Abstract
Wir dokumentieren die Ergebnisse einer Retroarchivierung und literaturwissenschaftlichen Analyse des Blogs Ze zurrealism itzelf von Dana Buchzik. Ausgangspunkt unserer Studie ist die Frage, wie sich das Blog seit 2010 entwickelt hat, durch welche poetischen Verfahren es sich auszeichnet, und wie sich seine Genese und Poetik anhand der im Internet Archive erhaltenen Teile rekonstruieren lassen. Wir beschreiben die Struktur des Archivobjekts im Internet Archive und nutzen die dort vorhandenen Daten für die Rekonstruktion von temporären Fassungen des Blogs. Die spezifischen Änderungstypen im Zuge der Textgenese des Blogs beschreiben wir als Elemente seiner Poetik und vergleichen drei ausgewählte Fassungen mit Blick auf thematische und poetologische Aspekte. Die Methoden Retroarchivierung und Rekonstruktion sowie die Epistemologie des Archivobjekts dienen als Grundlagen zur Beurteilung von Änderungstypen und literarischen Fassungen und bilden einen Arbeitsablauf, der auf die Arbeit mit anderen Blogs übertragen werden kann. Dieser Workflow ist auch für die Vorbereitung einer textgenetischen digitalen Edition eines Blogs relevant.
We document the results of a retro-archiving and literary analysis of Dana Buchzik’s blog Ze zurrealism itzelf. The starting point of our study is to consider how the blog has developed since 2010, what poetic processes characterise it, and how its genesis and poetics can be reconstructed using what is available of the blog in the Internet Archive. We describe the structure of the archival object and use the data available to reconstruct older versions of the blog. We cover the specific types of changes in the course of the blog’s textual genesis, describe them as elements of its poetics, and compare thematic and poetological aspects of three selected reconstructed versions. The methods of retro-archiving and reconstruction as well as the epistemology of the archival object serve as a basis for assessing types of changes and literary versions and constitute a workflow that can be used to analyse other blogs. This workflow is also relevant for the preparation of a text-genetic digital edition of a blog.
Version 1.1 (19.12.2023)
Überarbeitung des Beitrags gemäß der Gutachten: Korrektur eines Tippfehlers; Überarbeitung der Bibliografie, Löschung nicht zitierter Einträge; Korrektur von Datierungen in Fußnote 4, Ergänzung der Fußnote.
Version 1.2 (05.03.2024)
Korrektur der Links in den Fußnoten 23, 26, 27, 28, 35.
- 1. Einleitung
- 2. Poetik der Fassungen
- 3. Ze zurrealism itzelf als Archivobjekt
- 3.1 Anamnese
- 3.2 Rekonstruktion
- 3.3 Ansichten (Webanwendung)
- 4. Arbeit an den Fassungen. Sieben Änderungstypen
- 4.1 Änderungen des Seitenaufbaus oder auch Themes
- 4.2 Änderungen des (Unter-)Titels
- 4.3 Neue Einträge mit aktuellem Datum
- 4.4 Löschen von Einträgen mit Löschen der Post-ID
- 4.5 Veränderung von Einträgen oder Löschen von Einträgen ohne Löschen der Post-ID
- 4.6 Neuposten (überarbeiteter) älterer Beiträge an neuer Stelle
- 4.7 Veränderungen der Reihenfolge von Einträgen
- 5. Interpretation dreier Fassungen
- 5.1 Fassung vom 11.03.2010
- 5.2 Fassung vom 04.09.2013
- 5.3 Fassung vom 10.10.2020
- 6. Fazit
- Dank
- Bibliografische Angaben
- Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
[1]Das literarische Blog Ze zurrealism itzelf der Autorin Dana Buchzik[1], geführt unter dem Pseudonym Sophia Mandelbaum (2010–heute), besteht aus Text- und Bildeinträgen mit Verlinkungen zu Musikvideos und anderen Webseiten (etwa zu Blogs, Buchläden, Zeitungen oder einer Amazon-Wunschliste).[2] Bei den Texten in Form von Kurzprosa, Lyrik oder sprachlichen Skizzen handelt es sich häufig um autofiktionale Momentaufnahmen des Lebens in Berlin auf der Suche nach zwischenmenschlicher Nähe und einem Gegenüber.
[2]Im Laufe der Jahre hat die Autorin zahlreiche Löschungen und Umarbeitungen von Einträgen oder Blogposts vorgenommen. Das macht Ze zurrealism itzelf zu einem außergewöhnlichen literarischen Blog und einem besonderen Archivobjekt, insofern Änderungen und Streichungen nur anhand der archivierten Teile des Blogs nachvollziehbar werden. Unter Archivobjekt verstehen wir sämtliche Ressourcen in einem Archiv, die dem Objekt zugeordnet sind, hier zunächst sämtliche im Internet Archive gespeicherten Seiten des Blogs (siehe Abschnitt 4). Das Internet Archive ist eine gemeinwohlorientierte Organisation, die seit 1996 Jahre Webseiten und digitale Objekte (Bilder, Texte usw.) speichert und zur Ansicht und weiteren Nutzung zur Verfügung stellt.[3] Für die Bereitstellung von archivierten Webseiten nutzt das Internet Archive ein eigenes System namens Wayback Machine. Vereinfacht lässt sich die Wayback Machine als ein Portal beschreiben, das es Nutzer*innen ermöglicht, in archivierten Webseiten zu surfen (siehe auch Abschnitt 3). Ein Post oder Posting ist ein einzelner Text in einem Blog, der je nach Software, Design und Voreinstellungen in verschiedener Form angezeigt wird. In der Regel ist ein Post mit Angaben zu Titel, Autorschaft und Datum versehen. Hier muss berücksichtigt werden, dass es sich nicht um zuverlässige bibliografische Metadaten handeln muss. Beispielsweise können Datumsangaben beliebig gesetzt sein, wie wir es unten für Ze zurrealism itzelf beschreiben. Das Blog startete am 06.03.2010 mit 5 Beiträgen, die im Laufe eines Tages gepostet wurden. Über die Jahre wurden über 170 Posts erstellt, die teilweise nur wenige Tage online waren. Ende 2012 war Ze zurrealism itzelf mit über 60 Einträgen am größten (siehe Abbildung 1).[4] Im Januar 2022 war das Blog auf 8 Beiträge reduziert.
[3]Wie andere Blogs ist Ze zurrealism itzelf frei zugänglich. Das Blog kann jederzeit durch die Autorin geändert werden (vgl. Abschnitt 4). Das betrifft sowohl die einzelnen Beiträge als auch das Theme, also den Titel, Untertitel, deren Design sowie die Aufmachung weiterer Elemente zu Beginn des Blogs. Wenn Blogposts ergänzt oder gelöscht wurden, finden Leser*innen, die das Blog wiederkehrend besuchen, oft nicht mehr den gleichen Text und die gleichen Medien vor wie beim vorangegangenen Besuch.
[4]Im Folgenden dokumentieren wir die Ergebnisse unserer Analyse des Blogs in seiner Entwicklung vom Beginn bis zum Oktober 2020 (Zeitpunkt unserer Archivierung). Anhand des Archivobjekts arbeiten wir eine Poetik der Fassungen heraus und nehmen das Blog ausgehend von den Umarbeitungen und Löschungen in seiner Entstehungsgeschichte in den Blick (Abschnitt 2). Die hohe Relevanz des Archivobjekts für die Analyse ergibt sich aus dieser nichtkumulativen Entwicklung. Die Analyse des Blogs in seiner zeitlichen Entwicklung, also textgenetische und vergleichende Lektüren von früheren Fassungen des Blogs sowie von ausgewählten einzelnen Postings, hängen von der Struktur des Archivobjekts ab und von den möglichen Zugängen und Ansichten. Wir beschreiben deshalb im dritten Abschnitt die spezifische Struktur des Objekts im Internet Archive und zeigen, dass die Ansichten der Wayback Machine des Internet Archives keine strukturierten vergleichenden Lektüren ermöglichen. Wir dokumentieren den Download der Daten aus dem Internet Archive, die Rekonstruktion und Bereitstellung von Fassungen des Blogs sowie der einzelnen Postings auf Grundlage der retroarchivierten Daten. In Abschnitt 4 sind Typen von Veränderungen zusammengestellt, die wir durch Nutzung sowohl der Ansichten im Internet Archive als auch der von uns konstruierten Ansichten und Fassungen herausarbeiten konnten. Die vorgeschlagenen Kategorien sind ausgehend vom spezifischen Gegenstand und ausgehend von der besonderen Publikationsform ›Blog‹ entwickelt und mit Blick auf Ergänzung und Nutzung bei der Analyse von weiteren Blogs beschrieben. Im 5. Abschnitt vergleichen wir drei Fassungen des Blogs.
[5]Für die Rekonstruktion konzeptualisieren wir das Blog in seiner zeitlichen Entwicklung als eine jeweils zeitlich spezifische Zusammenstellung von einzelnen Postings. Die kleinste Texteinheit für die Rekonstruktion ist ein einzelner Post. Die Rekonstruktion zielt also erstens auf die Rekonstruktion der Textgenese aller einzelnen Postings. Dieser Aspekt führt im Ergebnis für jeden einzelnen Post zu einer Liste aller Textstufen dieses Posts (siehe Abschnitt 3.3 und Abbildung 7). Zweitens rekonstruieren wir eine Reihe von je zeitspezifischen Zuständen des gesamten Blogs, also eine näherungsweise Rekonstruktion des gesamten Blogs als Zusammenstellung von Einzelpostings zu einem bestimmten Zeitpunkt bzw. innerhalb eines bestimmten eng begrenzten Zeitraums. Grundlage für diese Rekonstruktionen des gesamten Blogs sind besondere Funktionsseiten des Blogs, auf denen die Auflistung der zu einem bestimmten Zeitpunkt aktiven Einzelposts erhalten ist. Im vorliegenden Fall sind das die RSS- und die archive-Seiten, die von der Plattform Tumblr automatisch generiert werden. Die solchermaßen rekonstruierten Zusammenstellungen bezeichnen wir als Fassung. Die Fassungen sind in ihrer je spezifischen Form also durch die Zeitpunkte der Archivierungen der von uns ausgewerteten Funktionsseiten bedingt. Die entsprechende Überlieferungsstruktur machen wir in der Darstellung transparent. Es handelt sich bei allen Texten im Archiv um von der Autorin veröffentlichte Texte, was ebenfalls für eine Einschätzung als Fassung spricht. Drittens arbeiten wir eine für unseren Aufsatz titelgebende Poetik der Fassungen heraus, die wir aus der rekonstruierten nichtkumulativen Textgenese ableiten.[5] Da sich der Text nicht fortschreitend und kumulativ entwickelt, sondern auf unterschiedliche Weise verändert wird (siehe Abschnitt 4), wobei sich die Änderungen nicht nur auf einzelne Posts, sondern auch auf den Gesamttext beziehen, gewinnt jede Fassung einen eigenen Wert mit spezifischer Form und spezifischem Textumfang.
