichtigere Rolle. Lesepsychologische und lesetechnische Aspekte werden bei der Darstellung relevanter, weshalb eine elektronische Edition als Reaktion darauf »natürliche Orientierungsmöglichkeiten«[24] schaffen muss. Darunter fallen z. B. eine gute Gliederung, ein nutzerfreundliches, selbsterklärendes Interface, eine Notizfunktion und der Download bzw. Export von Digitalisaten und eigenen Rechercheergebnissen.
Der Einfluss der veränderten Rolle des Nutzers auf Optik, Aufbau und Funktionen einer Edition rückt auch die Themen Transparenz und Objektivität stärker in den Vordergrund. Zu diesem Zweck erhält der Nutzer die gleichen Möglichkeiten wie der Editor selbst und Probleme werden für ihn ›sichtbar‹ gemacht, sodass er eigene Urteile fällen kann. Dazu wird ihm kein Lesetext geboten, sondern Deutungsvielfalt oder Fragwürdigkeit des ›Originals‹ bleiben erhalten.[25] Der Editor unterbreitet seine eigenen ›Lesarten‹ des Textes und Problemlösungen und markiert sie damit als ›eine‹ Interpretation unter mehreren.[26] Interpretationsoffenheit und -problematik treten so zwar klarer hervor, doch erübrigt das Nebeneinander verschiedener Interpretationen auch ein Werturteil im alten textkritischen Sinne, hindert es vielleicht sogar.[27] Der Wegfall von Entscheidungsnotwendigkeiten seitens des Editors erscheint unter diesem Aspekt nur auf den ersten Blick positiv, zumal auch der Nutzer in gewisser Weise dadurch vernachlässigt wird, z.B. wenn er gegebenenfalls eigene Kollationen vornehmen muss. Zugleich wird (s)eine Edition damit von einem »Produkt zu einem unmittelbaren Protokoll des Forschungsprozesses«[28] und die eigene Rolle des Editors wandelt sich nun zum »Archivar und Verwalter von Textartefakten in Raum und Zeit«[29]. Damit verbunden sind veränderte Arbeitsbedingungen: Durch die neuen IT-Editionstechniken steht der Editor (a) vor einer veränderten Quellen- und Materialbasis und somit (b) vor einer Fülle von gegebenenfalls gar nicht hierarchisierbaren Textfassungen und nicht mehr nur vor ›einem‹ Text[30], und (c) gerät hier gleichsam an die Grenzen der Repräsentierbarkeit.
Problematisch werden diese veränderten Rollen von Editoren und Nutzern zudem, wenn (d) der Editor das Material nicht bewältigen kann und die medialen Möglichkeiten zu Unmöglichkeiten werden, und (e) der Nutzer materiell wie interpretatorisch überfordert wird. Der Nutzer muss bei der Editionserstellung zu einem gewissen Grad intendiert werden, was er derzeit als Fachkundiger wird. Das neuerliche Diktum, Editionen aufgrund der medialen Popularisierung verstärkt einem nicht-fachkundigen Publikum zugänglich zu machen, kann auf diese Weise jedoch nicht erfüllt werden bzw. wird durch die neuen Möglichkeiten gar ad absurdum geführt.
Die Veränderungen im Bereich der Medialität haben somit zwei Seiten, die vice versa als mögliches Anzeichen eines medialen Dilemmas oder der Gefahr eines medialen Irrwegs der digitalen Edition zu deuten sind: Die neuen Medien und Techniken befördern zwar die Möglichkeiten digitaler Editionen, sodass diese das Format eines dynamisch-interaktiven, interpretativ offenen Wissensspeichers annehmen, aber zugleich laufen sie auch Gefahr, unzugänglich und verwendungslos für den Nutzer zu werden, wenn dieser keine Strategien zur Bewältigung und Deutung (der Fülle) besitzt. Auch die Vernetzung der Informationen und ihre Kontexte machen den visuellen wie inhaltlichen Rahmen der Editionen aufgrund ihrer Offenheit unklarer.[31]
2.2 Materielle Metamorphose: Semantizität des Materials und der
Materialität
Bereits 1997 forderte Gumbrecht[32] eine »Konzentration auf die materiale Phänomenologie«, da in der Ablösung der Texte von den Textträgern (Dokumenten) deren Informations- und Deutungszusatz verloren gehe. Es handle sich dabei um Formen einer »Entmaterialisierung des Textes« bzw. »Formen blockierter Textualität«[33], denen entgegengewirkt werden müsse. Denn durch die Erfassung der Materialität und Medialität einer Textquelle wird deren ursprüngliche Historizität greifbar – das Hauptbestreben der Editorik. Die Untersuchung dieser beiden Bereiche wird als »partielle[…] Transtextualität« oder »Transliterarität«[34] bezeichnet.
