Alte Fragen, neue Methoden – Philologische und digitale Verfahren im Dialog. Ein Beitrag zum Forschungsdiskurs um Entsagung und Ironie bei Goethe

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Jan Horstmann Autoreninformationen
Rabea Kleymann Autoreninformationen

DOI: 10.17175/2019_007

Nachweis im OPAC der Herzog August Bibliothek: 1671687426

Erstveröffentlichung: 12.12.2019

Lizenz: Sofern nicht anders angegeben Creative Commons Lizenzvertrag

Medienlizenzen: Medienrechte liegen bei den Autoren

Letzte Überprüfung aller Verweise: 03.12.2019

GND-Verschlagwortung: Disziplin (Wissenschaft) | Literaturwissenschaft | Methodenkompetenz | Textanalyse |

Empfohlene Zitierweise: Jan Horstmann, Rabea Kleymann: Alte Fragen, neue Methoden – Philologische und digitale Verfahren im Dialog. Ein Beitrag zum Forschungsdiskurs um Entsagung und Ironie bei Goethe. In: Zeitschrift für digitale Geisteswissenschaften. Wolfenbüttel 2019. text/html Format. DOI: 10.17175/2019_007


Abstract

In der Diskussion um den Status der Digital Humanities (DH) als wissenschaftlicher Disziplin wird häufig die Möglichkeit der Rückvermittlung digitaler Techniken, Methoden und Theorien ins Feld geführt. Aber wie genau können digitale Methoden der Textanalyse den Brückenschlag in die traditionellere Literaturwissenschaft vollziehen? Und wie lassen sich umgekehrt theoretisch komplexe literaturwissenschaftliche Konzepte digital erforschen? Unser Artikel zeigt an einem konkreten Beispiel, wie durch eine Kombination von distant und close reading-Methoden im Zuge eines scalable reading die Diskussionen um Entsagung und Ironie in der Goetheforschung von Seiten der DH befördert und verbunden werden können.


In the discussion about the status of Digital Humanities (DH) as an academic discipline, possibilities to transfer digital technologies, methods, and theories back are often given. But how exactly can digital methods for text analysis leverage the bridging into more traditional literary studies? And how can theoretically complex literary concepts be investigated digitally? Based on a concrete example, our article shows how a scalable reading (as a combination of distant and close reading methods) in DH can promote the discussions on renunciation and irony in Goethe philology and connect the two.



1. Scalable reading für eine exemplarische Forschungsfrage

Impulse und anschlussfähige Resultate für die traditionelleren Philologien zu liefern, ist nach unserer Ansicht für die Digital Humanities (DH) aus mindestens zwei Gründen wichtig: aus strategischen, mehr noch aber aus methodologischen. Denn erst die produktive Rückvermittlung ihrer Erkenntnisse und Methoden in den Diskurs der traditionelleren Fachwissenschaften kann den Anspruch der DH auf Zugehörigkeit und Relevanz für die Geisteswissenschaften legitimieren. Unser Beitrag mit seinem exemplarischen Zugriff im Bereich der digitalen Literaturwissenschaft versteht sich als Versuch einer solchen Rückvermittlung digitaler Erkenntnisse in einen Diskurs, der in der traditionellen Goetheforschung geführt wurde und wird. Unsere exemplarische Diskussion der Vermittlungsfrage macht es dabei gegenüber einer rein theoretisch geführten möglich, die Erkenntnisse einerseits den nicht-digitalen Forschungsdisziplinen zugängig zu machen, andererseits das Erkenntnispotential der digitalen Methoden selbst zu reflektieren, und somit die Anschlussfähigkeit methodologischer Aufgabenstellungen der DH in der Binnen- wie in der Außenperspektive kritisch zu thematisieren.

Für rückvermittelbar halten wir insbesondere die Methode des scalable reading, da sie einen produktiven »Synthesisierungsversuch«[1] zwischen quantitativen und qualitativen Vorgehensweisen anbietet. Wir veranschaulichen, inwiefern im Sinne des grundlegenden Beitrags von Moretti[2] die beiden Merkmale Entsagung und Ironie zu Konzepten operationalisiert werden können. Der Artikel stellt einerseits die distant reading-Methoden Stilometrie und Topic Modeling und die Ergebnisse ihrer Anwendung vor. Andererseits präsentieren wir die Methode des close reading im Zuge einer kollaborativen Annotation anhand von Taxonomien (d. h. Tagsets) und Annotationsguidelines. Die Kombination von distant und close reading-Methoden[3] ist nicht nur in der DH-Lehre in literaturwissenschaftlichen Seminaren anschlussfähig, sondern liefert der literaturwissenschaftlichen Diskussion einerseits neue Impulse und überträgt andererseits die traditionellere Methode des Annotierens in die digitale Umgebung und macht diese quantifizierbar.

Die in unserem Beitrag exemplarisch untersuchte philologische[4] Problemstellung lässt sich wie folgt umreißen: Johann Wolfgang von Goethes umfangreiches Werk gilt aufgrund seiner Heterogenität in Bezug auf Themen und Gattungen als überaus mannigfaltig; einer Einordnung unter eine »durchgehende Idee«[5] scheint sich sein Lebenswerk entsprechend zu widersetzen. Dennoch hält die Suche nach kohärenten und kontinuierlichen Mustern in der Goetheforschung bis heute an. Vor diesem Hintergrund wird insbesondere Goethes Spätwerk häufig mit den Merkmalen Entsagung und Ironie assoziiert.[6]

Unser Artikel möchte darlegen, wie Entsagung und Ironie als theoretisch anspruchsvolle literaturwissenschaftliche Konzepte mit digitalen Methoden anhand der Primärtexte erforscht werden können. Im Unterschied zu anderen Vorgehensweisen des distant reading gehen wir dabei von den bereits in der traditionellen Forschung etablierten literarischen Kategorien und deren Diskussionen aus. Damit siedelt sich dieser Beitrag an genau der Vermittlerstelle zwischen klassischer Fachwissenschaft und digitaler Methode an, die beispielsweise Sahle[7] in seiner Konzeptionierung der DH hervorhebt: Zunächst erfahren die drei diskutierten digitalen Methoden mit Bezug auf das literaturwissenschaftliche Erkenntnisinteresse eine kritische Reflektion; gleichzeitig tragen wir aber auch zum literaturwissenschaftlichen Diskurs selbst bei, indem wir den Weg hin zu einer Klärung des Verhältnisses der beiden behandelten Merkmale ebnen und damit ein Desiderat in der Goetheforschung adressieren.

Über Entsagung und Ironie wird in der Goetheforschung jeweils uneinheitlich gesprochen als Kategorien, Konzepte, Dimensionen, Ordnungsstrategien, Merkmale, Phänomene etc. Der erste Schritt zu einer digitalen Modellierung ist eine konsistente Sprachregelung, weshalb wir im Folgenden einerseits von Ironie und Entsagung als (Beschreibungs-)Merkmalen sprechen werden, andererseits (und in diesem Fall typographisch markiert durch Kursivierung) von Ironie und Entsagung als zu operationalisierenden Konzepten. Unter einem zu operationalisierenden Konzept verstehen wir dabei eine synthetische Einheit von Merkmalen in systematischer Form. Der zweite Schritt wird dann eine genauere Definition dieser Konzepte im Zuge der digitalen Annotation sein. An dem im ersten Teil vorgestellten Fallbeispiel stellen wir somit im zweiten Teil zwei Vorschläge einer quantitativen und einen Vorschlag zur qualitativen Operationalisierung im Zuge eines scalable reading-Zugangs zur Diskussion.