[6]Der vorliegende Aufsatz ist auf lineare Lektüre angelegt, die einzelnen Abschnitte können aber auch in anderer Reihenfolge gelesen werden. Bei besonderem Interesse am Vergleich der Fassungen und an den literarischen Qualitäten des Blogs empfehlen wir zuerst die Lektüre der Abschnitte 2 und 5, dann 4 und 3. Die technischen und methodischen Grundlagen sowie die Analyse der Struktur des Archivobjekts im Internet Archive findet sich im Abschnitt 3. Wir empfehlen bei besonderem Interesse an diesen Punkten dennoch, Abschnitt 2 zur »Poetik der Fassungen« nicht zu überspringen, weil hier einige Merkmale des Gegenstands beschrieben werden, die als Ausgangspunkt für die Archivanalyse, Retroarchivierung und Rekonstruktion der Fassungen relevant sind.
2. Poetik der Fassungen
[7]Ze zurrealism itzelf nutzt und reflektiert die medialen Besonderheiten von Blogs im World Wide Web. Texte werden häufig gelöscht, vielmals aber nicht endgültig, sondern in spätere Fassungen wieder eingefügt – oft in variierter und an den neuen Zusammenhang angepasster Form. Dadurch wird hier eine Poetik initiiert, bei der eine Reihe an Posts literarisch in ihrer vorläufigen Gänze jeweils als Fassung rezipiert werden können. Fassungen bleiben in ihrer spezifischen Form nur bis zur jeweils nächsten Serie von Löschungen und Umarbeitungen online. Sie sind temporär und vorübergehend, bis das Blog nicht mehr aktiv weiterbearbeitet wird. Die jeweils zeitgenössische Lektüre beschränkt sich stets ausschließlich auf die aktuelle Fassung. Bei einem textgenetischen Blick ins Archiv zeigt sich indes eine Reihe von Fassungen. Die im Blog entwickelte Poetik des Löschens, Bearbeitens und Wiederaufgreifens, die wir auch als Poetik der Fassungen bezeichnen, spricht für ein je gleichwertiges Verständnis der Fassungen im diachronen Zusammenhang des gesamten Archivobjekts, das nicht teleologisch auf eine Schlussfassung hin orientiert ist, sondern einen Ablauf je zeitgenössisch gültiger Fassungen umspannt. So ist die besondere Poetik von Ze zurrealism itzelf aufgrund der Löschungen und Bearbeitungen nur anhand von archivierten Fragmenten des Blogs rekonstruierbar. Erst durch die zeitliche Dimension des Archivobjekts lassen sich Fassungen für eine Analyse vergleichen. Es ist daher ein glücklicher Umstand, dass die Seiten des Blogs schon bald nach Beginn 2010 über das Internet Archive zugänglich gemacht wurden. Das Internet Archive ermöglicht die Lektüre gelöschter Texte, wenn auch losgelöst vom historischen Lesezeitraum bzw. der je zeitgenössischen Primärrezeption.
[8]Fassungen sind nicht nur durch den jeweils aktuellsten Eintrag, sondern auch durch ausgewählte erste, vermeintlich älteste Einträge charakterisiert. Es geht nicht nur um das Hinzufügen neuer Posts, sondern auch um die Bearbeitung der jeweils aktuellen Fassung des Blogs. Jede Fassung hat einen Anfang und ein Ende, also einen Eintrag, der als ältester Eintrag gewählt wird und eine nach Datumsangabe chronologisch geordnete Abfolge von Einträgen, die aufeinander abgestimmt sind. Fassungen unterscheiden sich also durch die Anzahl und Reihenfolge der Einträge und durch die Überarbeitung von einzelnen Einträgen, die beibehalten werden. Der jeweils aktuelle erste und letzte Eintrag rahmen die jeweilige Fassung. Thematisch lassen sich jeweils mehrere Fassungen zu einer Gruppe zusammenfügen. Die erste Phase, im Jahr 2010, kreist vor allem um die Suche nach einem Gegenüber und eine damit verbundene Flexibilität im eigenen Leben. Dann werden Eindrücke vom Studium des Kreativen Schreibens in Hildesheim, der Rückumzug nach Berlin, Liebesgeschichten und die Orientierung auf dem Arbeitsmarkt beschrieben. Ab Anfang 2016 geht es zunehmend um Abschied und Trennung. Beispielsweise wird die Trauer um den der Erzählerin nahestehenden Roger Willemsen mit der Verarbeitung einer in die Brüche gehenden Beziehung verwoben.
3. Ze zurrealism itzelf als Archivobjekt
[9]Die spezifische Werkästhetik, die auf Löschungen und Textänderungen basiert, ist nur über eine langfristige und regelmäßige Lektüre erfahrbar – es muss gelesen werden, bevor Textteile wieder verschwinden. Für Nachweise und für Strukturanalysen muss die Werkästhetik anhand von archivierten Fassungen rekonstruiert werden. Das Blog im live Web enthält jeweils nur die aktuelle Fassung, während das Blog im Archiv viele Fassungen beinhaltet. Durch die Löschungen gewinnt Ze zurrealism itzelf dabei eine besondere zeitliche Dimension. Während bei einer kumulativen Publikationspraxis ältere Texte verfügbar bleiben und ein Verschwinden von Texten eher bei Aufgabe oder Abschaltung des gesamten Blogs droht, ist das Überarbeiten von Texten für Ze zurrealism itzelf konstitutiv. Die konstitutiven Änderungen an den einzelnen Postings und am jeweiligen zeitgenössischen Gesamtensemble im Verhältnis zu früheren und späteren Fassungen können erst anhand der archivierten Fassungen rekonstruiert werden.
[10]Blogs und Webseiten im Allgemeinen zeichnen sich durch ein technisch und strukturell anderes Publikationsverfahren aus als gedruckte Texte. Schon auf technischer Ebene ist gesetzt, dass eine Webseite nicht in mehreren identischen Kopien im Sinne des Buchdrucks existiert. Die Client-Server-Struktur bedeutet erstens, dass jeder Aufruf einer Seite das Ausliefern eines neuen Exemplars auslöst, das auf Grundlage des jeweiligen Datenstands auf dem Server hergestellt wird. Dieser Datenstand muss im Unterschied zu den Referenzkopien beim Buchdruck als singulär betrachtet werden (Backupsysteme mit eingerechnet), und er verbleibt auch nach Veröffentlichung unter der Kontrolle einer Autor*innenschaft. Der publizierte Text ist potenziell veränderbar, und alle Lektüren einer Seite im live Web erhalten auf Anfrage stets die jeweils aktuelle Fassung, die sich von früheren Fassungen unterscheiden kann. Die übliche Referenz für Webseiten, ihre Adresse, ist aus diesem Grund nicht mehr vergleichbar mit einer bibliografischen Referenz, die auf eine stabile Druckausgabe verweist.[6] Bei der vollständigen Archivierung einer Website werden mithilfe eines manuell oder automatisiert gesteuerten Browsers eine oder mehrere Webseiten besucht, sodass die Teile, die archiviert werden sollen, vom Browser abgerufen werden. Der Vorgang wird auch als Webcrawl oder Crawl bezeichnet, die verwendeten Programme entsprechend als Crawler. Auch das Ergebnis, d. h. die durch den Crawl produzierten Daten, werden zum Teil als Crawl bezeichnet. Diese Abrufe, d. h. die Kommunikation zwischen Browser und Server und die vom Server gelieferten Daten, werden aufgezeichnet. Die aufgezeichneten Daten ermöglichen dann ein Replay der Webseite, d. h. ein Browsen in der aufgezeichneten Version der Seite in den Grenzen der Aufzeichnung. Die Wayback Machine des Internet Archive bietet mit ihrem Dienst Save Page Now die Möglichkeit, manuell die Archivierung einer Seite auszulösen.[7]
[11]Das Internet Archive war maßgeblich an der Entwicklung des Datenformats WARC (für Web ARChive) beteiligt, das als Referenzformat der Webarchivierung gelten kann und in der aktuell gültigen Form seit 2017 als ISO-Standard zertifiziert ist (ISO 28500:2017).
[12]Insbesondere für literarische Blogs scheint aus textgenetischer Sicht relevant, dass jeder Crawl einer Webseite aufgrund der Instabilität publizierter Inhalte potenziell als neue Fassung behandelt werden kann und muss. Mehrfache Archivierungen ermöglichen daher die Rekonstruktion von Textgenesen und bilden einen literarischen Text in seiner Publikationsgeschichte, seiner öffentlichen Genese und seinen Transformationen ab. Teile von Ze zurrealism itzelf wurden seit Mai 2010 mehrfach vom Internet Archive gespeichert.
[13]Andere Archivierungen des Blogs sind uns nicht bekannt. Es ist vor diesem Hintergrund vielleicht bemerkenswert, dass eine Poetik des Verschwindens und der Umarbeitung, die eine stets kontemporäre Werkausbildung verfolgt, rückblickend und umfänglich nur anhand der archivierten Bestände in einer zeitlichen Ausprägung sichtbar gemacht werden kann. Aber selbst das ließe sich noch als Element einer jederzeit auf das Kontemporäre ausgerichteten Poetik und Bearbeitung verstehen. Schließlich ändert auch die Rekonstruktion von vergangenen Fassungen nichts an ihrer Vergangenheit.
[14]Begrifflich fassen wir für diesen Aufsatz alle vom Internet Archive durchgeführten Archivierungen des Blogs als Elemente eines Archivobjekts. Das Archivobjekt ist damit von der Summe aller Fassungen zu unterscheiden, insofern die Konstituierung einer Fassung bestimmte Entscheidungen voraussetzt, die nicht notwendig alle im Archiv vorhandenen Daten als Teil einer Fassung berücksichtigt. Eine Fassung wird nach unserem Verständnis durch die Struktur des Archivobjekts bedingt, aber erst durch weitere ästhetische, textuelle und technische Eigenschaften literaturwissenschaftlich begründet, sodass nicht alle Daten im Archiv einer konstituierten Fassung zugerechnet wurden. Das gilt beispielsweise für einzelne Postings oder Fassungen von Postings, die in keinem zeitlichen Zusammenhang mit gecrawlten Überblicksseiten wie RSS-Feed oder archive-Seite des Blogs stehen. Um für die konstituierten Fassungen einen möglichst zuverlässigen Umfang zu erreichen, wurden solche einzelnen Fragmente im Archiv für die Rekonstruktion nicht berücksichtigt.