Seit einigen Jahren misst die Editorik daher der Materialität ihrer Gegenstände stärkere Bedeutung zu. Materialfragen und das Interesse an Materialität stehen nunmehr im Zentrum der editionstheoretischen Diskussion, sodass bereits von einem material turn[35] und von einer New oder Material Philology[36] gesprochen wird. Die Ausrichtung dieses philologischen Materialitätsparadigmas hebt auf die Erfassung der Semantizität bzw. (literarisch-kommunikativen) Bedeutungshaftigkeit der Materialität ab, d. h. der non- und paraverbalen materiell-medialen Objekteigenschaft von Texten.[37] Da diese kulturabhängig und konventionalisiert sind, können deren ständige Transformationsprozesse syn- und diachron erfasst werden. So gibt beispielsweise die Materialität einer mittelalterlichen Handschrift, verstanden als Kulturträger, auch Aufschluss über die Textsituation, d. h. die Funktionalität eines Textes, seines Sitzes im Leben und seine literarhistorische Stellung.[38] Zudem kann der dargebotene Kontext[39] eines Überlieferungsträgers, d. h. Typografie[40] sowie Gestaltungs- und Gliederungselemente wie Miniaturen, Überschriften oder Markierungszeichen, entscheidenden Einfluss auf die Rezeption eines Textes haben.[41] Zugleich wird der Blick auf die Rekonstruktion der Textgenese gerichtet, was einer »Hinwendung zur Produktionsorientierung«[42] gleichkommt. In diesem »Transphilologischen«[43] liegt einiges editionsphilologisches und rezeptionsanalytisches Potential, das seiner Ausschöpfung seitens einer digital-editorischen Umsetzung noch harrt.[44]
Die Umsetzung des Materialparadigmas in der Editorik hat in der Praxis verschiedene Metamorphosen nach sich gezogen. Die Editionen werden umfangreicher, vollständiger und präziser. Symptomatisch ist die Setzung des Faksimiles als »Zentrum der Edition«, sodass es nicht mehr nur als »Kontrollinstrument« dient.[45] Methodisch hat sich ein »dokumentarische[r] Objektivismus«[46] entwickelt, der zur Erfassung der medial und materiell vergegenwärtigten Historizität des verschiedenartigen Überlieferungsmaterials beiträgt. Doch je mehr Materialität aufgrund einer unreflektierten Suche des Textsinns in diese einbezogen wird, desto nüchterner und sinnärmer werden die Editionen – so ein Urteil der Editionskritik – [47], und desto eher gelange dieses Konzept aufgrund der Informationsfülle an seine Grenzen und müsse überdacht werden.[48]
Die primäre Setzung der Materialität eröffnet demnach auch eine Gefahr, auf die mittlerweile stetig mit der Formel des »bloß dokumentarischen Charakters« von Editionen hingewiesen wird. Verbunden mit diesem Stigma ist die Degradierung der Editorik zu einer »Detailwissenschaft«[49], die ihre ursprüngliche Zweckmäßigkeit, die Gedächtnisbildung, verfehle. Diese beiden Stigmata tangieren die vieldiskutierte, konzeptionelle Unterscheidung zwischen Dokumentation und Interpretation[50] und verdeutlichen einen Gemeinplatz der Editionskritik, dass »[s]eit jeher […] das editorische Informationsangebot an den Interessen interpretierender Literaturwissenschaft vorbeigeh[e] […].«[51] Vorrangig das Verzeichnen jedes Elements von Materialität könne zu »interpretatorischen Verunsicherungen«[52] führen. Andererseits wird, nicht ohne einen appellierenden Subtext, argumentiert, dass die Literaturwissenschaft den Materialreichtum dieser vollständigeren und präziseren Editionen weitgehend ignoriere. Mehr noch reduziere die interpretatorische Praxis trotz aller aus dem neuen Materialitätsparadigma resultierenden (editions)theoretischen Reflexionen[53] die Materialität aufgrund ihrer Komplexität und Heterogenität häufig wieder auf ihre Textualität[54] und orientiere sich nach wie vor weitgehend am Paradigma des immateriellen Textes.[55] Doch gerade das Verhältnis von Textinhalt und Textträger ist relevant und kann konstitutiv für den besonderen Genre-Charakter eines Werks sein.[56]
Gegen das Stigma des Dokumentarischen[57] hat sich die Editionswissenschaft vehement gewehrt[58]: trotz eines methodischen Objektivismus‘ würden Interpretationsangebote gemacht. Die extrem materielle Ausrichtung scheint aber zu diesem Stigma zu verleiten bzw. müssen seitens der Literaturwissenschaft (und des Nutzers) erst Instrumentarien und Strategien zur Deutung der Informationsvielfalt entwickelt werden. Es liegt jedoch auch in der Verantwortung des Editors hier Hilfestellungen zu geben, v. a. in der Art der Repräsentation des Materials und der Aufbereitung der Benutzeroberfläche.