2. Entsagung und Ironie als Periodisierungsmerkmale in der Goetheforschung – Ein Fallbeispiel

Den Ausgangspunkt unserer exemplarischen Untersuchung bildet die in der Goetheforschung virulente Diskussion um die Poetik des Goetheschen Spätwerks, die häufig mit den Merkmalen Entsagung und Ironie assoziiert wird. Entsagung und Ironie sind laut der Goetheforschung spezifisch für das Spätwerk und grenzen es von anderen Werkphasen, zum Beispiel dem Frühwerk, ab. Insbesondere mit Blick auf Goethes Spätwerk gewinnen Entsagung und Ironie der Goetheforschung zufolge an Relevanz, weil sie nicht einfach eine von außen herangetragene Beschreibungskategorie, sondern eine poetische Qualität darstellen, die in der Struktur einer literarischen Arbeit selbst zum Tragen kommt.[8]

Dabei sind Entsagung und Ironie von Goethe selbst verwendete Begriffe, die er im Zusammenhang des Spätwerks erwähnt. Die Goetheforschung hat diese Begriffe aus Goethes Schriften und Äußerungen übernommen und wendet diese dann wiederum zur Erklärung eben dieser Schriften an. Hamacher konstatiert daher, dass die »Neuere deutsche Literaturwissenschaft, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus der Goethe-Philologie entstanden war, [...] sich ihre Begriffe und Methoden über viele Jahrzehnte wesentlich von ihrem Autor vorgeben [ließ].«[9]

Daraus folge die »Vermischung von Objekt- und Analyseebene, [welche nicht nur] die Entwicklung einer begrifflichen Metasprache in vielen Fällen«[10] verhindert habe, sondern auch unzureichend aufgearbeitet worden sei.[11] Im Sinne eines praxeologischen Verständnisses, wie Martus / Spoerhase es beschreiben, lassen sich an den Merkmalen Entsagung und Ironie Verfahrensroutinen und Praktiken der Goetheforschung beobachten. Unter »Praxeologie der Literaturwissenschaft«[12] werden »Praxisformen des Textumgangs, der Begriffsbildung, der Themenfindung, der Wissensordnung, der Validierung und Darstellung von Wissensansprüchen, die den literaturwissenschaftlichen Disziplinen ihr spezifisches Gepräge verleihen«[13] verstanden. Die unten in den Abschnitten 2.2 und 2.3 versammelten »praxeologischen Rekonstruktionen«[14] der Periodisierung in Werkphasen anhand der Merkmale Entsagung und Ironie, in denen sich spezifische Praktiken und Routinen der Goetheforschung sedimentieren, werden folglich exemplarisch für Möglichkeiten von philologischen Vorgehensweisen begriffen. Die poetische Eigengesetzlichkeit von Goethes Spätwerk liefert dabei ein philologisches Fallbeispiel. Es dient im Zusammenhang unserer Überlegung als »Reflexionsmedium und als Demonstrationsobjekt«[15] für die Erörterung der Rahmenbedingungen eines produktiven Dialogs zwischen Philologie und den DH.

2.1 Periodisierung in Werkphasen

Zu den Grundbegriffen der Literaturgeschichte gehört die Periodisierung als ein »literarisches Einteilungsprinzip«[16], die im Kontext von Überlegungen zum Epochenbegriff auftaucht. Häufig wird daher in der Literaturgeschichte von einer »Periodisierung in Epochen«[17] gesprochen. Darunter wird die Zerlegung eines literarischen »Gesamtzeitraums«[18] in sukzessive Phasen mit einem distinguierenden Merkmal verstanden. Im Unterschied zu synchronen Gliederungsprinzipien, wie sie zum Beispiel Gattungen darstellen, stellt die Periodisierung eine diachrone Betrachtungsweise dar.[19] Mit Blick auf unsere Untersuchungsfrage verstehen wir Periodisierung im Folgenden als Zerlegung des Gesamtwerks in sukzessive Werkphasen, wobei eine Werkphase eine Gruppe von Einzelwerken[20] umfasst.

Von der Krise und der erneuten Wiederaufnahme des Werkbegriffs seit den 1970er-Jahren scheinbar unberührt, wird der Werkbegriff in der Goetheforschung – analog zu Goethes eigener Verwendung – in der Bedeutungsdimension des Gesamtwerks gebraucht.[21] »Das Gesamtwerk«, so Martus, sei eine »von der Werkphase und vom Einzelwerk aktivierbare größere Bezugseinheit, die gegebenenfalls das ›Verstandenwerden‹ des einbezogenen Textes begünstigt.«[22] Eigentümlich sei bei Goethe, Martus zufolge, »dass gerade seine so disparaten Einzelwerke und die so divergenten Richtungen seiner Produktivität das Einheitsverlangen der Leser auf eine außerordentliche Art und Weise stimuliert haben.«[23] In den zahlreichen Periodisierungsversuchen in der Goetheforschung von den Anfängen im 19. Jahrhundert bis zu zeitgenössischen Deutungsansätzen artikuliert sich dieses Einheitsverlangen.

Trotz ihrer ubiquitären Verwendung in der literaturwissenschaftlichen Forschung bleiben die Begriffe ›Werkphase‹ bzw. ›Schaffensperiode‹ gegenüber dem Werkbegriff jedoch unterbestimmt.[24] Besonders dominant ist die Unterscheidung zwischen Früh- und Spätwerk.[25] Analog zur literaturgeschichtlichen Kategorie der Epoche, wie sie Titzmann beschreibt, können Werkphasen als »theoretische Konstrukte« begriffen werden, die einen »Teil-Zeitraum«[26] im Goetheschen Gesamtwerk beschreiben. Insofern stellen Werkphasen wie Epochen »Produkte von Periodisierungs-Hypothesen« dar, durch die das Gesamtwerk in Teil-Zeiträume aufgelöst wird. Die »Werkphase« ist eine »Abstraktion von den individuellen Besonderheiten der Phänomene eines Teil-Zeitraums, die bestimmte ihrer Merkmale/Strukturen als ›typisch‹ bzw. ›spezifisch‹ setzt.«[27] Die Merkmale, die als Tertium Comparationis eingesetzt werden, spiegeln dabei die jeweiligen Forschungsinteressen und deren methodologische Ausrichtung, die an Goethes Werk herangetragen werden, wider. Folglich bilden die Werkphasen keine bestehenden Einheiten im Gesamtwerk ab, sondern sind immer schon Folge eines Ausdifferenzierungsprozesses mit performativer Kraft, bei dem die Kopplung einer Werkphase mit einem distinguierenden Merkmal überhaupt erst erzeugt wird.[28] Mit Blick auf die Goetheforschung zeigt sich, dass nicht nur die Teil-Zeiträume, in die das Gesamtwerk zerlegt wird, tendenziell zunehmen, sondern auch die Distinktionsmerkmale, welche die Zerlegung regulieren, sich verändern.