[15]Die Zeitdimension des Archivobjekts begründet über die einzelnen Fassungen hinaus eine textgenetische Perspektive auch auf Textteile, zum Beispiel einzelne Postings, und die rekonstruierte Textgenese ermöglicht in diesem Fall Rückschlüsse auf die Poetik des Texts und die Begründung entsprechender Hypothesen, die etwa das Verschwinden und die Wiederkehr von Textfragmenten in einzelnen Postings oder die Entwicklung von einzelnen Einträgen berücksichtigt. Die Rekonstruktion und Analyse von Fassungen passiert dabei auf zwei Ebenen: erstens auf Ebene des gesamten Blogs in einem bestimmten Zeitraum. Hier geht es um die Konstituierung von Fassungen, die sich auf archivarische Gegebenheiten, Texteigenschaften und Kontexte stützen. Zweitens rücken auch einzelne Postings in den Blick, die ebenfalls in ihrer Entwicklung betrachtet werden können.
3.1 Anamnese
[16]Die Archivierung eines Blogs oder von Teilen eines Blogs ist als Vorgang keine einfache Speicherung, sondern muss als Konstruktion eines Archivobjekts verstanden werden. Dazu zählen alle Elemente in einem Archiv, die dem jeweiligen Objekt direkt zugeordnet werden können. Für eine Analyse ist zunächst im Zuge einer Anamnese des Archivobjekts zu prüfen, was gespeichert wurde, wie gespeichert wurde, mit welcher Regelmäßigkeit und mit welcher Tiefe (Vollständigkeit). Die notwendige Begrenzung eines Objekts im Zuge der Anamnese bedingt außerdem Entscheidungen, welche Elemente zum Objekt gezählt werden und welche Elemente bei der abschließenden Eingrenzung berücksichtigt werden. Im hier vorliegenden Fall bezieht sich das Forschungsinteresse auf die Inhalte, die zur Domain von Ze zurrealism itzelf, sophiamandelbaum.de, gehören. Wir vernachlässigen deshalb weitere Seiten und Subdomains aus dem Werkkontext, die teilweise im Internet Archive oder im live Web vorhanden sind, darunter insbesondere die Domains mandelbaum.tumblr.com und tumblr.com/mandelbaum sowie die Veröffentlichung einzelner Postings im Blog litblogs.net.
[17]Das Internet Archive bietet mit seinem System zur Webarchivierung Wayback Machine neben den Replayfunktionen auch Übersichten, die den Zeitpunkt oder die Zeitpunkte von Crawls einer einzelnen Webpage oder einer Domain anzeigen. Zu jedem archivierten Objekt kann außerdem ein Snapshot-Kalender (siehe Abbildung 3) aufgerufen werden, über den die einzelnen Crawls ebenfalls aufgerufen werden können. Zusätzlich zum Zeitstrahl über dem Replayfenster können über ein Menü weitere Metadaten zum Crawl angezeigt werden. Für einzelne Seiten lassen sich mit Hilfe des Zeitstrahls die zeitlichen Verteilungen von Crawls der entsprechenden Seite übersichtlich ablesen. Vergleichende Ansichten für mehrere Seiten sind nicht möglich und erfordern weitergehende Datenanalysen.
[18]Die Archivierungs- und Bereitstellungsstrategie des Internet Archive ist am Gesamtobjekt ausgerichtet. Vermutlich aus Gründen der Effizienz werden Webseiten nicht regelmäßig vollständig gecrawlt, wie dies etwa das Deutsche Literaturarchiv in Marbach als Strategie verfolgt[8]. Stattdessen werden Seiten in unregelmäßigen Abständen und nur teilweise gecrawlt, entsprechende Crawl-Parameter hängen von der Konfiguration des Crawlers ab, der die Seite besucht. Das Internet Archive betreibt mehrere Crawler mit unterschiedlichen Parametern, führt aber den Großteil der erzeugten Daten in der Wayback Machine zusammen. Die Fokussierung aufs Gesamtobjekt bedeutet bei der Bereitstellung, dass in der Wayback Machine das Gesamtobjekt im Replay angeboten wird, während etwa das Deutsche Literaturarchiv Marbach den Replay auf einzelne vollständige Crawls beschränkt. Mit Gesamtobjekt ist aus Perspektive der hier entwickelten Anamnese und Analyse das Objekt der Untersuchung im Internet Archive gemeint, hier definiert als alle Seiten der Domain sophiamandelbaum.com. Die Bereitstellung von archivierten Webseiten in der Wayback Machine ist dagegen nicht von einzelnen Untersuchungsobjekten her gedacht, sondern zielt auf die Bereitstellung aller Crawls in einer kontinuierlichen Ansicht, analog zum kontinuierlich verbundenen Internet. Dabei wird die Kontinuität von Verlinkungen und das Anbieten von Inhalten für eine Adresse höher bewertet als die Grenzen zwischen einzelnen Crawls und mögliche zeitliche Unterschiede zwischen Ausgangsseite und Zielseite eines Links. Diese Bereitstellungsstrategie führt dazu, dass beim Surfen durch eine archivierte Website zeitliche Unterschiede eingeebnet werden. Da die Wayback Machine versucht, im Replay das gesamte Objekt anzubieten, aber für die verschiedenen Zeitschnitte jeweils nur über Teile der Seite verfügt, werden dort, wo im Replay Seiten angefordert werden, die nicht im aktuell angezeigten Crawl enthalten sind, Daten aus anderen, und das heißt auch aus zeitlich verschiedenen Crawls ausgeliefert. Es kann also passieren, dass beim Surfen in einem Archivobjekt beim Übergang von einer Seite zur nächsten durch den Klick auf einen Link Daten aus einem deutlich früheren oder auch späteren Zeitraum angeboten werden. Hier wird eine wichtige Differenz zwischen dem jeweils zugrunde liegenden Verständnis eines Archivobjekts deutlich. Während das Internet Archive mit der Wayback Machine versucht, durch Interpolation aus verschiedenen Crawls komplette Abbilder des World Wide Web zu erschaffen, orientiert sich eine Strategie mit regelmäßigen vollständigen Crawls stärker an einer auch zeitlichen Einheit von Fassungen eines abgegrenzten Objekts. Hier lässt sich durchaus eine Verbindung zu editionsphilologischen Begriffsbildungen ziehen, etwa mit Blick auf einzelne Werkfassungen.[9]
[19]Diese Konzeptualisierungen und praktischen Gestaltungen eines Archivobjekts haben Konsequenzen für die mögliche Rekonstruktion von Textgenesen und Werkgestaltung und für die Geltungsansprüche, die mit einem Verweis auf ein Archivobjekt begründet werden können. Aus Sicht einer Rekonstruktion von vollständigen Fassungen zu bestimmten Zeitpunkten oder innerhalb bestimmter Zeiträume sind die Fassungen von Ze zurrealism itzelf im Internet Archive konstitutiv lückenhaft. Denn erstens wurden die Crawls unregelmäßig durchgeführt. Die Frequenz der Crawls korreliert möglicherweise mit der Änderungsfrequenz und dem Änderungsumfang einer Seite, die Crawls sind aber nicht mit den Textänderungen synchronisiert. Zweitens sind die Crawls im Internet Archive aus Sicht unserer an Zeitschnitten oder eingegrenzten Zeiträumen orientierten Rekonstruktion unvollständig, weil Seiten und Seitenelemente, die sich nach Einschätzung des Crawlers nicht geändert haben, nicht erneut gespeichert werden. Bei den gespeicherten Fassungen im Archiv handelt es sich also nicht um autorisierte oder kuratierte Fassungen, und sie basieren auch nicht auf einer Synchronisierung von Schreiben und Archivieren, sodass zuverlässige Aussagen über Textänderungen und Fassungsdifferenzen anhand des Archivobjekts nur vorsichtig und mit ergänzenden Datenanalysen zur Plausibilisierung gemacht werden können. Im Fall von Ze zurrealism itzelf hat sich gezeigt, dass mit dem RSS-Feed und der Tumblr-eigenen archive-Zusammenstellung aller aktiven Postings zwei Funktionen zur Aggregation von Postings genutzt werden konnten, die aufgrund der automatisierten Zusammenfassung mit hoher Genauigkeit nahezu alle zum jeweiligen Zeitpunkt aktiven Einträge beinhalten.
3.2 Rekonstruktion
[20]Die Poetik der Fassungen, die – durch ständiges Umarbeiten und Löschen – Ze zurrealism itzelf auszeichnet, konterkariert also in gewisser Weise die Sammlungsstrategie des Internet Archive, weil die jeweils kontemporären Fassungen des Blogs im Internet Archive nicht mehr vollständig sichtbar sind. Gleichwohl können die Daten für Rekonstruktionen, die näherungsweise den Bearbeitungsstand abbilden, verwendet werden. Im Zuge der vorliegenden Studie haben wir eine Retroarchivierung und eine Rekonstruktion vorgenommen. Das Blog wird in Zukunft vom Deutschen Literaturarchiv Marbach als Teil der Sammlung ›Literatur im Netz‹ archiviert.[10] Die Retroarchivierung erzeugt nun ein zweites Archivobjekt, das in Relation zum Objekt im Internet Archive steht, aufgrund der unterschiedlichen Daten- und Ablagestruktur aber nicht damit identisch ist. Die aus dem Internet Archive heruntergeladenen Daten müssen für literaturwissenschaftliche Analysen dann weiter aufbereitet werden. Als ›Rekonstruktion‹ bezeichnen wir die Aufbereitung der Daten und, davon abgeleitet, die entwickelten Darstellungen der Fassungen des Blogs und der Einzelpostings. Das bezieht sich ausdrücklich nur auf die Herstellung und Darstellung von Fassungen auf Grundlage der Daten, die wie aus dem Internet Archive übernommen, verarbeitet und neu archiviert haben. Im Folgenden sprechen wir von Retroarchivierung. Anders als bei vollständigen Rekonstruktionen im Bereich Webarchivierung handelt es sich also nicht um eine vollständige Rekonstruktion des Blogs in seinem zeitlichen Verlauf, die aus unserer Sicht auf Grundlage der Daten nicht zuverlässig möglich ist. Zudem enthalten die für die Analyse entwickelten Darstellungen nicht das vollständige Layout des Blogs.