Auch im digitalen Zeitalter bleibt somit ein Urproblem der Editorik bestehen, auf das die Editionstheorie reagiert und schon früh zahlreiche Konzepte entwickelt hat, die die verschiedenen Ansprüche berücksichtigen: so beispielsweise Hurlebusch (1971) oder Zeller (1971).[59] Eine Rückbesinnung auf diese bereits bestehenden Konzepte, die ›Befund und Deutung‹ (Zeller) dokumentieren und differenzieren, scheint notwendig, um das Potenzial digitaler Editionen hinreichend auszuschöpfen. Ein weiterer Vorschlag ist die Einführung von Standards bzw. minimalen Gütekriterien für die grundsätzliche Evaluation von Interpretationsaussagen neben ansatzrelativen Standards.[60]
Zusammenfassend wird bzw. ist das editionswissenschaftliche Konzept der Materialität ein »heuristische[r] Grenzbegriff«[61], der in sich die Gefahr birgt, ein holistisches Format anzunehmen und so zu einer Konzepthülse zu verkümmern. In Zukunft ist daher ein Überdenken des Konzepts wünschenswert, ohne als Ausweg die Reduktion auf die Textualität oder gar eine Re-Philologisierung[62] zu wählen. Die Differenz zwischen (editionswissenschaftlicher) Handschrifteninterpretation und (literaturwissenschaftlicher) Textinterpretation muss verringert werden. Ziel und Fragestellung eines Editionsprojekts müssen wieder stärker als Kontrollinstanz fungieren, wenngleich das Material den Weg leitet.
2.3 Möglichkeiten, Grenzen und Gefahren der Metamorphosen in der
digitalen Editorik
Derzeit ist ein Paradigmenwechsel innerhalb der (digitalen) Editionsphilologie zu verzeichnen: Es wird kaum noch die Annahme eines Urtextes vorausgesetzt, sondern die überlieferten Texte bzw. Fassungen eines Textes stehen gleichwertig nebeneinander. Dies hat einerseits zur Konsequenz, dass Fragen nach dem Autor in den Hintergrund rücken, andererseits wird aber auch das Bestreben befördert, alle Textfassungen zur Verfügung zu stellen, woraus das bereits viel angesprochene Problem einer Vielfalt an verfügbaren Informationen entsteht. Unklar ist bisher, wie Forscher und Nutzer damit umgehen bzw. diese interpretieren sollen. Denn diese durch die medialen Möglichkeiten gebotene Vielfalt birgt die Gefahr, dass die Editorik aus Sicht der Kritiker – wie bereits erwähnt – zu einem Dienstleister, einer Detailwissenschaft oder gar einem »Sammlungsgegenstand«[63] degradiert wird. Für die derzeitige Entwicklung der Disziplin sind diese Bezeichnungen symptomatisch.