Zunächst kann die Einteilung von Werkphasen anhand von übergeordneten Epochenbegriffen (wie z. B. Sturm und Drang, Weimarer Klassik) oder Goethes Biographie angeführt werden.[29] Das im 19. Jahrhundert vorherrschende »Synthesemodell der deutschen Klassik«[30] sowie das sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts durchsetzende »dreiteilige pyramidale Modell«[31], das Goethes Werk »in die Werther-Stufe (›das Gefühl des Alls im Einmaligen‹), die italienische Meister-Stufe (›Anschauung des Allgemeinen in der besonderen Gestalt‹), und das Spätwerk (›der Gedanke des Gesetzes über allem Einzelnen‹)«[32] gliedert, stehen dafür stellvertretend. In neuerer Zeit stellt unter anderem Sengle ein viergliedriges Modell auf Basis von Epochenbegriffen vor: Der junge Goethe, Goethes frühe Weimarer Zeit (1775–1786), Goethe im Zeitalter der Hochklassik und Frühromantik (1789–1805) sowie Der alte Goethe.[33] Im Zuge der Herausgabe der Gesamtausgabe der Münchner Ausgabe im Carl Hanser Verlag werden vor allem gattungsspezifische Distinktionsmerkmale zur Periodisierung in Werkphasen diskutiert.[34] Sich sowohl den chronologischen als auch gattungsbezogenen Parametern entziehend, stellt Hamacher die Topographie als Distinktionsmerkmal von Werkphasen vor. Eine Zerlegung des Gesamtswerks nach »Ortswechseln« erscheine »nahezu zwingend«, da jedem »dieser Orte spezifische überindividuelle, allgemein kulturgeschichtliche Charakteristika«[35] zugeordnet werden können.

Neben den epochenspezifischen, biographischen, gattungsbezogenen sowie topographischen treten auch Entsagung und Ironie als Distinktionsmerkmale in der Goetheforschung auf. Oszillierend zwischen Objekt- und Analyseebene nehmen sie einen besonderen Stellenwert ein und werden daher im Folgenden näher beschrieben.

2.2 Goethes Entsagung im Spiegel der Forschung

Der folgende Abschnitt stellt in exemplarischer Form Entsagung als ein periodisierendes Distinktionsmerkmal vor, das aus Goethes eigenen Äußerungen und Schriften heraus entwickelt wurde. Zunächst widmen wir uns Goethes Äußerungen zur Entsagung, die insbesondere im 16. Buch von Dichtung und Wahrheit zu finden sind. Anschließend werden wir die Verwendung des Merkmals in der Goetheforschung rekonstruieren.

In der autobiographischen Schrift Dichtung und Wahrheit verortet Goethe nachträglich seine Begegnung mit der Vorstellung der Entsagung und Mäßigung im Rahmen seiner Rezeption von Baruch von Spinozas Werk Die Ethik nach geometrischer Methode dargestellt (1677). Wie Zumbusch betont, »deutet Goethe diese erste Begegnung als ›Vorahndungen‹ von etwas, was ihm künftig deutlicher werden sollte«.[36] Im dritten Teil der Ethik stellt Spinoza nicht nur Ursprung und Ursache der »Natur der Affekte«[37] vor, sondern auch, »was […] der Geist [zu tun] vermag, nämlich sie [die Affekte] zu mäßigen [...]«.[38] Aus dieser Stimmung heraus spricht Goethe dann der Entsagung zugleich eine universale Geltung zu:

»Unser physisches sowohl als geselliges Leben, Sitten, Gewohnheiten, Weltklugheit, Philosophie, Religion, ja so manches zufällige Ereignis, alles ruft uns zu, dass wir entsagen sollen. So manches, was uns innerlich eigenst angehört, sollen wir nicht nach außen hervorbilden, was wir von außen zu Ergänzung unsres Wesens bedürfen, wird uns entzogen, dagegen aber so vieles aufgedrungen, das uns so fremd als lästig ist.«[39]

Goethe entwirft hier, wie Gamm betont, Entsagung »vornehmlich [als] die Anerkennung der Bedingtheit des Lebens.«[40] Laut Goethe ist es unerlässlich, das individuelle Streben zugunsten eines höheren Gemeinwohls einzuschränken. So muss der Einzelne lernen, wie Zumbusch über Goethes Entsagungsprogramm notiert, »seine Bedürfnisse und Leidenschaften in der Gegenwart selbst zu beschränken, als in der Zukunft ohnmächtig Verluste zu erleiden.«[41] Der Begriff Entsagung ist von den Anfängen in Weimar ab 1775 über die naturwissenschaftlichen Studien bis hin zur Vollendung des zweiten Teil von Faust (1832) in Goethes literarischem Werk präsent. Das Goethe-Wörterbuch listet insgesamt 23 Textbelege der Erwähnung mit Ausnahme des Spätwerks Wilhelm Meisters Wanderjahre oder die Entsagenden (1829).[42] Der Begriff Entsagung wird gegliedert in drei Unterbegriffe: Rücktritt, Überwindung und Verzicht.[43]

Was leistet also das Merkmal Entsagung für die Periodisierung von Goethes Gesamtwerk und vice versa? Wir können festhalten, dass die Goetheforschung die Entsagungsthematik aufgreift, um diese für die Lektüre von Goethes Werken fruchtbar zu machen. Die Relevanz des Merkmals für die Periodisierung besteht nun darin, dass es in der Goetheforschung zum einen verwendet wird, um eine größere thematische Einheit hervorzubringen, welche die Heterogenität und Mannigfaltigkeit der Einzelwerke von den frühen Werken bis zum zweiten Teil von Faust als ein Ganzes begreift. Das Gesamtwerk kann so im Sinne Aristoteles’ als ein »substantielles Ganzes« begriffen werden, »dessen Teile von sich her, durch ein sie umgreifendes Einheitsprinzip, verbunden sind.«[44] Innerhalb der Goetheforschung leistet das Entsagungsmerkmal einen Beitrag zur Vereinheitlichung von verschiedenen Lektüren und bietet zugleich einen gemeinsamen Kommunikationsrahmen. Zum anderen dient das Merkmal der Entsagung auch als Vergleichsgröße bzw. als Tertium Comparationis, um Differenzen sichtbar zu machen. Der angenommene Differenzierungsgrad der Entsagung in den Primärtexten von einem thematischen Motiv hin zu einer ethischen Haltung, die sich ästhetisch artikuliert, bildet die Begründung dafür, einzelne Werke als eine Gruppe anzusehen.

