Mixed Methods

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Julian Schröter Autor*inneninformationen

DOI: 10.17175/wp_2023_008

Nachweis im OPAC der Herzog August Bibliothek: 183976709X

Erstveröffentlichung: 25.05.2023

Lizenz: Sofern nicht anders angegeben Creative Commons Lizenzvertrag

Medienlizenzen: Medienrechte liegen bei den Autor*innen

Letzte Überprüfung aller Verweise: 22.02.2023

GND-Verschlagwortung: Forschungsmethode  | Triangulierung (Soziologie)  | Quantitative Methode  | Qualitative Methode  | Methodenmix  | Terminologie | 

Empfohlene Zitierweise: Julian Schröter: Mixed Methods. In: AG Digital Humanities Theorie des Verbandes Digital Humanities im deutschsprachigen Raum e. V. (Hg.): Begriffe der Digital Humanities. Ein diskursives Glossar (= Zeitschrift für digitale Geisteswissenschaften / Working Papers, 2). Wolfenbüttel 2023. 25.05.2023. HTML / XML / PDF. DOI: 10.17175/wp_2023_008


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[1]Synonyme und ähnliche Begriffe: Entangled Methods | Methode | mixed methods research | multimethodology | Research Design | Triangulation
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1. Begriffsdefinition

[2]Mixed Methods bezeichnet die Kombination von quantitativen und nicht-quantitativen → Methoden in einem übergreifenden Forschungsdesign. Folgt man der minimalistischen und sehr weiten Definition von Charles Teddlie und Abbas Tashakkori aus den Sozialwissenschaften, dann bezeichnet Mixed Methods jede Form von Forschung, die sich nicht exklusiv auf entweder quantitative oder qualitative Methoden stützt,[1] sondern mehr oder weniger explizit und reflektiert sowie in unterschiedlichen Mischungsverhältnissen Methoden beider Bereiche nutzt. Charakteristisch für Mixed Methods ist in der Regel eine Kombination aus wissenschaftstheoretischen, epistemologischen, methodologischen und forschungspraktischen bzw. -politischen Herausforderungen, die dadurch zustande kommen, dass mit den kombinierten Methoden unterschiedliche Erkenntnisinteressen vermittelt werden müssen oder unterschiedliche erkenntnistheoretische oder ontologische Voraussetzungen gemacht werden, deren Zusammenführung nicht trivial ist.

2. Begriffs- / Ideengeschichte

[3]Der Begriff Mixed Methods, der aus den Sozialwissenschaften kommt, dort zunächst als ein besonderes Methodenparadigma der Kombination von quantitativen und qualitativen Methoden diskutiert wird und sich als fester Bestandteil der Terminologie institutionalisiert hat (vgl. etwa die Mixed Methods International Research Association, das Journal of Mixed Methods Research oder das Handbook of Mixed Methods in Social & Behavioral Research), hat sich auch in den Digital Humanities als ein häufig verwendetes und theoretisch reflektiertes Schlagwort etabliert.[2] In der Praxis der Digital Humanities wird der Begriff der Mixed Methods mindestens ebenso weit und vage gebraucht wie in den Sozialwissenschaften, zumal die Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Begriffsgebrauch zwischen den Disziplinen noch nicht geklärt sind. Der folgende Beitrag stellt daher zunächst die sozialwissenschaftliche Verwendung und Funktion des Begriffs Mixed Methods einschließlich der einschlägigen Kontroversen der Situation in den Digital Humanities gegenüber. Auf diese Vorklärung stützt sich der anschließende Umriss für eine Explikation des Begriffs für die Digital Humanities.

[4]Die Relevanz des Begriffs Mixed Methods in den Sozialwissenschaften war zumindest bis in die 2000er Jahre hinein zunächst auf die Brisanz dessen zurückzuführen, was durch die Kombination der Methoden zusammengeführt wird. Mit quantitativer und qualitativer Sozialforschung werden nicht nur zwei unterschiedliche Arbeitsweisen bezeichnet, sondern in der Selbstwahrnehmung des Fachs wurde zumeist auch eine Differenz der Wissenschaftskulturen verhandelt. In der Diskussion zu Mixed Methods ging es lange Zeit daher nicht nur darum, wie unterschiedliche Verfahren verknüpft werden können, sondern auch darum, ob und wie die Verknüpfung epistemologisch möglich ist. Folgende mögliche Positionen wurden beschrieben: Man kann (1) im Rahmen des sogenannten purist stance die Inkommensurabilität von Quantitativem und Qualitativem und damit die Unmöglichkeit von Mixed Methods behaupten,[3] (2) einen aparadigmatischen Standpunkt einnehmen,[4] (3) Komplementarität zubilligen,[5] (4) einen dialektischen Standpunkt einnehmen,[6] oder (5) Mixed Methods als ein drittes Forschungsparadigma neben quantitativer und qualitativer Forschung zu etablieren versuchen.[7] Zudem ist es verbreitet, (6) eine pragmatistische oder kritisch realistische wissenschaftstheoretische Haltung vorauszusetzen, die zwischen konstruktivistischen und realistischen Grundhaltungen des qualitativen und quantitativen Paradigmas vermitteln soll.[8] Ein neuerer Ansatz stammt von Udo Kelle, der dafür plädiert, stärker als die referierten Positionen auf die spezifischen → Theorien der konkret kombinierten Methoden zu achten.[9]