Einhergehend mit den neuen editorischen Möglichkeiten im digitalen Bereich und den daraus abgeleiteten (An-)Forderungen seitens Produzent und Nutzer sind weitere Gefahren entstanden, die sich zu Irrwegen entwickeln könnten. So ist die Umsetzung des neuen Paradigmas in die digitale Repräsentation der Quellen eine Herausforderung: einerseits pendelt sie zwischen den beiden Idealformen Rekonstruktion und Handschriftennähe, daran anschließend stellt sich andererseits die Frage nach der tatsächlichen Repräsentation bzw. der generellen Repräsentierbarkeit beispielhafter Spezifika von Handschriften (z. B. Streichungen, verschiedene Schreiberhände).[64] Im Zusammenhang mit der elektronischen Repräsentanz wird denn auch das Fehlen von Leitlinien und Regeln für den Umgang kritisiert.[65]
Dieser Herausforderung wird derzeit durch die Dimensionen der digitalen Visualisier- und Nutzbarkeit begegnet: z. B. durch ›multiple views‹, d. h. mehreren Ansichten des Textes (Leseansicht, Faksimile etc.), sowie durch die Variation der Anzeigeoptionen verschiedener Informationen je nach Nutzerinteresse. Transparenz und Objektivität werden zwar so erfüllt, doch kann auch hier die mediale Vielfalt oder ein zu umfangreicher Datenpool überfordern.
Der Transparenz und Objektivität halber bietet das digitale Format der Editionen u. a. die Möglichkeit nachträglicher Korrekturen und Ergänzungen sowie der sukzessiven Freigabe unterschiedlicher Editionsteile zu unterschiedlichen Zeiten. Die Notwendigkeit zur Kenntlichmachung und Kommunikation dessen an den Nutzer wird jedoch als eine Problematik der Unabgeschlossenheit von Online-Editionen angesehen. Auch der Schutz der nachträglichen Bearbeitungsläufe und Korrekturgänge vor äußeren Eingriffen ist zu einem Thema geworden, das durch neue Formate der Langzeitarchivierung[66] gelöst werden muss. Eine kontinuierliche Datenwartung und langfristige Datensicherung ist zentral und wird derzeit durch Institutionen und Plattformen wie DARIAH, GAMS oder TextGrid übernommen.
Insgesamt geht der Weg der digitalen Edition hin zur ›open data‹ bzw. zum ›open access‹, doch entstehen daraus zum einen das Risiko, dass die Edition zu einem reinen Informationslieferanten für andere Nutzungsformen reduziert wird[67], zum anderen die Herausforderung, dass ungleich größere Benutzerschichten erreicht, auf die eingegangen werden muss. Doch ist die Diversifizierung editorischer Ziele im Hinblick auf unterschiedliche Nutzerinteressen auch mit Gefahren verbunden, sodass diese nicht (allein) die Ziele einer Edition definieren dürfen, sondern eine Balance zwischen ihnen und den Editionszielen bestehen muss. Sind in Anbetracht dessen also (weitere) Standards in der Editorik notwendig?
Die Grenzen der digitalen Edition und ihrer Metamorphosen sind demnach da erreicht, wo sie zu einem Dienstleister, einem zwanghaft modernen, medialen Konstrukt wird, im eigenen Datenpool ertrinkt, kein Mittelmaß hinsichtlich des Eingehens auf den Nutzer findet und dabei eigene Ziele aus dem Blick verliert, und der praktische Gewinn für den außerakademischen Bereich nur noch schwer nachweisbar ist.[68]
3. Wegweiser Standardisierung? – Was eine digitale Edition gegenwärtig
bieten muss
Die Editionswissenschaft hat teilweise »sehr spezielle methodische und praktische Verfahren für die Edition von Texten entwickelt.«[69] Das Streben nach ›Mehr‹ bewirkt in positiver Weise die beständige Metamorphose und Weiterentwicklung der digitalen Edition, die jedoch auch dazu geführt hat, dass (zumeist) jedes Projekt trotz allgemeiner Empfehlungen zum Umgang mit Editionen im digitalen Zeitalter und standardisierter Auszeichnungssprachen seinen eigenen Weg geht. Um dieser Entwicklung zu begegnen, ohne das Potenzial von Neuerungen zu unterdrücken, scheint dieses ›Mehr‹ andererseits umgekehrt den Ruf nach einer Standardisierung in der Editionswissenschaft bewirkt zu haben. Doch ist sie die Lösung zur Begradigung der bemängelten (Fehl-)Entwicklungen, auch in Anbetracht der Vielfältigkeit des historischen Materials? Welche Normierungen und Standardisierungen sind sinnvollerweise anzustreben, welche bleiben utopisch?[70]
Standards reagieren auf das Verlorengehen »bewährte[r] editorische[r] Prinzipien, Arbeitsschritte und Darstellungsformen […].«[71] Sie umfassen ein Minimum an digitaler Aufbereitung, Informationen und Funktionen, das jede digitale Edition bieten sollte, um das ›Transparenzgebot‹ zu wahren. Die Grundlage dessen bleibt jedoch die klassische editorische Arbeitsweise.