Dementsprechend geht Held von zwei Entwicklungsstufen des Entsagungsprogramms aus: »Versteht man die Entsagung als Verzicht auf erotisch-verstandene Liebeserfüllung, so wird man sie bei Goethe früher angelegt finden als etwa in dem Verständnis einer ausgereiften, übergreifenden Lebenshaltung.«[45] Hinderer erklärt, dass Goethe bereits im Werther (1775) wie auch im Torquato Tasso (1790) die Diskrepanz zwischen den individuellen Bedürfnissen des Einzelnen und der gesellschaftlichen Verpflichtung darstelle: »Wie im Tasso stehen auch im Werther emotionale Werte (Herz, Seelenadel, Gefühl) gegen gesellschaftlich sanktionierte Verhaltensnormen (im Werther sind es solche des Bürgertums, im Tasso solche des Adels).«[46] Zumbusch betont mit Verweis auf Görner, dass »Goethes Vorstellung von der Entsagung [...] die mit dem Sturm und Drang assoziierte prometheische Absolutsetzung des Selbst ab[löst] und [...] den Beginn seiner klassischen Phase [markiert].«[47] Henkel verwendet das Konzept der Entsagung dann explizit zur Beschreibung von Goethes Altersstil und spricht von einer »entsagenden Poesie«.[48] Neben Henkels eher handlungs- und figurenspezifischen Zugang tritt ferner eine darstellungsästhetische Perspektivierung.[49] Das Merkmal der Entsagung wird hier von der Goetheforschung verwendet, um auf spezifische Besonderheiten der ästhetischen Struktur seiner Texte hinzuweisen, wie zum Beispiel die Pluralität von Erzählfiguren, Gattungswechsel etc.

Entsagung wird also als ein sich im Gesamtwerk entfaltendes literarisches Merkmal verstanden, das sich sowohl thematisch-motivisch als konkretes Verzichten auf der Handlungsebene als auch darstellungsästhetisch als Lebensethik auf der Diskursebene niederschlägt. So konstruiert die Goetheforschung mittels des Merkmals Entsagung erstens einen von den frühen Schriften bis zum zweiten Teil von Faust übergreifenden Zusammenhang zwischen den einzelnen Werken und den Werkphasen.[50] Zweitens dient Entsagung als distinguierendes Merkmal, das einzelne Werke oder eine Gruppe von Werken von anderen abgrenzt und diese zeitlich verortet.

2.3 Ironie als Beschreibungsmerkmal für Goethes Spätwerk

Im Unterschied zur Entsagung taucht das Beschreibungsmerkmal der Ironie bzw. die Attribution ironisch vor allem im Kontext der Beschreibung des Spätwerks auf. Im Vorwort zur Farbenlehre (1810) äußert sich Goethe über die Ironie wie folgt:

»Denn das bloße Anblicken einer Sache kann uns nicht fördern. Jedes Ansehen geht über in ein Betrachten, jedes Betrachten in ein Sinnen, jedes Sinnen in ein Verknüpfen, und so kann man sagen, dass wir schon bei jedem aufmerksamen Blick in die Welt theoretisieren. Dieses aber mit Bewußtsein, mit Selbstkenntnis, mit Freiheit, und um uns eines gewagten Wortes zu bedienen, mit Ironie zu tun und vorzunehmen, eine solche Gewandtheit ist nöthig, wenn die Abstraktion, vor der wir uns fürchten, unschädlich, und das Erfahrungsresultat, das wir hoffen, recht lebendig und nützlich werden soll.«[51]

Vor dem Hintergrund seiner Kritik an der naturwissenschaftlichen Abstraktion schreibt Goethe der Ironie eine erkenntnisfördernde Funktion zu, indem diese zwischen der Erfahrung und dem Verstand vermittelt. Genauer gesagt, befördert die Ironie einen Schwebezustand zwischen einer endgültigen begrifflichen Fixierung (dem Allgemeinen) und der konkreten einzelnen Anschauung (dem Besonderen). So bereitet die Ironie bei Goethe einen Zugang zum Verständnis der Welt. In Dichtung und Wahrheit erklärt Goethe: »[E]igentlich fühlte ich mich aber in Übereinstimmung mit jener ironischen Gesinnung, die sich über die Gegenstände, über Glück und Unglück, Gutes und Böses, Tod und Leben erhebt, und so zum Besitz einer wahrhaft poetischen Welt gelangt.«[52] Unter einer Gesinnung fasst das Goethe-Wörterbuch unter anderem eine »Geistes-, Denkungs-, Sinnesart.«[53] Anknüpfend kann Ironie als eine Positionierung bzw. Verortung zur Welt beschrieben werden, die zugleich eine Schreib- und Erzählhaltung impliziert.

In der Goetheforschung herrscht sowohl Uneindeutigkeit darüber, was unter Ironie zu verstehen ist, als auch über die ästhetischen Formen, in denen sich Goethes ironische Gesinnung artikuliert. Honnef-Becker erklärt, dass der Ironiebegriff häufig verwendet wird, um eine »zu untersuchende Form unter einen vagen Oberbegriff zu subsumieren. […] Der Begriff ist derartig ausgehöhlt, daß die Kennzeichnung eines Textes mit dem Attribut ›ironisch‹ eher Verwirrung stiftet als zur Erkenntnis beiträgt.«[54] Daher schlägt Honnef-Becker einen systematischen Zugang vor, der zwischen »Ironie als Kommentierung [...], wobei Parallelen zur alltagssprachlichen Verwendung offensichtlich sind« und »Ironie als Verweis, von der romantischen Konzeption beeinflußt [...]«[55] unterscheidet. Diese Zweiteilung hat sich in der Goetheforschung bislang jedoch nicht durchgesetzt.

Die Goetheforschung verwendet das Merkmal der Ironie in Abgrenzung zur sogenannten romantischen Ironie.[56] Ausgangspunkt ist dabei der Aufsatz Über Goethes Meister (1798) von Friedrich Schlegel, in dem dieser Wilhelm Meisters Lehrjahre unter dem Aspekt der romantischen Ironie liest:

»Man lasse sich […] dadurch, daß der Dichter selbst die Personen und die Begebenheiten so leicht und so launig zu nehmen, den Helden fast nie ohne Ironie zu erwähnen, und auf sein Meisterwerk selbst von der Höhe seines Geistes herabzulächeln scheint, nicht täuschen, als sei es ihm nicht der heiligste Ernst.«[57]

Ebenso beschäftigt Kierkegaard sich in seiner Dissertation zur Ironie unter anderem bereits mit Goethe. Anders als Schlegel bescheinigt jener Goethe aber eine »beherrschte Ironie«[58] und kontrastiert diese mit der Ironie der Romantiker. Ausgehend vom Vergleich zwischen romantischer oder goethescher Ironie bezeichnet Trunz die Ironie schließlich als »Gestaltungsgesetz« der Wanderjahre.[59] Hass hingegen betont die »Ironiestruktur« der Lehrjahre und macht zugleich eine gattungsspezfische Beobachtung: Es sei der Gattung Entwicklungsroman »von Anfang her ein gewisser ironischer Umgang mit dem Helden eigentümlich«. Dahingegen sei »die Form der direkten Ironie, d. h. der unmittelbar zu durchschauenden Verstellung der Rede, höchst selten«.[60]