3. Erläuterung

[5]Mit Blick auf eine methodologisch reflektierte Übersetzung des Begriffs in die Digital Humanities ist es hilfreich, von einer Beobachtung auszugehen, die Kelle bereits für die Sozialwissenschaften macht. Denn die Bereiche des Quantitativen und des Qualitativen sind in sich bereits heterogen und repräsentieren keineswegs jeweils geschlossene Paradigmen. Schon den Bereich der quantitativen Methoden kann man – wenn man an den Unterschied zwischen explorativen und hypothesengetriebenen Studien denkt – nicht auf eine gemeinsame Forschungslogik und eine gemeinsame Wissenschaftstheorie verpflichten. Insbesondere aber der Raum des qualitativen Arbeitens, den man von der sozialwissenschaftlichen Systematisierung kommend ex negativo als den Bereich der nicht-quantitativen Verfahren umreißen kann, umfasst in der Übertragung auf die Geisteswissenschaften völlig unterschiedliche Praktiken.

3.1 Triangulation

[6]Zu den methodologischen Dimensionen, die für die Digital Humanities fruchtbar gemacht werden können, gehören sowohl die Differenzierung unterschiedlicher Mixed Methods Research Designs – auf die am Ende des Abschnitts zurückzukommen sein wird – sowie die theoretische Schärfung des Begriffs der Triangulation,[10] auf die sich eine Terminologie der Mixed Methods unter anderem stützt. Für die aus der Geodäsie importierte Metapher der Triangulation[11] ist folgende Definition einschlägig geworden:

[7]»Triangulation beinhaltet die Einnahme unterschiedlicher Perspektiven auf einen untersuchten Gegenstand oder allgemeiner: bei der Beantwortung von Forschungsfragen. Diese Perspektiven können sich in unterschiedlichen Methoden, die angewandt werden, und/oder unterschiedlichen gewählten theoretischen Zugängen konkretisieren, wobei beides wiederum mit einander [sic!] in Zusammenhang steht bzw. verknüpft werden sollte.«[12]

[8]Dieser Definition entsprechend lässt sich zwischen Daten-, Methoden-, Ergebnis- und Design-Triangulation unterscheiden. Für eine methodologische Grundlegung wird zu klären sein, inwiefern diese Formen der Triangulation in den Digital Humanities von Relevanz sind. Offen ist, in welchem Maß die Datentriangulation in der quantitativen Textanalyse der computergestützten Literaturwissenschaft geleistet werden kann. Zu denken ist hier an die Vermittlung zwischen abgeleiteten Textformaten – etwa nach dem Bag-of-Words-Modell – und gelesenen Texten. Zu klären wäre, inwieweit Datentriangulation dazu beitragen kann, quantitative und hermeneutische Analyseergebnisse aufeinander zu beziehen. Hoch ist in jedem Fall der Bedarf an Methodentriangulation von quantitativen Analyseverfahren und geisteswissenschaftlichen Arbeitsweisen.

[9]Die Methodentriangulation hat in vielen Fällen eine Form, die unter dem Begriff trilingualism verhandelt wird,[13] die man aber auch als Begriffstriangulation bezeichnen könnte. Dies soll am Beispiel der Begriffe von ›Stil‹ und ›Topic‹ vorgeführt werden. Für beide Begriffe ist zunächst zu klären, ob quantitative Verfahren das Phänomen lediglich anders repräsentieren als hermeneutisches Arbeiten oder ob es überhaupt sinnvoll ist, vom gleichen Phänomen zu sprechen: Ein Topic im Rahmen von Topic Modeling ist eine gewichtete Liste von Wörtern. Stilometrische Nähe oder Distanz zwischen Texten wird über die Differenz von Worthäufigkeiten gemessen.[14] Die Begriffe von Topos, Thema und Stil bezeichnen in den Philologien hoch aggregierte, aber vage Gestaltphänomene.[15] Begriffstriangulation kann mithin darin bestehen, entweder die perspektivische Differenz unterschiedlicher Methoden auf das möglicherweise gleiche Phänomen zu erfassen oder eine Metasprache zu entwickeln, die nachvollziehbar macht, dass scheinbar gleiche Phänomene lediglich homonym bezeichnet werden, dass die unterschiedlichen Methoden jedoch unterschiedliche Phänomene konstruieren, die es gegebenenfalls in einem anspruchsvollen Metavokabular aufeinander zu beziehen gilt.