Die 2012 von Kamzelak et al. erarbeiteten Empfehlungen zum Umgang mit Editionen im digitalen Zeitalter können als derzeitige Standards der digitalen Edition gelten. Aktuelle Editionsprojekte setzen diese trotz häufig anderer Wege mehr oder weniger um, haben sie in den letzten Jahren aber auch erweitert.[72]
Als bisherige Standards einer Edition gelten:
a) Multimedialität (audio-/visuell):
- ein gleichrangiges Nebeneinander von Textzeugen und somit Textvarianten[73]
- diplomatisches Transkript, kritischer Editionstext und Lesetext
- Images: Digitalisatfaksimile (Texte wie Musikstücke) als ›Befundsmaterialität‹
b) Interaktivität
- die Wahl unterschiedlicher Darstellungsformen: Einblenden, Überlappen (›overlay‹), neues Fenster, ›multiple views‹ etc.
- Vernetzung der Daten für die Such- bzw. Retrievalfunktion
- verschiedene Apparate und Kommentare[74]
- Register, Index und Bibliographie.
c) Metadaten / Metainformationen
- offen definierte und dokumentierte Auszeichnung und Codierung mit XML, TEI und UNI- CODE
- persistente Verweise[75] durch Verwendung von Normdateien und Vernetzung: z. B. GND[76], Datenbanken wie Kalliope, Malvine, ECHO mit dem Zweck, durch Zuweisung einer ID die Zitierfähigkeit digitaler Editionen zu erhöhen, kollaboratives, wissenschaftliches Arbeiten zu fördern und die Langzeitarchivierung zu erleichtern
- Strukturdaten zu den Bildern
d) Langzeitarchivierung von Quelldateien in lizenzfreien, dokumentierten Formaten (›open source‹)
Die Standards zeigen insgesamt den Weg zum open access-Format, was sowohl die zunehmende Interdisziplinarität als auch die Vernetzung der Forschungsgemeinschaft bedient. Daneben hat sich eine feste editorische Sprache entwickelt, die in Kompendien und Lexika[77] dokumentiert und zugänglich gemacht werden soll.
Diese Standardkomponenten und eine Normierung der Metadaten als Standardisierungsinstrument – die zugleich der Frage nach der Zitierbarkeit digitaler Editionen begegnet –, kommen dem Vorschlag entgegen, Editionen im Sinne der Benutzerfreundlichkeit topografisch möglichst gleichartig anzulegen. Zugleich wird kollaboratives Arbeiten durch leichteren Datenaustausch und Vernetzung von Forschern gefördert.
Doch bleibt auch Kritik an der Standardisierung nicht aus. Zwar steht der internationale Gebrauch einer einheitlichen Codierung mit TEI außer Frage, doch lösen Standards nicht das grundsätzliche Problem der Datenmenge, d. h. einer inhaltlichen Problematik. So birgt eine Standardisierung wiederum das dilemmatische Risiko, dass das Dokumentarische die Überhand gewinnt bzw. behält oder dem Material nicht genügend Rechnung getragen wird. Ähnliches gilt für die Dynamik digitaler Editionen, etwa die ständige Erweiterung der präsentierten Texte und ihre Verlinkung untereinander oder das Zugänglichmachen von Endergebnis und Bearbeitungsfassungen. Letzteres entspräche zwar dem ›Transparenzgebot‹, würde aber die Realisierung kleinerer Projekte von vornherein hindern. Demnach bleibt zu fragen, auf welcher Ebene die Standardisierung zukünftig den Weg weist und was Alternativen sein könnten? Multimediale, textkritische Datenbankprojekte?[78]
4. Quo vadis, digitale Edition?
Der Status quo digitaler Editionen bewegt sich zwischen medialem Experiment und textkritischer Traditionsverhaftung, dem mit Standardisierung begegnet werden soll. So tritt Plachta für eine verantwortungsbewusste Editionspraxis ein, die sich offen, aber nicht unkritisch und zu Lasten des Textes gegenüber den technischen Neuerungen verhält.[79] Zu einer konzeptionellen Weiterentwicklung der kritischen Edition in einer medial durchdrungenen Welt regt Sahle an, indem er ein Schema mitsamt Möglichkeiten und Problemen der Repräsentation und Nutzung von verschiedenen Arten an Textlichkeit in den digitalen Medien entwirft.