Die Herausbildung von Ironie als Beschreibungsmerkmal insbesondere für das Spätwerk geht vor allem auf Bahrs Monographie zurück, zu Beginn derer er direkt konstatiert: »Über Goethes Spätwerk kann man heute nicht mehr schreiben, ohne das Wort Ironie zu nennen.«[61] Unter den Begriff Spätwerk fasst er den West-östlichen Divan, die Wanderjahre und den zweiten Teil von Faust. Bahrs Ironieverständnis wiederum geht laut eigener Aussage auf dasjenige der literarischen Rhetorik Lausbergs zurück.[62] Mit Bezug auf Goethes Bezeichnung der Faust-Dichtung als »sehr ernste[…] Scherze«[63] schreibt Bahr: »Es geht […] nicht nur um das Paradox von Ernst- und Scherzhaftigkeit, sondern darum, daß eine Tragödie als ›Scherz‹, und dieser ›Scherz‹ wiederum als ›sehr ernst‹ bezeichnet werden«. Auch Bahr definiert wie Trunz Ironie als »das Darstellungsprinzip der indirekten Aussage, das so typisch ist für Goethes Altersstil.«[64] Spricht schon Schlegel in seinem Aufsatz zu Wilhelm Meisters Lehrjahren von der »Ironie, die über dem ganzen Werke schwebt«,[65] stellt Bahr einen ähnlichen Zusammenhang her: »Das Motiv der Schwebe ist von höchster Bedeutung für Goethes Dichtung, und die Ironie ist seine ›Lieblingsform‹, weil sie den Zustand der Schwebe herstellt.«[66] Zusätzlich weist Bahr die Ironie auf der Textoberfläche nach, indem er einige Oxymora anführt: »›häßlich-wunderbar‹, ›dunkel-hell‹, ›zart-kräftig‹, ›ernst-freundlich‹, ›geeinte Zwienatur‹, ›tätige Weile‹, ›kluge Torheit‹, ›schweres Leichtgewicht‹, ›Rachesegen‹, ›Wechseldauer‹«, wie auch im häufigen Auftreten der Kombination »Scherz und Ernst« bzw. »Spiel und Ernst«,[67] zu deren Auftreten im Gesamtwerk Goethes Bahr im Anhang seiner Monographie eine Liste von Belegen liefert.[68]

Tendenziell wird das Merkmal Ironie im Spätwerk vor allem in narratologisch ausgerichteten Untersuchungen behandelt. Dabei ist es häufig die Erzählhaltung, die als ironisch beschrieben wird.[69] Beispielsweise Koschorke charakterisiert das »Mehr-Wissen des Erzählers«[70] und des (impliziten) Lesers als ein »ironische[s] Verhältnis«.[71] Schmidt weist ferner die Ironie als »Mittel der Distanzierung und als Methode schöpferischen Offenhaltens«[72] in den Figuren-Konstellation der Lehrjahre nach. Darüber hinaus wird Ironie in Bezug zur Allegorie[73] und zum Mythos[74] gesetzt.

Ironie, so lässt sich resümieren, kann als Gesinnung oder Haltung des späten Goethes beschrieben werden. Die Goetheforschung, insbesondere Bahrs Ansatz, rekonstruiert Goethes Ironie als Merkmal auf der sprachlichen, motivischen sowie narratologischen Ebene. Im Unterschied zur Entsagung scheint das Merkmal Ironie eher der Beschreibung des Spätwerks zu dienen.

2.4 Funktion und Relevanz der Periodisierung in Werkphasen und Grade der Ausprägung von Entsagung und Ironie

Die Periodisierungsversuche ebenso wie die Rekurrenz auf die Merkmale weisen beispielhaft auf Verfahrensroutinen und deren heuristische Funktion in der Literaturwissenschaft hin. Dabei hat die forschungsgeschichtliche Betrachtung der Periodisierung in Werkphasen gezeigt, dass Goethes Gesamtwerk im Zuge einer immer weiteren Ausdifferenzierung sowie dem Aufkommen verschiedener turns in kleinere Teil-Zeiträume zerlegt wird. Mit der Einteilung des Gesamtwerks in chronologische Werkphasen wird ein lineares Zeitverständnis angenommen und zugleich konstruiert. Die Mannigfaltigkeit und Disparatheit der Einzelwerke wird mittels der Werkphasen auf eine sukzessiv verlaufende Achse projiziert. Das Werkphasen-Modell hat daher eine immanent suggestive Wirkung, in dem es einen kontinuierlichen Schaffensprozess impliziert.

Entsagung und Ironie sind Beschreibungsmerkmale der Goetheforschung, die für die Untersuchung von Goethes Werk benutzt werden. Sie bezeichnen Vergleichsgrößen, die es erlauben, Ähnlichkeiten und Differenzen von Einzelwerken aufzuzeigen. Während Entsagung als sich entwickelndes literarisches Phänomen bei Goethe betrachtet wird, wird Ironie vornehmlich dem Spätwerk, vor allem den Wanderjahren, zugeschrieben. Von einer rein motivischen Verwendung entfaltet sich Entsagung zu einer Lebensethik.[75] Der Wilhelm Meister-Komplex übernimmt zugleich eine wesentliche Rolle in der Periodisierung, da häufig durch den Vergleich der Lehrjahre (1795) mit den Wanderjahren (1829) die Grenze zum Spätwerk gezogen wird. Mit besonderem Blick auf das Spätwerk zeigt sich, dass die Goetheforschung mit den Beschreibungsmerkmalen zwei unterschiedliche Vorstellungen von Haltungen in den Primärtexten adressiert. Wie verhalten sich die Beschreibungsmerkmale zueinander? Besteht eine Diskrepanz zwischen den analytischen Beschreibungsmerkmalen der Goetheforschung und den Textbefunden? Inwiefern die entsagende Haltung und ironische Gesinnung miteinander konfligieren oder sich gegenseitig voraussetzen, ist noch nicht systematisch untersucht worden. Es schließen sich drei Fragen an, die das Bedingungsverhältnis von Entsagung und Ironie in Goethes Texten näher beleuchten können:

  • Korrelation: Inwiefern weisen die Textstellen, die im weitesten Sinne Entsagung thematisieren (inhaltlich wie ästhetisch), auch Merkmale einer ironischen Gesinnung auf?
  • Distribution: Inwiefern können die Merkmale Entsagung und Ironie über kanonisierte Texte hinaus in anderen Texten gefunden werden? Was bedeutet diese Ausweitung für die Periodisierung in Werkphasen?
  • Genese eines Merkmals: Entfaltet sich Entsagung über das gesamte Werk? Ist Goethe wirklich nur im Spätwerk ironisch?

3. Von Zahlen zur Bedeutung? Korpusexploration mit Methoden des distant reading

In der Diskussion um den Status der DH als Hilfswissenschaft oder eigenständiger Disziplin wird häufig die vermeintliche Diskrepanz zwischen qualitativ-hermeneutischen und quantitativ-statistischen Methoden diskutiert. Trilcke / Fischer definieren drei Operationalisierungsszenarien im Spannungsfeld dieser vermeintlichen Diskrepanz von möglicher, partiell möglicher und unmöglicher Überbrückung.[76] Wir wollen die Hypothese aufstellen, dass die DH-Analyse der Ausprägung von Entsagung und Ironie als Merkmale bei Goethe eine Operationalisierung der Konzepte voraussetzt und dies entweder dem dritten Szenario (der unmöglichen Operationalisierung) oder dem zweiten Szenario zuzuordnen ist, bei dem eine »partielle Operationalisierung geisteswissenschaftlicher Begriffe etc.« möglich ist. Operationalisierung beschreibt dabei mit Moretti den Prozess, komplexe Konzepte in eine Folge von Operationen zu transformieren und sie im Umkehrschluss messbar zu machen.[77] Um unsere Hypothese zu validieren, schlagen wir drei mögliche Operationalisierungen vor: Stilometrie und Topic Modeling als quantitative distant reading-Methoden, welche ausgewählte Textdaten analysieren, und die Herstellung von qualitativen Metadaten im Zuge einer digitalen Annotation beim close reading, die anschließend ebenfalls quantitativ ausgewertet werden können.