[21]Für die weitere Bearbeitung wurden die Daten mit dem Programm Wayback Machine Downloader heruntergeladen.[11] Das Programm ermöglicht den Download sämtlicher im Internet Archive verfügbaren Ressourcen zu einer Domain, die dann lokal in einer Ordnerstruktur gespeichert werden. Die Namen der Ordner werden durch den Timestamp der gecrawlten Ressource bestimmt, der Inhalt des Ordners durch den zugehörigen Payload.[12] Die Timestamps ermöglichen die spätere Zuordnung der Daten zu den rekonstruktiv gesetzten Zeitschnitten. Die Pfade unterhalb der ersten Ordnerebene entsprechen dem Pfad der Webseite. Mittels Analyse der Ordnerstruktur und Quelltextanalyse lassen sich für Ze zurrealism itzelf verschiedene Typen von Seiten (Webpages) feststellen. Hervorzuheben sind die Startseite mit mehreren Postings, die Einzelansicht eines Postings, der RSS-Feed sowie die Archivseite. Für die vorliegende Untersuchung wurde der Gesamttext als Zusammensetzung aus einer bestimmten Anzahl von einzelnen Postings in einem je zeitgebundenen Textzustand bestimmt. Eine Fassung des Gesamttexts zu einem bestimmten Zeitpunkt umfasst also eine Menge von Postings, die ebenfalls in einer je zeitgebundenen Fassung vorliegen. Die Datenverarbeitung zielt entsprechend auf eine Rekonstruktion aller einzelnen Posts und die Zusammenstellung einzelner Posts zu zeitlich bestimmten Fassungen des gesamten Blogs (Abbildung 4). In einer Webanwendung dargestellt werden schließlich die Einzelposts in ihrer zeitlichen Entwicklung und die rekonstruierten Fassungen des gesamten Blogs als der Zusammenhang von Einzelpostings zu einem bestimmten Zeitpunkt. Über die Zeit ändern sich dabei der gesamte Text als Menge aller Einzeltexte (Einzelposts) und es ändern sich die Einzeltexte selbst.
[22]Es gibt vier Quellen, um die Sequenzen der Blogposts zu rekonstruieren:
- Posts mit Verlinkung des vorherigen und nachfolgenden Posts (wenn diese existieren).
- Die Hauptseite (index.html), dort werden die aktuellsten Posts in der ursprünglichen Reihenfolge gelistet. Eine Einschränkung ist hierbei, dass nicht alle Posts dargestellt werden. Durch die Blog-Software werden nach fünf bis zehn Posts weitere Index-Seiten erzeugt (bei tumblr /page/2, page/3 usw.).
- Die archive-Seiten, hier werden immer alle Posts gelistet, wobei der Inhalt eines Posts nicht vollständig dargestellt wird.
- Der RSS-Feed, hier werden in einer maschinenlesbaren Form (XML) die aktuellsten Posts aufgelistet, begrenzt auf 20 Posts. Wenn das Blog 20 Posts oder weniger umfasst, werden also alle Posts gelistet.
[23]Um Fassungen als Zusammenstellung einzelner Postings zu rekonstruieren und die Änderungen an einzelnen Postings über die Zeit beobachten zu können, wurden die kompletten Postings (in RSS- und archive-Seiten sind Postings oft nur verkürzt enthalten) in den HTML-Dateien identifiziert und isoliert. Neben der Einzelansicht von Postings wurden hier insbesondere die RSS-Dateien und die archive-Dateien ausgewertet. Sowohl RSS als auch die archive-Seite werden von Tumblr automatisch hergestellt und enthalten daher alle zum jeweiligen Zeitpunkt aktiven Postings. Das ist deshalb wichtig, weil die Archivierungsstrategie des Internet Archive Redundanzen vermeidet und daher in der Regel nicht die ganze Seite innerhalb eines für die Fassungskonstituierung ausreichend kurzen Zeitraums gecrawlt wird. Sofern also entweder RSS- oder Archivseiten vorhanden sind, kann von einer vergleichsweise hohen Zuverlässigkeit in Bezug auf die konstituierte Fassung ausgegangen werden. Fehlen diese Daten, ist die Rekonstruktion spekulativ oder gar nicht möglich. RSS- und Archivdateien sind für die besonders aktive Frühphase des Blogs 2010 / 2011 in regelmäßigen Abständen von 1–3 Monaten vorhanden, später nimmt die Frequenz ab. Die letzte archive-Seite datiert auf November 2014. Für die Jahre 2015 und 2016 sind auch keine RSS-Daten vorhanden, erst ab Oktober 2017 gibt es wieder RSS-Daten, allerdings mit etwas größeren zeitlichen Abständen als in der Frühphase.
3.3 Ansichten (Webanwendung)
[24]Auf Grundlage der Daten ließe sich also eine Ansicht erstellen, die allein das Vorhandensein eines Postings im Archiv abbildet. Aufgrund der Redundanzvermeidung bei der Archivierung ist es aber wahrscheinlich, dass Postings ausgeblendet bleiben, die zum jeweiligen Zeitpunkt noch online waren, aber nicht mehr gecrawlt oder nicht mehr gespeichert wurden. Werden die einzelnen Postings regelmäßig getakteten Zeitabschnitten je nach zeitlicher Nähe zugeordnet, zeigt sich die wechselnde Zusammensetzung im Zeitverlauf. Allerdings wird auf diese Weise nicht die je zeitgebundene Fassung des Blogs abgebildet, sondern das Vorhandensein von Postings und anderen Seitenelementen im Archiv. Für Ze zurrealism itzelf lässt sich beobachten, dass bestimmte Postings, bestimmt durch ihre ID, zeitweise vorhanden sind, zeitweise auch nicht.[13] Die Schlussfolgerung, dass solche Postings in den Lücken wahrscheinlich vorhanden waren, aber aufgrund der Redundanzvermeidung nicht gespeichert wurden, liegt nahe, lässt sich aber nicht nachweisen und bleibt daher spekulativ. Die Plattform Tumblr erlaubt Nutzer*innen ein nachträgliches Ausblenden von einzelnen, bereits veröffentlichten Postings. Sie können auf ›unsichtbar‹ gesetzt werden und erscheinen dann nicht mehr öffentlich im Blog. Für die Rekonstruktion gehen wir davon aus, dass die Autorin diese Funktion nicht verwendet hat, wobei hier lediglich der Geltungsanspruch mit Bezug auf das Löschen der Texte betroffen ist. Für die je zeitgenössisch aktuelle Fassung des Blogs ist es unerheblich, ob ein Text von der Autorin gelöscht oder auf unsichtbar gesetzt wurde. In der Rekonstruktion basieren die Ansichten von Fassungen des gesamten Blogs daher ausschließlich auf den archivierten RSS-Feeds und den Tumblr-Archivseiten, so zum Beispiel die Seite mit der Fassungsübersicht.[14] In dieser Ansicht sind die RSS- und archive-Fassungen nach Datum mit einem Vermerk der Anzahl aktiver Postings aufgelistet. Eine erweiterte Ansicht zeigt zusätzlich die IDs der jeweils aktiven Postings.[15] In beiden Ansichten ist jeweils eine Ansicht der RSS- und archive-Originaldaten und eine Zusammenstellung der Einzelpostings in Listenform verlinkt. Die listenförmige Zusammenstellung beinhaltet nacheinander alle Postings, die im RSS-Feed oder der archive-Zusammenstellung aufgeführt sind. Da Tumblr in der archive-Ansicht nur Teaser oder Snippets liefert, sind in der Zusammenstellung, die auf einer archive-Seite basiert, Postings aus Einzelseiten übernommen, die zum Teil aus zeitlich etwas entfernten Crawls stammen (bis zu mehreren Monaten). Die auf diese Weise konstruierte Fassung entspricht also nur näherungsweise einem historischen Zustand des Blogs.
[25]Über einen Link in der Listenansicht kann eine Ansicht mit den verschiedenen Fassungen des jeweiligen Postings aufgerufen werden. Diese Ansicht ist ebenfalls als Liste dargestellt und nach dem Datum, an dem der Crawl durchgeführt wurde, sortiert. Möglich wird dadurch zunächst der Vergleich von Textfassungen eines einzelnen Posts, mit dem sich die schrittweisen Veränderungen von Formulierungen nachvollziehen lassen, so zum Beispiel die unterschiedlichen Wendungen mit dem Wort »Glasfaserkabel« (siehe unten).[16] In der vergleichenden Lektüre von verschiedenen Fassungen der Einzelpostings zeigen sich damit signifikante Unterschiede, die Rückschlüsse auf den Schreibprozess und auf die Poetik des Texts ermöglichen.
[26]Die Veränderungen des jeweiligen Gesamttexts und die Veränderungen der Einzeltexte deuten also auf eine Poetik der Fassungen hin, die beides, Einzeltexte und Gesamttext, nicht als Ergebnis eines Produktions- und Publikationsprozesses versteht, sondern beides immer nur in einer zeitgebundenen Form anbietet, die sich mit der Zeit ändern kann. Die Arbeit am Text erscheint als fortgesetzte Gestaltung von Einzeltexten und Gesamttext. Mit der Löschung von Einzeltexten ist ein Akzent gesetzt, der die Publikationslogik des Mediums deutlich reflektiert: Während ein Buch, wenn es gedruckt ist, notwendig abgeschlossen ist, stellt Ze zurrealism itzelf in seinem zeitlichen Verlauf aus, dass dieser literarische Text nicht an einen Abschluss gebunden ist, sondern nach der Publikation verändert, bearbeitet, ergänzt oder gelöscht wird. Damit wird nebenbei die Instabilität der Referenzen deutlich, die sich sogar auf das Archiv erstreckt: Einige der gelöschten Postings sind nur noch als Spur mit ID und Teasertext in den archive-Zusammenstellungen nachweisbar, der Rest ist gelöscht, nicht archiviert und möglicherweise verloren. Die Fassungen waren also zeitgenössisch oder auch vorübergehend, flüchtig. Das zeigt nicht zuletzt die Rekonstruktion. Sie ermöglicht eine Lektüre des Blogs als Archivobjekt und das Herausarbeiten einer spezifischen Poetik, die erst über die Vergleiche von Fassungen anhand der archivierten Texte sichtbar wird.
4. Arbeit an den Fassungen. Sieben Änderungstypen
[27]Insgesamt lassen sich sieben Änderungstypen unterscheiden, die die Autorin einsetzt, um neue Fassungen ihres Blogs zu kreieren. Neben Änderungen an Titel und Design kommen neue Beiträge dazu, Einträge werden gelöscht, verändert oder an anderer Stelle neu gepostet, was sich auch auf die Reihen- oder Abfolge der Beiträge auswirkt.
4.1 Änderungen des Seitenaufbaus oder auch Themes
[28]Vor allem im ersten Jahr des Bestehens haben sich der Seitenaufbau und das Theme des Blogs, also das jeweils über eine Reihe an Fassungen gleichbleibende Design, geändert. Zuerst wechselte das schlichte Eingangstheme zu schwarz, dann wurde die Schrift für Titel und Text in einen Handschrift-Font geändert, dann kamen ein Untertitel sowie ein Bild mit Unterschrift dazu. Seit Ende 2010 blieben wesentliche visuelle Elemente des Themes konstant, während sowohl das Foto links oben im Theme mit einem kleinen Text darunter als auch das Favicon, also das kleine Bildchen in der Browseransicht, mehrfach ausgetauscht wurden. Diese ästhetische Dimension des Blogs und die Arbeit daran wird in unserer Rekonstruktion der archivierten Fassungen nicht abgebildet, lässt sich aber mit der Wayback Machine des Internet Archive nachvollziehen.