Solange jedoch die Literaturwissenschaft weiterhin mit den traditionellen Kategorien operiert und unterschwellig den ›einen‹ Text fordert und daher dankbar zu Lese- und Studienausgaben greift, und andererseits die digitale Editorik keine (interpretatorischen) Hilfestellungen zur Beantwortung hermeneutischer Fragestellungen bietet bzw. keine Ziele der Verwertbarkeit des dargebotenen Textmaterials bei der Aufbereitung anvisiert, solange gehen beide Disziplinen auseinander als zwei inkompatible Ideologien. Weitere Metamorphosen, die sich nur im Rahmen zukünftiger, experimentierfreudiger Textausgabenprojekte entwickeln können, sind somit notwendig, um eine multimediale Editorik zweckmäßig auszugestalten.[80]
Wohin wird der Weg der digitalen Edition demnach gehen? Grundlegend müssen Leitlinien und Regeln für den Umgang mit elektronischen Daten entwickelt werden. Wesentliche Veränderungen sind zur Umsetzung des Offenheitsdiktums für eine größer werdende Nutzergemeinschaft zu erwarten, die durch das open-access-Format entsteht. Das Eingehen auf die intendierten Nutzer wird wegweisend, wobei grundlegend zu klären ist, wer im Weiteren dieser Nutzer sein wird, um die Möglichkeiten der digitalen Edition mit Blick auf ›diesen‹ und die ›eigenen Ziele‹ abzugleichen. Ebenso ist eine Diversifikation des Leseverhaltens, die sich aus dem Medienwandel ergibt[81], hinsichtlich der Topologie der Editionen erforderlich sowie die Entwicklung von Interpretationshilfen für die unterschiedlichen Nutzergruppen seitens der Editions- und Literaturwissenschaft Editionsdidaktik ist hier ein Schlagwort.
Auf der anderen Seite sind passend zu jedem Projekt die verschiedenen Techniken und Präsentationsmodi einer digitalen Edition insgesamt auszuloten und weiterzuentwickeln.[82] Ein anderes Thema wird das ebenso vielschichtige wie interdependente Spannungsfeld der Performanz und Performativität[83] sein, worunter das Phänomen verstanden wird, dass Medien ihren Nutzern Handlungsraum mit einer z. T. auch ästhetischen Dimension aufspannen. Wie Performativität in digitalen Editionen aussehen wird, ist noch unklar[84], doch wird es anknüpfend an die Interaktivität der nächste Entwicklungsschritt sein. Daneben bleibt ein voranzutreibendes Thema die nachhaltige Langzeitarchivierung, um die Dynamik der Editionen und nachträglichen Bearbeitungsläufe und Korrekturgänge zu erhalten und vor äußeren Eingriffen zu schützen. Neue Methoden und Speicherformate, die es Projekten erlauben, bereits während ihrer begrenzten Laufzeit auch diesen Aspekt anzugehen, sind nur durch den weiteren Ausbau der kooperativen Zusammenarbeit zwischen IT-Spezialisten und Kulturinstitutionen entwickelbar. Ebenso ist die Weiterentwicklung komplexer Suchfunktionen als eine Bewältigungsstrategie der Datenmengen notwendig.
Editionen müssen also weiterhin in mehrfacher Hinsicht wandlungsfähig, metamorph bleiben: Multiperspektivität, Multidisziplinarität und Trans-/ Multimedialität werden auch in Zukunft die Stichworte digitaler Editionen, ihre (re)produktiven Kräfte sein.[85] Allerdings muss die Editorik dabei den Anschluss an die Traditionen der historischen und der Textkritik wahren. Es wird sich in den nächsten Jahren zeigen, wie es der Disziplin gelingt, hier eine Balance zwischen Metamorphose, Experimentierfreudigkeit und Standardisierung zu finden, um sich eben nicht als bloß dokumentierende Sammel- und Detailwissenschaft ihr eigenes Potenzial zu verbauen. Der praktische Gewinn muss wieder deutlich hervortreten, auch für den außerakademischen Bereich. Weitere Veränderungen wird der bereits prognostizierte editing turn anstoßen: ein Zirkel aus Edieren und Reedieren der Produkte anderer, wobei die Rekonstruktion von Editionskonzepten und -strategien im Netz wichtig wird.[86]