Während die Goethe-Forschung die Konzepte Entsagung und Ironie in einer Vielzahl von dezidierten Einzelanalysen[78] kanonisierter Texte und deren analoger Setzung zu anderen Texten erarbeitet und isoliert voneinander präzisiert hat, wird mit dem Einzug von distant reading-Methoden[79] ein anderer Zugriff auf die Genese von literarischen Konzepten möglich. Ein solcher Ansatz, der ein größeres Korpus der literarischen Werke Goethes zur Grundlage hat, ist bislang in der Forschung in Bezug auf Entsagung oder Ironie nicht erprobt worden. Das epistemische Potential der distant reading-Methoden liegt dabei neben der Exploration weiterer Texte in der Validierung bestehender Zuschreibungen. Wir haben daher ein digitales Korpus aus 60 fiktionalen Prosa- und Dramentexten (und Fragmenten dieser beiden Gattungen) Goethes zusammengestellt und untersucht.[80] Da Entsagung und Ironie in Goethes Texten sowohl inhaltlich als auch ästhetisch-strukturell ausgeprägt sind, scheinen als digitale Methoden im Bereich des distant reading vor allem das Topic Modeling und die Stilometrie erfolgversprechend, um die beiden Merkmale im Korpus partiell messbar, das heißt operationalisierbar zu machen und eben nicht nur anhand von Einzeltexten zu konturieren.

3.1 Operationalisierung 1: Stilometrische Analyse

Die digitale Stilometrie vergleicht Texte auf Grundlage statistischer Verteilungen (in der Regel der häufigsten Wörter) stilistisch miteinander. Autorschaftsattributionen, Genreklassifikationen, Epochendifferenzierungen oder auch die forensische Linguistik sind Anwendungsbereiche der Stilometrie.[81] In der Analyse des Goethekorpus ist folglich damit zu rechnen, dass die Gattungsdifferenz zwischen Epik, ›episch‹-prosaischen Texten und Dramen eine Auswirkung haben wird. Die stilometrische Untersuchung des Korpus mithilfe des stylo-Packages[82] in der statistischen Programmiersprache R[83] brachte zwei wesentliche Ergebnisse: Erstens scheinen die in der Forschung in Hinblick auf Entsagung oder Ironie behandelten Werke häufig auch eine stilistische Ähnlichkeit aufzuweisen und zweitens finden sich im Korpus zwei in der Forschung bislang vernachlässigte Texte, die hochfrequent zusammen mit diesen bekannten Texten clustern.

(1) Die in stylo wählbaren unterschiedlichen Einstellungen zur Menge von most frequent words (MFW), zu statistischen Berechnungen (z. B. die Cluster-Analyse oder die iterative und kombinierte Berechnung mit steigenden MFW für den Bootstrap Consensus Tree) und zu unterschiedlichen Distanzmaßen (z. B. Classic Delta, Manhattan Delta oder Euclidean Distance) führten trotz der variablen Parametrisierung zu teilweise sehr vergleichbaren und damit als verlässlich bewertbaren Ergebnissen. Da in einer stilometrischen Analyse Gattungsdifferenzen erkannt werden können und Goethe zwei Epen (Hermann und Dorothea, 1797, und Reineke Fuchs, 1800) und ein Epenfragment (Achilleïs, 1799) geschrieben hat, interpretieren wir eine Einstellung jeweils als für unser Korpus angemessen, wenn diese drei Epentexte miteinander clustern. Einstellungen, bei denen dieses Resultat nicht erzielt werden kann (so fällt der Text Reineke Fuchs z. B. häufig aus dem Epencluster heraus), bewerten wir als weniger aussagekräftig. Es zeigt sich, dass letzteres besonders häufig mit dem euklidischen Distanzmaß der Fall ist oder wenn die Consensus Strength über 0,6 beträgt.[84] Die strengsten aber dennoch laut diesem Bewertungskriterium funktionalen Einstellungen sind demnach eine Consensus Strength von 0,6, eine Betrachtung der MFW von 100–1000 und ein Culling[85] von 0–80 % mit dem Distanzmaß Classic Delta (vgl. Abbildung 1).

Abb. 1: Bootstrap Consensus Tree des
                                    Goethekorpus (100–1000 MFW, Culled @ 0–80 %, Classic Delta
                                    Distance, Consensus 0,6). [Horstmann / Kleymann 2019]
Abb. 1: Bootstrap Consensus Tree des Goethekorpus (100–1000 MFW, Culled @ 0–80 %, Classic Delta Distance, Consensus 0,6). [Horstmann / Kleymann 2019]

Die stilometrischen Untersuchungen zeigen außerdem ein Cluster derjenigen Prosatexte, die in der Goetheforschung bereits in Hinblick auf Entsagung oder Ironie besprochen wurden. Anders ausgedrückt: Die – im Sinne der Stilometrie – stilistisch vergleichbaren Texte wurden in der traditionelleren Forschung als solche ausgewiesen, die in Hinblick auf Entsagung und Ironie als merkmalshaft gelten. Stilometrische und hermeneutische Analyse korrespondieren, und es ist demnach zumindest nicht auszuschließen, dass Entsagung und / oder Ironie bei Goethe (auch) sich in den häufigsten Wörtern seiner Texte niederschlagende Merkmale sind.

(2) Das genannte Cluster kanonisierter Prosatexte (das aber nur Erzähltexte in der dritten Person und beispielsweise nicht den Briefroman Die Leiden des jungen Werthers (1774) enthält) entsteht in allen getesteten Einstellungen. In diesem Cluster tauchen aber zudem die verhältnismäßig unbekannte Kalendergeschichte Die guten Weiber (1801) in sämtlichen Einstellungen und der fragmentarische Roman Die Reise der Söhne Megaprazons (1792) hochfrequent auf. Die beiden Texte fanden in der Goetheforschung bislang nur vereinzelt Aufmerksamkeit, wobei die Texte weder mit Entsagung noch mit Ironie in Verbindung gebracht wurden,[86] und auch dezidierte Beiträge zu Entsagung oder Ironie beschäftigen sich nicht mit diesen Texten. Zumindest in stilometrischer Hinsicht sind sie jedoch stilistisch mit den bekannteren Werken zu vergleichen und sollten auf Grundlage dieses Befundes genauer betrachtet werden. In diesem Zusammenhang ist zu erinnern an Morettis Kritik an den Kanonisierungseffekten und der »oft unbedachte[n] Formulierung weitreichender Thesen aus einzelnen Lektüren heraus [...]«.[87]