3.2 Validierung

[10]Systematisch zu diskutieren ist überdies, wie sich in quantitativer Forschungslogik ausgedrückte Ergebnisse auf qualitativen Sinn beziehen. Für diese Frage, die nicht nur die Dimensionen der Daten- und Methoden-, sondern auch die der Design- und Theorie-Triangulation betrifft, könnte es sich als nützlich erweisen, die unentschiedene sozialwissenschaftliche Debatte darüber, ob eine Kombination qualitativer und quantitativer Verfahren letztlich die Validierung der einzelnen Methoden ersetzt oder ob die Verbindung der Methoden gerade einer Validierung bedarf,[16] innerhalb der Digital Humanities fortzusetzen.

3.3 Explikation

[11]Um die Nützlichkeit der Begriffsbildung aus den Sozialwissenschaften zu erhalten, bietet es sich an, den Begriff der Mixed Methods für die Digital Humanities auf folgende Situationen einzuschränken. Ein Fall von Mixed Methods liegt vor, wenn mindestens eine und idealerweise möglichst viele der folgenden Bedingungen erfüllt ist:

  • ein nicht-exklusiver Gebrauch von sowohl quantitativen als auch nicht-quantitativen Verfahren, wobei letztere in den Geisteswissenschaften etabliert sind (Methoden-Triangulation), und üblicherweise mit einer dezidiert methodologischen Reflexion des Verhältnisses zwischen kombinierten Methoden;
  • eine Bestimmung der Form des Forschungsdesigns, das (a) die Abhängigkeit der unterschiedlichen Methodenbereiche, (b) das Verhältnis von gegebenenfalls dominanten und ergänzenden Methoden sowie (c) deren sequenzielle Struktur beschreibt.[17] So kann beispielsweise aus hermeneutischen Fallstudien eine hypothesengeleitete quantitative stilometrische Analyse entwickelt werden, die wiederum exemplarisch in Fallstudien vertieft wird;
  • der Versuch der Vermittlung eines hypothesengeleiteten, formalisierenden Forschungsparadigmas mit einem Interesse an der Individualität historischer Ereignisse, Dokumente, sowie der Berücksichtigung der Perspektivität der Beobachtenden und der Kontingenz sowie Historizität der Gegenstände.

[12]Methodologische Systematisierungen werden in mindestens drei Hinsichten für die Digital Humanities wichtig sein: erstens, um die Erkenntnisleistung computergestützter, digitaler und quantitativer Analyseverfahren in geisteswissenschaftlichen Erkenntniszusammenhängen didaktisch und forschungspolitisch kommunizierbar und verhandelbar zu machen; zweitens, um Interaktion in Forschungsverbünden zu erleichtern; und drittens, um Validität und Relevanz der Ergebnisse im Zusammenspiel unterschiedlicher Methoden so nachweisen und zur Diskussion stellen zu können, dass sich der Austausch zwischen den Disziplinen intensivieren lässt.

4. Kontroversen und Diskussionen

[13]Die Schwierigkeiten der Übertragung der sozialwissenschaftlichen Begriffe des Quantitativen und Qualitativen in die Digital Humanities kann gegen den Import des Begriffs der Mixed Methods sprechen.[18] Einige Lösungsvorschläge für das Problem der Integration von quantitativen und → interpretativen Perspektiven operieren ohne den Begriff der Mixed Methods.[19] Doch die Tatsache, dass es in beiden Disziplinen analoge Problemkonstellationen gibt, spricht dafür, von den sozialwissenschaftlichen Kontroversen zu lernen. In den letzten Jahrzehnten wurden wiederholt Debatten zur Integrierbarkeit von quantitativer Forschung und philologischer Arbeitspraxis ausgetragen, die den sozialwissenschaftlichen Kontroversen zu Mixed Methods ähnlich sind.[20] Von diesen Debatten lässt sich lernen, auf welchen Ebenen epistemologischer, wissenschaftstheoretischer, axiologischer oder forschungspraktischer Argumente die Konflikte angesiedelt sind. Die Theoriegeschichte um die Mixed Methods liefert eine Feldbeschreibung, auf der sich die Digital Humanities auch selbst verorten und die Erfolgsaussichten in den Konfrontationen einschätzen können. Dies kann helfen, Debatten zu vermeiden, die nicht innerhalb der Methodologie der Digital Humanities beantwortet werden können, sondern beispielsweise den Dissens über ontologische und epistemologische Annahmen zwischen realistischen, postpositivistischen oder konstruktivistischen Paradigmen betreffen.[21]


Fußnoten


Bibliografische Angaben

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