4.2 Änderungen des (Unter-)Titels
[29]Der Titel des Blogs lautete vom ersten Tag an Ze zurrealism itzelf. Im Oktober 2010 wurde ein Untertitel hinzugefügt, der seitdem drei Mal geändert wurde. Er hieß zuerst Sprich mit mir,[17] zwei Wochen später The internet is not for porn. It’s for longing.[18] Von Februar 2011 bis zum Juli 2017, also über mehr als sechs Jahre stand dort Ich möchte dir das wir anbieten.[19] Ab Juli 2014 wurde das W im Untertitel (Wir) groß geschrieben, was jedoch im Großbuchstaben-Design des User-Interfaces nicht sichtbar ist. Seit November 2017 heißt der Untertitel There’s a thought that will save your life.[20] Die Untertitel sind Teil des Themes, das wir für die auf die Posts fokussierte Rekonstruktion nicht berücksichtigt haben.
4.3 Neue Einträge mit aktuellem Datum
[30]In Blogs erscheinen neue Einträge normalerweise oben auf der Startseite und sind mit dem Datum des Erscheinens versehen. Beim Posten wird einem Eintrag automatisch eine Nummer, die Post-ID, zugewiesen. Dieser Änderungstyp ist auch in Ze zurrealism itzelf der häufigste. An anderen Positionen scheinen neue Einträge mit neuer Post-ID nicht eingefügt zu werden. Das lässt sich aber nicht vollständig ausschließen, da die Archivierung und also die Rekonstruktion notwendig lückenhaft ist.
4.4 Löschen von Einträgen mit Löschen der Post-ID
[31]Während andere Blogs unbegrenzt anwachsen, nimmt Dana Buchzik häufig Löschungen vor. Manche Posts werden inklusive Post-ID gelöscht und tauchen nie wieder auf. Als Beispiel kann der Text ›und das hier ist jetzt.‹ mit der Nummer 1344702684 gelten. Nach dem 14.11.2010 erscheint er in vier weiteren rekonstruierten Fassungen – zuletzt am 09.05.2011 – ist aber in allen folgenden Fassungen verschwunden.
4.5 Veränderung von Einträgen oder Löschen von Einträgen ohne Löschen der
Post-ID
[32]In Ze zurrealism itzelf kommt es zudem vor, dass Einträge nachträglich geändert werden. Das ursprüngliche Datum und die ID des Posts bleiben dabei erhalten. Ein Beispiel dafür ist der allererste Eintrag, der am 06.03.2010 veröffentlicht wurde.
[33]Zu sehen sind ein Foto der Autorin und der Satz: »In einer Luft, in der nichts Neues liegt, gibt sich der Tag keinen Namen.«[21] Ausgerechnet dieser Tag hat aber – zumindest im Rahmen der fiktiven Welt des Blogs – einen gewissen Stellenwert erlangt. Denn schon am 10.05.2010 lautete der Satz mit dem gleichen Datum und der gleichen Uhrzeit stattdessen »Mein Herzverschluss klemmt.«[22] Foto und Text dieses Blogeintrags haben sich über die Zeit häufig verändert, sodass zahlreiche Blogfassungen einen neuen Anfang bekamen. Das Posting wurde dabei immer mit dem gleichen Datum angezeigt, behielt immer die gleiche ID und hat dem Tag doch noch zu einem Namen verholfen, denn in diesem Tag lag Neues – der Beginn dieses literarischen Blogs. Gleichgeblieben ist auch, dass der erste Eintrag bis heute mit einem Selbstporträt kombiniert ist. Es kommt also auch vor, dass Einträge gelöscht werden, die Post-ID aber erhalten bleibt, indem an der Stelle beim gleichen Vorgang neue Texte eingefügt werden.
4.6 Neuposten (überarbeiteter) älterer Beiträge an neuer Stelle
[34]Es kommt auch vor, dass ältere Beiträge oder einzelne Sätze an neuer Stelle wieder gepostet werden. Wird dabei ein alter Eintrag überschrieben, dann entspricht der Vorgang Änderungstyp 4.5. Eine solche Wanderung verschiedener Versionen eines Prosastücks durch die Fassungen des Blogs sei hier an einem Beispieltext nachvollzogen, der im Mai 2010 so klang:
[35]»Vorwort / Ich habe dich hier gesucht, hinter den Glasfaserkabeln. Zurecht geschnittene Worte und Bilder, blau glänzender Widerhall. Wäre es möglich, ein Wir, und was würde es nützen. Unzählige Fluchtpunkte des immer gleichen Versuchs. Word up? Wounds up. / Ich werde die Schmetterlinge auf Silberschicht bluten lassen. Kontrollgang des Blicks in die Ferne: Du ziehst Fäden, die Wolken entlang. Der Vogelschatten, der mich streift, erzählt von deinen verwachten Brauen und Wimpern. Die Spuren, die Entenfüße ins Wasser treiben, sind dein Trotz und die Muttermalsprenkler auf deinem Hautgeflecht. Ich halt mein Gesicht in die Stille. Wir werden ein Zimmer voller Badewannen haben, Klauenfüße und in rostigen Bäuchen Hemden und Röcke und flüchtig gespültes Geschirr. Die Bücher in holziger Sicherheit, in vorsichtigen Händen. Dein Nacken wird nach Pistazien riechen und wir werden wachsen, wenn Platz ist für uns. / ♫ / May 11, 2010, 9:50pm / Comments«[23]
[36]Der Eintrag war mit dem Datum 11.05.2010 versehen und enthielt einen Link zu einem Song der Postrock-Band Immanu El, von dem Album They'll Come, They'll Come.[24] Beim Wiederauftauchen des kurzen Prosastücks am 29.07.2010 ist die Musik nicht mehr verlinkt. Der Satz »Kontrollgang des Blicks in die Ferne: Du ziehst Fäden, die Wolken entlang.« ist gestrichen.[25] Außerdem ist aus dem »Wounds up« ein »Wound up« und aus »Ich habe dich hier gesucht, hinter Glasfaserkabeln«, ein »Ich habe Dich hinter Glasfaserkabeln gesucht« geworden.
[37]Solche Änderungen sind charakteristisch für literarische Schreibprozesse und haben in editorischer Arbeit immer eine Rolle gespielt. Die Archivierung von Blogs mittels Webarchivierung bietet neue Möglichkeiten für die Rekonstruktion von Schreibprozessen im Digitalen. Beispielsweise ist der Satz mit dem »Kontrollgang des Blicks« über sieben Jahre später wieder da – eingefügt in die Fassung vom 08.10.2017 an Stelle des vermeintlich ältesten Posts. Der Vogelschatten wird nicht mehr als singuläres Ereignis, sondern wiederkehrend beschrieben; Variationen der Entenfüße, jetzt im Fluss:
[38]»Wichtig ist, nie beim Anfang zu beginnen. Ich werde dich suchen, hier, zwischen den Zeilen. Irgendwo zwischen zurechtgeschnittenen Worten und Bildern, irgendwo in den Glasfaserkabeln, im Fluchtpunkt einer Atempause. Kontrollgang des Blicks in die Ferne: Unser Wir zieht Fäden, die Wolken entlang. Jeder Vogelschatten, der mich streift, berichtet von deinen Brauen und Wimpern. Die Spuren von Entenfüßen im Fluss erzählen von deinem Lächeln. Der Duft frischer Pistazien muss mit deinem Nacken zu tun haben. Wenn ich mein Gesicht lang genug in die Stille halte, weiß ich, dass es sich lohnt, an Worte zu glauben. An die glatte Kühle hinter dem Spiegel. An einen neuen Namen. An sonnendurchschienene Katzenohren und mehlbestäubte Finger, die sich ineinander verschränken. An die Möglichkeit einer guten Nacht. An Kuchenteig. An die Sagbarkeit von Freude.«[26] [Hervorhebungen Lore Knapp]
[39]In dieser Version des Eintrags sind noch wesentlich mehr Änderungen vorgenommen worden; nicht: »Ich habe Dich gesucht«, sondern »Ich werde dich suchen«; nicht mehr nur »hinter den Glasfaserkabeln«, sondern auch »zwischen den Zeilen«.[27] Die neue Positionierung als Anfang der Fassung mag dazu motiviert haben, den ersten Satz ( »Wichtig ist, nie beim Anfang zu beginnen«) hinzuzufügen und damit auf die Poetik der Fassungen und deren relativen Charakter hinzuweisen.
[40]Ein Gedanke aus dem bisher zitierten Post ist zudem bereits aus einem anderen Zusammenhang bekannt. Der Satz »Wenn ich mein Gesicht lang genug in die Stille halte, weiß ich, dass es sich lohnt, an Worte zu glauben.«,[28] hieß zuvor: »Sophia Mandelbaum hat an Worte geglaubt, aber nicht an sich selbst.«[29]
[41]»going dark
Sophia Mandelbaum. Ein Name, der irgendwann im Sommer
zu mir kam. Ein Name, den ich brauchte, weil ich meinen eigenen so leid war.
Sophia Mandelbaum war alles, was ich nicht sein konnte. Sie gab nie klare
Antworten. Sie war die Richtige für schiefe Metaphern. Sie war schön,
photoshopschön. Und sie schrieb ihren Schmerz und ihre Wut und jedes andere
große Wort, das es eben brauchte, in die Welt hinaus, ganz egal, was diese
Welt davon halten mochte, denn sie wusste, dass sie ohnehin nie dazu gehören
würde. Dass sie nur in einem kleinen Zimmer Worte und Bilder
zurechtschneiden und irgendwo in den Glasfaserkabeln nach einem Menschen
suchen würde, einem Menschen, der sie retten könnte oder wenigstens lieben.
Sophia Mandelbaum hat an Worte geglaubt, aber nicht an
sich selbst. Immer, wenn es nicht weiter ging, kam ich hierher und
erzählte Geschichten, verwischte Leerzeichen, sprang zwischen den Zeilen.