3.2 Operationalisierung 2: Topic Modeling

Topic Modeling ist ein unüberwachtes probabilistisches Verfahren, das statistische Modelle (sogenannte Topics) zur Abbildung häufiger gemeinsamer Vorkommnisse von Wörtern erzeugt. Daher ist ein Topic Modeling – auch wenn die wählbaren Parameter gleich eingestellt werden – nicht eins zu eins reproduzierbar, wenn auch eine große Ähnlichkeit unter den entstehenden Topics zu erkennen ist. Im Gegensatz zur Stilometrie macht das Verfahren Gebrauch von einer sogenannten Stoppwortliste,[88] die für gewöhnlich die in der stilometrischen Analyse ausschlaggebenden MFW enthält. Nach jedem vollständigen Durchlauf erweitert man die Stoppwortliste um diejenigen Wörter, die in den resultierenden Topics auftauchen, jedoch für die eigene Fragestellung keinen Erkenntnismehrwert bringen.[89] Das Topic Modeling des Goethekorpus haben wir ebenfalls in R durchgeführt und dafür das mallet-Package[90] verwendet. Orientiert haben wir uns an dem von Jockers entworfenen Skript für Topic Modeling in R, das wir für das Goethekorpus abgewandelt haben.[91] In unserem Fall haben wir in mehreren Durchläufen schließlich mit 4000 Iterationen 60 Topics mit jeweils 20 Wörtern und eine Stoppwortliste von 399 Wörtern erstellt.[92] Dabei sind wir auf die folgenden beiden Topics in Bezug auf Entsagung besonders aufmerksam geworden, die in allen Durchgängen in ähnlicher Weise auftraten (vgl. Abbildung 2).

Abb. 2: Topic 6 und Topic 15 (von
                                    insgesamt 60 Topics bei 4000 Iterationen und 399 Stoppwörtern).
                                    [Horstmann / Kleymann 2019]
Abb. 2: Topic 6 und Topic 15 (von insgesamt 60 Topics bei 4000 Iterationen und 399 Stoppwörtern). [Horstmann / Kleymann 2019]

Warum sehen wir in diesen beiden Topics potentiell Entsagung thematisiert, obwohl Worte wie ›entsagen‹, ›verzichten‹ oder Abwandlungen darin nicht enthalten sind? Sowohl die Beschäftigung mit dem Konzept allgemein als auch die Lektüre der in der Forschung in dieser Hinsicht besprochenen Primärtexte weisen darauf hin, dass Entsagung immer auch eine gesellschaftliche bzw. gesellschaftsbildende Funktion hat, das heißt den Menschen und seine Eigenschaften und Neigungen (›wollte‹) und Einschränkungen (›sondern‹, ›ohne‹, ›gegen‹, ›einige‹) in Bezug auf das Ganze bzw. die Gesellschaft verhandeln. Zudem wird Entsagung bei Goethe zu einem pädagogischen, das gesamte Leben betreffenden Prinzip, das man zunächst der Jugend beibringt: Somit hat Entsagung immer auch eine chronologische Komponente (›Zeit‹, ›bald‹). Schließlich lässt sie sich bis auf Wortebene besonders in Negationen (›ohne‹, ›gegen‹, ›nichts«), aber auch in relationalen Ausdrücken (›mehr‹, ›etwas‹, ›alles‹) und ihren Abwandlungen finden. Die beiden ausgewählten Topics scheinen diese unterschiedlichen Aspekte von Entsagung in sich zu vereinen. Damit kann auch die von Schruhl formulierte Behauptung bestätigt werden, dass eine »angemessene Integration und Verwendung quantitativer Verfahren«[93] in diesem Fall einer Bestimmung von Entsagung bedarf, d. h. ein entwickeltes und reflektiertes Konzept von Entsagung ist vonnöten, um eine derartige Integration leisten zu können.

Schaut man auf die Verteilungswerte dieser beiden Topics in den 60 Texten, ergibt sich folgendes Bild (vgl. Abbildung 3 und Abbildung 4):

Abb. 3: Verteilung von Topic 6 im
                                    Goethekorpus. [Horstmann / Kleymann 2019]
Abb. 3: Verteilung von Topic 6 im Goethekorpus. [Horstmann / Kleymann 2019]
Abb. 4: Verteilung von Topic 15 im
                                    Goethekorpus. [Horstmann / Kleymann 2019]
Abb. 4: Verteilung von Topic 15 im Goethekorpus. [Horstmann / Kleymann 2019]

Wir sehen, dass die beiden Topics in den kanonisierten Prosatexten, die in der Forschung bereits mit Entsagung in Verbindung gebracht werden, stark vertreten sind (hier türkis eingefärbt). Insbesondere Topic 15 zeigt diesbezüglich eine starke Tendenz. Lediglich das Epos Hermann und Dorothea und die Novelle sind hier unterrepräsentiert. Außerdem fallen auch hier wiederum – wie in der stilometrischen Analyse – die beiden Texte Die Reise der Söhne Megaprazons und Die guten Weiber auf (hier rot eingefärbt), in denen die beiden Topics ebenfalls virulent sind. Vor dem Hintergrund der durchgeführten Topic-Analyse lässt sich argumentieren, dass die beiden vernachlässigten Texte in eine korpusbasierte Untersuchung zumindest von Entsagung einzubeziehen sind.

3.3 Interpretation und Problematisierung

Wie sind diese Ergebnisse zu interpretieren und welche Probleme können sich bei der kritischen Reflektion der Interpretation des angewendeten Verfahrens ergeben? Es ist auffällig, dass die stilometrische Analyse und das Topic Modeling zu vergleichbaren Ergebnissen kommen, obwohl die Methode der Stilometrie die häufigsten Wörter betrachtet, die häufigsten der häufigen Wörter im Topic Modeling aber auf einer Stoppwortliste gesammelt und somit (neben weiteren Wörtern) von der Analyse ausgeschlossen werden. Der Fokus der beiden Methoden liegt damit auf unterschiedlichen Daten. Eine Erklärung dafür ist, dass die beiden hervorgehobenen Topics auch viele Wörter enthalten, die in anderen Topic-Modeling-Ansätzen ebenfalls der Stoppwortliste hinzugefügt worden wären. Nur die dezidierte Forschungsfrage und das literaturwissenschaftliche Wissen über Entsagung bei Goethe hat in diesem Fall dazu geführt, diese Wörter – die auch zu den im stilometrischen Ansatz untersuchten häufigen Wörtern zählen – nicht auszuschließen. Eine andere Interpretation – für die es jedoch bislang keinen Beweis gibt – wäre, dass Entsagung bei Goethe primär in solchen Texten stattfindet, die sich auch stilistisch (im Sinne der Stilometrie) ähneln.

Jannidis beobachtet: »Schon früh ist den Fachwissenschaftlern, die mit Computerlinguisten und Informatikern an Topic-Modeling-Projekten arbeiten, aufgefallen, dass auch Worte, die aufgrund von bestimmten rhetorischen Strukturen auftauchen, als ›Thema‹ zusammengefasst wurden.«[94]

Diese rhetorischen Strukturen gehen jedoch schnell verloren, wenn man beispielsweise ausschließlich Topics aus Substantiven bildet (wie z. B. Jockers[95]). Da sich viele philologische Konzepte (Entsagung ist dafür ein Beispiel) jedoch keineswegs nur in Substantiven, sondern vor allem in Handlungen (bzw. bei Entsagung: in der Unterlassung von Handlungen) wiederfinden,[96] waren in unserem Goethe-Topic-Modeling diejenigen Topics, die auf derlei rhetorische Strukturen hinweisen, besonders interessant.