Immer, wenn es nicht weiter ging, gab es hier jemanden, der zurück schrieb,
der Satzanfänge mit Lächeln auffüllte. Mit allem, was ich erfunden habe,
konnte ich hier ehrlich sein. Ich musste nicht funktionieren, nichts
beweisen, ich habe mein Dunkel ausgelegt, mit der Halsschlagader nach oben,
und ich hatte Glück: bislang wurde niemand verletzt.«[30] [Hervorhebung Lore Knapp]
[42]Dieser Eintrag ist seit dem 27.01.2016 und bis heute auf dem Blog zu lesen. Neben kleinen Textänderungen änderte sich der Titel »going dark« zu »make a space«.[31] In der Rekonstruktion kann die Textgenese einzelner Postings in einer Listenansicht mit den archivierten Fassungen eines einzelnen Postings nachvollzogen werden.[32]
[43]Handelt es sich bei diesem Änderungstyp um einen vollständigen Eintrag, dann kann dem auch zugrunde liegen, dass die Post-ID neu eingeordnet wird (dann entspricht der Vorgang Änderungstyp 4.7).
4.7 Veränderungen der Reihenfolge von Einträgen
[44]Werden ältere Beiträge an neuer Stelle wieder gepostet, dann ändert sich die Reihenfolge der Einträge. Einzelne Posts geraten in neue Zusammenhänge. Die Reihenfolge wird durch die Datumsangabe bestimmt. Anders als die Post-ID kann das Datum für ein Posting manuell geändert werden, was sich dann auf die Reihenfolge der Posts auswirkt, wenn etwa Posts mit verändertem, also fiktivem älteren Datum vor dem ursprünglichen Anfangspost eingebaut werden. Beobachten lässt sich das beispielsweise in der Fassung vom 10.10.2010, in der vor den eigentlich ersten Eintrag am 06.03.2010 zwei weitere Einträge mit den Daten 05.03.2010 und 04.03.2010 gesetzt sind.[33]
5. Interpretation dreier Fassungen
[45]Die Rekonstruktion einzelner Fassungen des Blogs und die Zusammenstellung aller Fassungen der einzelnen Blogposts, die auch die Genese einzelner Posts nachvollziehbar macht, ermöglicht weitergehende inhaltliche Analysen und Interpretationen. Im Folgenden werden drei Fassungen aus unterschiedlichen Phasen des Blogs (2010: Entstehungszeit, 2013: Phase mit besonders vielen Einträgen und 2020: Ende der Rekonstruktion) vorgestellt und interpretiert.
5.1 Fassung vom 11.03.2010
[46]Eine der allerersten Fassungen des Blogs, gecrawlt am 09.03.2010, hat fünf Posts, die am 06.03.2010 innerhalb von sieben Stunden veröffentlicht wurden. Wie erwähnt, begann das Blog mit dem Satz »In einer Luft, in der nichts Neues liegt, gibt sich der Tag keinen Namen.«[34] Dieser Gedanke kehrt im fünften, letzten Eintrag wieder, der aus elf Fragen besteht, von denen eine lautet: »Lässt sich von diesem Tag mehr erwarten, als dass er dem vorherigen nicht gleicht?« Beide Einträge von ereignislosen Tagen rahmen drei weitere Posts: ein kurzes Prosastück über einen verlorenen »Krieg« im Zwischenmenschlichen mit Herzen auf Halbmast und Worten, die »Bluff geworden« sind (mit 94 Wörtern der längste Eintrag dieser frühen Fassung), und zwei Gedichte, beide reimlos, ohne Versmaß. »Ich befrag die Weite nicht« handelt vom Geheimnis eines Wortarbeiters. »En esquissant un sourire« handelt von der Stille, die Vergangenes nicht aufwiegen kann. Die Rede von der Ereignislosigkeit schafft Raum für poetische Beschreibungen von Zuständen. Die Einsicht »das Wunder hält haus, / das Unversehrte bricht sich keinen Weg / durch gekrümmtes Fleisch« nimmt ein Motiv des vorangegangenen Eintrags auf, in dem es heißt, »Du hast das Fleisch aufs Neue aufgebissen, dieselben Fahnen gehisst, Herzhalbmast und kein Ende in Sicht.« Der erste und der dritte Texteintrag enthalten Selbstporträtfotografien. So sind die fünf Einträge mit ihren sprachlich jeweils ganz eigenen Formen motivisch miteinander verbunden. Sie bereichern sich gegenseitig durch ein intertextuelles Spiel. Ein Zusammenhalt der Fassung ergibt sich auch durch den autobiografischen Zug und durch eine Thematik des Stillstands der ersten drei Postings, auf die die Hymne auf den Wortarbeiter mit dem Imperativ »Schweig dein Geheimnis / mir zu« sowie elf direkte, ins Intime und ganz Persönliche zielende Fragen folgen, deren Beantwortung neue zwischenmenschliche Bindungen schafft, als ebneten Poesie und Kommunikation den Weg zu einem Aufbruch zu den »Freudendünen« (lautmalerisch erinnert das an ›Freundinnen‹), die schon im zweiten Eintrag dieser ersten Fassung anklingen.
5.2 Fassung vom 04.09.2013
[47]Diese Grundbotschaft von der Sprache, die teils als Kreisen um das Geheimnis, teils als Mittel, eine Verbindung zu einem Gegenüber herzustellen, ein Gegengewicht zur Melancholie darstellt, prägt auch weitere Fassungen. In einer rekonstruierten Version dreieinhalb Jahre später, vom 04.09.2013 mit 32 Einträgen, ist der älteste Eintrag verändert zu »Mein Herzverschluss klemmt«.[35] Dabei wird nicht verraten, ob es der Erzählerin nicht möglich ist, sich weiter zu öffnen oder sich gründlicher abzuschotten. Von der beschriebenen ersten Fassung ist noch der Eintrag mit den elf Fragen erhalten, alle anderen wurden in der Zwischenzeit gelöscht. Die Thematik des Stillstands oder der Ereignislosigkeit ist damit weniger präsent, das Ineinander von Leben und Sprache stattdessen weiter entfaltet. Selbstbeschreibungen geschehen über metaphorische Spiegelungen im Gegenüber wie »Ich bin deine Geschichte und nur so wahr, wie du mich glauben kannst.« Identitätsprobleme werden über Sprachmetaphern formuliert: »Ich war eine Geschichte von Echos. Die Sätze lappten übereinander«. Die Erkenntnis »Dieses Leben ist die Geschichte, die du nicht erfinden kannst«, wird ergänzt durch eine intensive Wahrnehmung des alltäglichen Lebens, etwa »des pockennarbigen Rots der Erdbeeren«. Verglichen mit einer Fassung vom 25.06. des gleichen Jahres 2013 sind mehrere persönliche Posts über Fehldiagnosen, Krankenhausaufenthalte, Hinweise auf Aktionen im Buchladen Ocelot oder Weihnachten gelöscht und ersetzt durch die Wiedergabe eines Briefwechsels oder die poetisierte Erinnerung an die »noch zuckenden Reste warmer Worte«. Die umfangreiche Fassung mit 32 Einträgen fiktionalisiert das Dargestellte, wobei Hinweise auf die aufeinanderfolgenden Jahreszeiten auch einen Eindruck vom Lauf des Lebens vermitteln. Auf den letzten warmen »Tag, ehe wir uns in einem Wort zusammen rollen, für den Winter« folgt »Herbstgrau«. Die Fassung endet mit einer Reaktion auf den aufrüttelnden Tod Wolfgang Herrndorfs. Der Aktualitätswert dieses Posts, dessen Wirkungspotenzial die Autorin wesentlich seltener als andere Blogger*innen nutzt, bindet die Blogfassung weniger an die Außenwelt der literarischen Szene Berlins, als dass er diese in die sonst in sich kreisende poetische Welt der Blogfassungen integriert. In diesem Sinne wird ein Eindruck vom Open Mike 2012 anders als die Reaktion wenige Tage nach Herrndorfs Tod erst Wochen später gepostet.
[48]Die Fassung enthält drei Prosastücke von besonderen Orten, die in ihrer poetischen Gestaltung wie Inseln wirken in den sonst die unwiderstehliche Melancholie »mit ihrem dünnen Hemd und den halb geöffneten Lippen«, die Wunden und das Sterben umschreibenden Einträgen. Eins handelt von einem Sommertag am Strand mit »Sonnenkugelbäuchen«, eins von der Kundschaft beim Schneider mit »Knopfaugen und Reißverschlussstimmen«, eins von der Zeit als Studentin in Hildesheim. Dominant sind Schilderungen fehlender Nähe im Zwischenmenschlichen. Der Erzählerin wird gesagt, »Du brauchst jemanden, der dich an den Menschen erinnert, der du sein kannst.« Später befindet sie sich in einer Beziehung und beschreibt: »Die Stelle, an der wir angefangen haben, läuft im Repeat.« Das lässt sich nicht nur auf die Paardynamik, sondern auch auf verschiedene Fassungen des Blogs beziehen, die den gleichen Anfang nutzen oder – noch eher – auf Anfangsposts, die in manchen Fassungen auf mittlerer Position wiederverwendet werden. Aus einem gemütsschweren Zustand heraus beschreibt die Erzählerin ihr Leben in Berlin als »[d]ie Geschichte, von der es zu viele Fassungen gibt.« Nicht nur die laufend aktualisierte Blogform kommt der Nähe der Literatur zum Leben entgegen, auch die Abfolge ähnlicher Fassungen mit verschiedenen Schwerpunkten und Episoden unterschiedlicher Länge und Intensität ähnelt dieser autobiografischen Einsicht in den wiederkehrenden Charakter mancher Lebensumstände, Gefühle, Wünsche und Stimmungen. Als Fassung unterscheidet sich das, was am 04.09.2013 zu lesen ist, von der zuerst vorgestellten Fassung besonders durch die fast alle Posts verbindenden Sprachmetaphern. Die Erzählerin beschreibt Kommunikationsschwierigkeiten, indem sie Worte anthropomorphisiert und in avantgardistischer Tradition mit einem Eigenleben versieht: »Als hätten wir nie gelernt, miteinander zu sprechen, die Fremd-Worte zwischen uns fallen schwer von der Zunge, starren uns vom Boden aus an, verständnislos.« Oder sie ist bereits alarmiert, als sie erkennt: »Deine Worte sind in der Stadt und machen mich hilflos«. Sie beschreibt »Im Brustraum pochen Leerstellen, mein Puls telegrafiert Nachrichten, die ungehört bleiben.« Die Erzählerin analogisiert ihre Unsicherheit über Anfang und Dauer ihrer Beziehung mit der Poetik der Fassungen des Blogs und deren Besonderheit, den Anfang zu variieren und nachträglich neu zu setzen: »einen Anfang vorausgesetzt - / wann werden wir Archivgeräusch sein?« Das Bewusstsein über die nachträgliche Einteilung des Lebens in (Beziehungs-)Geschichten, deren Anfangspunkte eine Frage der Interpretation sind, wird mit der ihren Anfang und ihre Länge gestaltenden Blogform analogisiert. Das Leben wird in poetischen Formen gedacht und die poetische Form des Blogs orientiert sich an Auffassungen der Autorin vom Leben. Durch die Bezeichnung unwiderruflich vergangener Episoden des Lebens als »Archivgeräusch« entsteht eine Parallele zu den archivierten Blogfassungen, die die Vergangenheit zwar gewissermaßen bewahren, sich aber vom Lebensgefühl, das die jeweils aktuelle Fassung online prägt, längst gelöst haben. Schon während des Postens steht die Uneinholbarkeit des Lebens im Zentrum: »Schreiben, um nicht zu vergessen, das funktioniert nicht, sagt er, weil keiner ehrlich ist, wenn er sich erinnert.«
5.3 Fassung vom 10.10.2020
[49]In der Fassung vom 10.10.2020 mit sieben Posts beginnt der mit dem ältesten Datum versehene Eintrag (06.03.2010) nun mit den programmatischen Worten »Wichtig ist, nie beim Anfang zu beginnen.«.[36] Dieser Satz reflektiert die Möglichkeiten des Bloggens und kennzeichnet den Anfang der Blogfassung in seiner fehlenden Ursprünglichkeit. Sodann wird – ebenfalls programmatisch für Ze zurrealism itzelf und alle folgenden Einträge – angekündigt: »Ich werde dich suchen, hier, zwischen den Zeilen. Irgendwo zwischen zurechtgeschnittenen Worten und Bildern, irgendwo in den Glasfaserkabeln, im Fluchtpunkt einer Atempause.« Die positive Grundstimmung des Prosaeintrags und seine poetisch ausgefeilte Gestaltung heben sich von den kurzen, die zuvor beschriebenen Fassungen einleitendenden jeweils ältesten Posts ab. Es folgen die schon bekannten Posts über »Möwenrundflug statt Mittagsschlaf« am Strand und »Ach, Hildesheim« sowie drei poetische Einträge über den Abschied von einem geliebten Menschen, sodass hier der Eindruck einer sorgfältigen Auswahl und Zusammenstellung entsteht. Beschlossen wird die Fassung von einem Prosastück, das wie bereits der Anfang auf das Bloggen Bezug nimmt. Es geht auf das Pseudonym Sophia Mandelbaum und den fiktionalen Charakter des literarischen Blogs ein: »Mit allem, was ich erfunden habe, konnte ich hier ehrlich sein.« Verglichen mit den früheren Fassungen verlagert sich der thematische Schwerpunkt zum Abschied im Zwischenmenschlichen. Mit dem Untertitel There’s a thought that will save your life bestätigt die Erzählerin den Eindruck, dass ihr die Sprache, häufig bloß einzelne Gedanken in Worte fassend, Halt bietet, wobei die Rede von der »Sagbarkeit von Freude« positive, lebensfrohe Akzente setzt.
6. Fazit
[50]Die Rekonstruktion erlaubt eine erweiterte Lektüre von Buchziks poetischer Sprache in Kombination mit Fotos, Musik und anderen Verlinkungen, allerdings noch ohne das Design der Seite. Der Vergleich der drei ausgewählten Fassungen zeigt, wie bereits die Analyse der Änderungstypen, dass die Fassungen trotz des großen zeitlichen Abstands thematisch und über ihre literarischen Mittel eng zusammenhängen. Sie entwerfen jede für sich ein Bild von den Begegnungen, Wünschen und Stimmungen der Erzählerin, das weiter zurückliegende, sprachlich etablierte Texte mit kurzlebigeren Momentaufnahmen des Lebens zu einem vorübergehenden Ganzen, zu einem flüchtigen Werk verbindet.
[51]Die Retroarchivierung, die Rekonstruktion und die Analyse von Ze zurrealism itzelf ermöglichen also das Herausarbeiten einer besonderen Poetik der Fassungen. Diese Poetik kennzeichnet auf einer praktischen Ebene das Umarbeiten von Texten, die Umgestaltung von grafischen Seitenelementen und nicht zuletzt das zum Teil umfangreiche Löschen von Einträgen. Durch die nicht-kumulative und immer vorläufige Produktion und Publikation wird die Differenz zwischen stabilen Referenzpublikationen (Druck) und instabilen, nicht oder schwer referenzierbaren Publikationen poetisch reflektiert. Darüber hinaus wird in einigen autobiografischen Blogposts selbstreflexiv auf die sich wiederholenden Lebensgeschichten als Fassungen verwiesen. Auf diese Weise werden im Blog die praktische, die publikationstechnische und die narrative Ebene in einer selbstreflexiven Poetik der Fassungen zusammengeführt.
[52]Eine Rekonstruktion von Textfassungen ist auf kritische Lektüre und Quelltextanalysen angewiesen. Um möglichst zuverlässige Zusammenstellungen zu erreichen, waren die strukturierten Aggregationen von Postings im RSS-Feed und auf der Tumblr-archive-Seite eine gute Basis. Die Datenlage und damit auch die Möglichkeit für die Rekonstruktion von Fassungen hängt maßgeblich von der Archivierungsstrategie ab, die bei der Anamnese entsprechend berücksichtigt werden muss. Jede derartige Rekonstruktion ist konstitutiv lückenhaft, sofern der Takt der Archivierung und die Textänderungen nicht synchron laufen. Mithilfe von Kontextinformationen, Textinterpretation und Raum für zeitliche Unschärfen lässt sich die Rekonstruktion so plausibilisieren, dass die zeitliche Dynamik, das heißt die Veränderungen des Gesamttexts und der Einzeltexte, als Merkmal einer besonderen Blogpoetik nachgezeichnet und lesbar gemacht werden können. Der gattungspoetische Hintergrund und das Verfahren zur Rekonstruktion hängen hier zusammen und sind auf einen bestimmten Gegenstand, Ze zurrealism itzelf, bezogen. Grundlegende Elemente wie die Struktur des Archivobjekts im Internet Archive, der Umgang mit den entsprechenden Daten, die unterschiedlichen Publikations- und Referenzlogiken im World Wide Web lassen sich perspektivisch auch auf andere mediengeschichtliche und gattungspoetische Fragestellungen und auf andere Gegenstände übertragen und weiterentwickeln.
Dank
[53]Wir danken Marja Kersten, Anna Lenz, Lisa Niermann und Gabriel Viehhauser für die wertvollen Hinweise und die kritische Lektüre der Rohfassung dieses Texts. Wir danken dem Forschungs- und Infrastrukturprojekt Science Data Center for Literature für die aktive Unterstützung.
Fußnoten
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[1]In den sozialen Netzwerken postet die Autorin zum Teil unter diesem Pseudonym, zum Teil aber auch unter ihrem bürgerlichen Namen. Das Blog ist zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Aufsatzes weiterhin online, die Autorin hat nach einer längeren Pause im Herbst 2022 zwei neue Texte auf dem Blog veröffentlicht.
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[2]›Blog‹ ist kurz für ›Weblog‹, was als Form und Begriff vom Logbuch eines Schiffs abgeleitet ist. Einführend zu Blogs siehe den Wikipedia-Eintrag Blog 2022. Zu den metaphorischen und mediengeschichtlichen Verbindungen von Internet und Schiffsnavigation, vgl. Maye / Bickenbach 2009. Gattungspoetisch stehen Blogs außerdem literarischen Tagebüchern, Chroniken und anderen sukzessiven und kumulativen Schreib- und Publikationsformen nah (vgl. Ernst 2010; Knapp 2012).
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[3]Vgl. Internet Archive 2023.
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[4]Die rekonstruierte Fassung vom 22.09.2012 enthält 50 Posts, von denen der älteste laut angegebenem Datum am 15.02.2011 veröffentlicht wurde. In der rekonstruierten Fassung vom 03.04.2012 sind davor noch 12 ältere Posts enthalten. Da diese 12 Posts auch in späteren Archivierungen vorkommen ist es wahrscheinlich, dass sie auch zur Fassung vom 22.09.2012 gehören und nur wegen der Begrenzung der Tumblr-Archivseite auf maximal 50 Posts nicht explizit dort enthalten sind. Daraus folgt ein rekonstruierter Umfang der Fassung von insgesamt 62 Posts. Abbildung 1 zeigt diese kumulative Sicht unter der Annahme, dass Posts vom Zeitpunkt der ersten bis zum Zeitpunkt der letzten Archivierung aktiv waren, auch wenn sie in zwischenzeitlichen Archivierungen fehlen.
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[5]Zur Critique Génétique als Bezugspunkt textgenetischer Ansätze mit einem Interesse für Schreibprozesse siehe Grésillon 2016; mit wissenschaftsgeschichtlicher Perspektive Sahle 2013, hier Bd. 1, insbesondere S. 201–208.
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[6]In Nachweisen von Webseiten haben Autor*innen von Forschungsaufsätzen lange behelfsmäßig eine Datumsangabe mit in die Referenz gesetzt, die den Tag des letzten Zugriffs markierte. Diese Strategie liefert eine gewisse plausible deniability, falls Zitate auf einer Webseite im live Web so nicht mehr nachweisbar sind. Der tatsächliche Nachweis eines Zitats, der durch eine bibliografische Referenz stets gegeben sein muss, erfolgt damit aber nicht. Einen solchen zeitlich stabilen Nachweis liefert, mit gewissen Einschränkungen, die archivierte Version einer Webseite.
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[7]Internet Archive: Wayback Machine, https://web.archive.org, archiviert: https://web.archive.org/web/20221130002851/https://web.archive.org/.
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[8]
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[9]Einschränkend muss hier bemerkt werden, dass diese Orientierung einerseits zu vollständigeren Daten für Einzelobjekte führt, andererseits dadurch die Fragen von Objektgrenzen und Performativität, die in der Forschung im Zusammenhang mit Performativität und Medialität von Literatur im Netz diskutiert werden, nicht geklärt sind. Vgl. dazu Suter 2010.
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[10]Die retroarchivierten Daten und neuere Crawls, die im Zuge der Archivierung durch das Deutsche Literaturarchiv gemacht werden, sind Teil des DLA-Datenpakets zum Blog; Buchzik 2022a.
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[11]
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[12]Mit Payload sind hier die Daten gemeint, die vom Server übertragen werden, beispielsweise eine HTML-Seite oder eine Bilddatei. Davon unterschieden sind die Metadaten der Aufzeichnung der Client-Server-Kommunikation, die ebenfalls Teil der WARC-Datei sind.
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[13]Die Posting-ID wird von Tumblr vergeben und bleibt immer fest zugeordnet. Allerdings kann ein Posting nachträglich bearbeitet oder sogar gänzlich umgearbeitet werden.
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[14]Buchzik 2022b, Fassungsübersicht, https://www.sdc4lit.de/data/repo/zzi/Controller.html. Nachweise der Rekonstruktion im Folgenden mit der Sigle ZZI.
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[15]ZZI, Fassungsübersicht mit Post-IDs, https://www.sdc4lit.de/data/repo/zzi/Controller@ext.html.
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[16]ZZI, Einzelpostings-Versionenansicht, https://www.sdc4lit.de/data/repo/zzi/Controller@id=590268533.html.
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[17]Buchzik 2010–, Startseite am 10.10.2010, archiviert: https://web.archive.org/web/20101010105026/http://sophiamandelbaum.de:80/, letzter Zugriff 04.12.2022. Die archivierte Version einer Seite im Internet wurden. Siehe dazu ausführlicher Abschnitt 3: ›Ze zurrealism itzelf‹ als Archive kann Elemente beinhalten, die zu anderen Zeitpunkten gespeichert Archivobjekt.
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[18]Buchzik 2010–: Startseite am 11.10.2010, archiviert: https://web.archive.org/web/20101114211101/http://sophiamandelbaum.de:80/, letzter Zugriff 04.12.2022.
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[19]Buchzik 2010–, Seite 2 am 17.10.2012, archiviert: https://web.archive.org/web/20121017102344/http://sophiamandelbaum.de/page/2, letzter Zugriff 19.05.2022.
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[20]Buchzik 2010–, Startseite am 27.11.2018, archiviert: https://web.archive.org/web/20181127065348/http:/sophiamandelbaum.de/, letzter Zugriff 19.05.2022.
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[21]Buchzik 2010–, Einzelpost, Post-ID 424004952, https://web.archive.org/web/20100311025626/http:/sophiamandelbaum.de:80/post/424004952, letzter Zugriff 09.12.2022.
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[22]Buchzik 2010–, Einzelpost, Post-ID 424004952, https://web.archive.org/web/20100311025626/http:/sophiamandelbaum.de:80/post/424004952, letzter Zugriff 09.12.2022.
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[24]Buchzik 2010–, Einzelpost, https://web.archive.org/web/20100514150745/http://sophiamandelbaum.de/post/590268533, letzter Zugriff 18.05.2022; Immanu El 2010.
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[25]»Vorwort / Ich habe dich hinter Glasfaserkabeln gesucht, zurecht geschnittene Worte und Bilder, blau glänzender Widerhall - wäre es möglich, ein Wir, und was würde es nützen. Unzählige Fluchtpunkte des immer gleichen Versuchs. Word up? Wound up. Ich werde die Schmetterlinge auf Silberschicht bluten lassen. Der Vogelschatten, der mich streift, erzählt von deinen verwachten Brauen und Wimpern. Die Spuren, die Entenfüße ins Wasser treiben, sind dein Trotz und die Muttermalsprenkler auf deinem Hautgeflecht. Ich halt mein Gesicht in die Stille. Wir werden ein Zimmer voller Badewannen haben, Klauenfüße und in rostigen Bäuchen Hemden und Röcke und flüchtig gespültes Geschirr. Die Bücher in holziger Sicherheit, in vorsichtigen Händen. Dein Nacken wird nach Pistazien riechen und wir werden wachsen, wenn Platz ist für uns. May 11, 2010, 9:50pm« [Hervorhebungen Lore Knapp] Buchzik 2010–, archiviert (Juli 2010): https://web.archive.org/web/20100729234023/http://sophiamandelbaum.de:80/post/590268533, letzter Zugriff 25.05.2022.
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[26]Buchzik 2010–: Ze zurrealism itzelf, https://sophiamandelbaum.de/post/424004952; ZZI, https://www.sdc4lit.de/data/repo/zzi/Controller@id=424004952.html
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[27]Buchzik 2010–: Ze zurrealism itzelf, https://sophiamandelbaum.de/post/424004952; ZZI, https://www.sdc4lit.de/data/repo/zzi/Controller@id=424004952.html
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[28]Buchzik 2010–: Ze zurrealism itzelf, https://sophiamandelbaum.de/post/424004952; ZZI, https://www.sdc4lit.de/data/repo/zzi/Controller@id=424004952.html
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[29]Buchzik 2010–, Einzelpost, archiviert: https://web.archive.org/web/20160127161446/http://sophiamandelbaum.de/post/111802445471, letzter Zugriff 18.05.2022.
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[30]Buchzik 2010–, Einzelpost, archiviert: https://web.archive.org/web/20160127161446/http://sophiamandelbaum.de/post/111802445471, letzter Zugriff 18.05.2022.
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[31]Buchzik 2010–: Ze zurrealism itzelf, Einzelpost, archiviert: https://web.archive.org/web/20200304213750/https://sophiamandelbaum.de/post/111802445471, letzter Zugriff 23.09.22.
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[32]
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[33]Buchzik 2010–, archiviert: https://web.archive.org/web/20101010121417/http://sophiamandelbaum.de/page/2, letzter Aufruf 23.09.22.
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[34]Das Internet Archive hat diese Version am 09.03.2010 gecrawlt. Wir arbeiten hier mit einer Rekonstruktion der Daten vom 11.03.2010. ZZI, https://www.sdc4lit.de/data/repo/zzi/Controller@ts=20100311025621&openlist=1.html
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[35]
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Bibliografische Angaben
- »Blog«, In: Wikipedia. Stand: 30.11.2022. [online]
- Dana Buchzik: Ze zurrealism itzelf. 2010–. [online]
- Dana Buchzik (2022a): Das Blog Ze zurrealism itzelf, Repräsentationen, 2022-10-06, Deutsches Literaturarchiv Marbach 2022, DOI: 10.25805/5xqk-tb91
- Dana Buchzik (2022b): Das Blog Ze zurrealism itzelf. Rekonstruktion von Fassungen 2010–2020. Hg. von Andre Blessing / Lore Knapp / Claus-Michael Schlesinger. Marbach 2022. DOI: 10.25805/0gh9-pa38
- Deutsches Literaturarchiv Marbach: Literatur im Netz. Auswahlkriterien und Verfahren. Letzter Zugriff: 08.06.2023. [online]
- Thomas Ernst: Weblogs. Ein globales Medienformat. In: Wilhelm Amann / Georg Mein / Rolf Parr (Hg.): Globalisierung und Gegenwartsliteratur. Konstellationen – Konzepte – Perspektiven. Heidelberg 2010, S. 281–302. [Nachweis im GVK]
- Almuth Grésillon: Schreiben ohne Ende? Fragen zur Textgenese. In: Katharina Krüger / Eckhard Schumacher / Elisabetta Mengaldo (Hg.): Textgenese und (= Beihefte zu Editio, Bd. 40). Berlin 2016. [Nachweis im GVK]
- hartator: Wayback Machine Downloader. 2015–2022. GitHub-Repository. [online]
- Immanu El: ...In Valleys. Youtube-Video. April 2010. Letzter Zugriff 18.05.2022. [online]
- Internationale Organisation für Normung (Hg.): Information and Documentation. WARC File Format (= ISO. 28500:2017). 2017. [Nachweis im GVK]
- Internet Archive: Wayback Machine. 2022. [online]
- Internet Archive: About the Internet Archive. Letzter Zugriff: 08.06.2023. [online]
- Lore Knapp: Christoph Schlingensiefs Blog. Multimediale Autofiktion im Künstlerblog. In: Ansgar Nünning / Jan Rupp (Hg.): Narrative Genres im Internet: Theoretische Bezugsrahmen, Mediengattungstypologie und Funktionen (= WVT Handbücher und Studien zur Medienkultur). Trier 2012, S. 117–132. [Nachweis im GVK]
- Lore Knapp: Künstlerblogs. Zum Einfluss der Digitalisierung auf literarische Schreibprozesse (Goetz, Schlingensief, Herrndorf). Berlin 2014. [Nachweis im GVK]
- Harun Maye / Matthias Bickenbach: Metapher Internet. Literarische Bildung und Surfen. Berlin 2009. [Nachweis im GVK]
- Patrick Sahle: Digitale Editionsformen: Zum Umgang mit der Überlieferung unter den Bedingungen des Medienwandels. 3 Bde. Norderstedt 2013. [Nachweis im GVK]
- Beat Suter: Archivability of Electronic Literature in Context. In: Peter Gendolla / Jörgen Schäfer (Hg.): Beyond the Screen. Bielefeld 2010, S. 443–464. [Nachweis im GVK]
- Abb. 1: Anzahl aktiver Blogposts von März 2010 bis September 2014, mit monatlichen Zeitschnitten. Jeder Balken zeigt die Anzahl aktiver Blogposts in einem Monat. [Knapp / Schlesinger / Blessing 2023]
- Abb. 2: Vier Screenshots des Blogs Ze zurrealism itzelf. Links und Mitte: Eingangsseite zu jeweils unterschiedlichen Zeitpunkten mit Unterschieden in Theme (Schrift, Bild) und Inhalt. Rechts: Zwei Versionen des gleichen Posts mit Unterschieden in Theme und Inhalt. [Zusammenstellung: Knapp / Schlesinger / Blessing 2023]
- Abb. 3: Die Webseite sophiamandelbaum.de im Internet Archive – Gesamtübersicht und ein Teil des Jahreskalenders 2013, Screenshot. [Screenshot: Knapp / Schlesinger / Blessing 2023]
- Abb. 4: Übersicht Rekonstruktionsprozess. Im oberen Teil wird dargestellt, wie die Daten aus dem Internet Archive in einer Verzeichnisstruktur abgelegt werden, hier am Beispiel von vier Crawls eines Posts zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Zweimal wurde die Einzelansicht des Posts gecrawlt, einmal ist der Post in einer RSS-Seite enthalten und einmal in einer Index-Übersicht. Im unteren Teil (getrennt durch die gestrichelte Linie) werden die Verarbeitungsschritte gezeigt, mit denen die Posts aus den unterschiedlichen HTML-Seiten extrahiert und mithilfe der erkannten Metadaten zu Fassungen des Blogs und zu Serien von Einzelposts zusammengestellt werden können. Die so strukturierten Daten werden dann von der Webanwendung entsprechend dargestellt. [Knapp / Schlesinger / Blessing 2023]
- Abb. 5: Fassungsübersicht. Listet zu jeder rekonstruierten Fassung das Datum, die Anzahl der Posts, die Quelle (RSS oder archive) und alle Post-IDs auf, Screenshot. [Knapp / Schlesinger / Blessing 2023]
- Abb. 6: Detailansicht einer rekonstruierten Fassung mit allen zugehörigen Posts und zugehörigen Metadaten, Screenshot und Annotation. [Knapp / Schlesinger / Blessing 2023]
- Abb. 7: Textgenese eines einzelnen Posts, Darstellung hier als zeitlich geordnete Serie von Textstufen bzw. Textfassungen mit zugehörigen Metadaten, Screenshot. [Knapp / Schlesinger / Blessing 2023]
- Abb. 8: Screenshot des Blogs Ze zurrealism itzelf, Eintrag vom 06.03.2010. [Buchzik 2010]