Es zeigt sich ferner, dass eine komplexere Semantik, wie beide der hier thematisierten Konzepte sie aufweisen, mit den beiden Methoden nur partiell bzw. gar nicht zu greifen sind. Selbst die beiden potentiellen Entsagungs-Topics sind nur mit interpretatorischem Aufwand als solche zu erkennen. Über mögliche ironische Textpassagen in Goethes Werken konnten weder der stilometrische Ansatz noch das Topic Modeling Erkenntnisse produzieren.

Ferner haben die beiden Methoden keine Antwort zu der übergeordneten Frage nach den Werkphasen gebracht. Goethes Altersstil, der mit stilometrischen Methoden auch unabhängig von Entsagung oder Ironie untersucht werden kann,[97] hat sich in der Analyse nicht als different (genug) ergeben, damit beispielsweise sämtliche Alterswerke zusammen clustern. Andere Strukturen – und das ist insbesondere die Gattungsdifferenz – sind hier stärker ausgeprägt als eine mögliche stilistische Differenz zwischen frühen und späten Werken. Ein feingranulareres Korpus (das vor allem keine unterschiedlichen Gattungen in sich vereinigt) wäre ein Ansatz, die Stile unterschiedlicher Werkphasen auch stilometrisch zu untersuchen. Die Konzepte Entsagung und Ironie scheinen jedoch weder stilistisch (im Sinne der Stilometrie) noch thematisch (im Sinne des Topic Modeling) virulent genug zu sein, um als grundlegende definitorische Komponenten von Goethes Alterswerk herangezogen werden zu können. Der distant reading-Ansatz, den wir hier verfolgen, könnte daher die Vermutung untermauern, dass Goethes Werkphasen nicht sonderlich stark voneinander differieren.

Um in einem großen Textkorpus ein sich – zumindest auch – inhaltlich niederschlagendes Konzept (wie es die Entsagung ist) zu entdecken, hat sich die Methode des Topic Modeling als hilfreich erwiesen. Neben den bekannten Texten rücken Die guten Weiber und Die Reise der Söhne Megaprazons ins Licht der Aufmerksamkeit. Die Lektüre untermauert den Verdacht: Gerade diese beiden Texte enthalten Binnenerzählungen, die auch in ästhetisch-struktureller Hinsicht als Distanzierungsbewegung Entsagung thematisieren.

Insgesamt werden bei diesem ersten Durchgang jedoch auch die Grenzen des distant reading augenfällig: Das durch seine enorme Komplexität weder stilistisch noch thematisch auf den Punkt zu bringende Merkmal der Ironie ist in einem solchen Ansatz nicht greifbar. Unabhängig von ihrem inner- wie außertextuellen Kontext lässt sich Ironie nicht erkennen: Was häufig schon für Literaturwissenschaftlerinnen und Literaturwissenschaftler nur mit besonderen Voraussetzungen machbar ist, scheint für den Computer unmöglich.

4. Scaling down: Operationalisierung von Entsagung und Ironie im Zuge eines digitalen close reading

Für eine nähere Untersuchung der beiden Konzepte verspricht ein digital unterstütztes close reading einen Erkenntnismehrwert. In einem solchen Ansatz können die einzelnen Formen der beiden Konzepte manuell annotiert werden, um auf Grundlage der so erzeugten Daten schließlich (messbare) Aussagen über Distribution, mögliche Kookkurrenzen oder gar Isomorphien von Entsagung und Ironie treffen zu können. Die beiden distant reading-Methoden erhalten in dieser Hinsicht den Status von explorativen Verfahren zur Annäherung an komplexere Bedeutungsphänomene. Sie sind zudem eine alternative Methode zur rein kanonbasierten oder auch idiosynkratischen Textauswahl. Die damit sinnvoll und nachvollziehbar ausgewählten Texte können anschließend in einem digital gestützten close reading annotiert und analysiert werden, sodass insgesamt von einem sogenannten scalable reading[98] gesprochen werden kann.

Die im close reading vollzogene manuelle digitale Annotation steht der methodischen Kernkompetenz traditioneller orientierten Literaturwissenschaften sehr viel näher, sodass auf methodischer Ebene die Anschlussfähigkeit zwischen DH und Literaturwissenschaft gesichert wird. Gegenüber einem ›analogen‹ close reading bietet ein Annotieren in einer digitalen Umgebung wichtige Vorteile: Digitale manuelle Annotation fügt den Primärtexten in Form von Annotationen Metadaten hinzu und macht diese gemeinsam mit dem Ausgangstext digital analysierbar. Die Operationalisierung im digitalen close reading ermöglicht daher wiederum eine quantitative Analyse, die ursprünglich dem Bereich des distant reading zugerechnet wurde. Das Ziel im scalable reading ist daher nicht nur ein scaling down, sondern ebenso ein scaling up, mit verbesserter Datengrundlage. Es gibt für die Annotierenden bei diesem Verfahren keine andere Möglichkeit als die Texte genau zu lesen (close reading) und sich zu überlegen, welche Passagen mit welcher Kategorie annotiert werden sollen. Die digitalen Annotationsdaten stehen dabei nachhaltig zur Verfügung und können als Ausgangsdaten leicht mit anderen Personen geteilt und von diesen aufgenommen oder weiterentwickelt werden. Somit wird durch die digitale Annotation literaturwissenschaftlicher Konzepte der Forschungsprozess selbst, die Formalisierung und Identifikation dieser Konzepte an konkreten Textstellen, in die wissenschaftliche Diskussion integriert, statt lediglich zusammengefasst und ausgewählt in einer finalen Publikation präsentiert zu werden.[99]

Der Vorteil des vorangegangenen distant reading bleibt im scalable reading bestehen: Es müssen nicht alle 60 Texte manuell annotiert werden, sondern nur die für die beiden Konzepte als besonders relevant klassifizierten. Da dies aus rein pragmatischen Gründen nicht praktizierbar ist, haben wir aus den als relevant klassifizierten folgende sieben Texte ausgewählt: Die Reise der Söhne Megaprazons (1792), Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten (1795), Hermann und Dorothea (1797), Die guten Weiber (1801), Die Wahlverwandtschaften (1809), Novelle (1828) und Wilhelm Meisters Wanderjahre oder die Entsagenden (1829). Das sind insgesamt etwa 343000 Tokens, knapp 159000 davon alleine in den Wanderjahren. Da Wilhelm Meisters Lehrjahre (1795) ebenfalls sehr umfangreich ist (gut 228000 Tokens), haben wir uns dafür entschieden, aus dem Wilhelm Meister-Komplex nur die Wanderjahre zu annotieren. Ebenfalls haben wir Dramen aus diesem Subkorpus ausgeschlossen: besonders der in der Forschung hervorgehobene zweite Teil von Faust (1832), aber auch etwa Torquato Tasso (1790), Die Aufgeregten (1793), oder Die natürliche Tochter (1803), in denen zumindest Topic 6 (siehe Abbildung 3) verhältnismäßig stark vertreten ist. Der Grund dafür ist die Spezifik der von uns entworfenen Tagsets (siehe Abschnitt 4.2), die wir insbesondere für die Analyse ›episch‹-narrativer Texte entworfen haben. Eine Annotation von Entsagung und Ironie in dramatischen Texten würde erneut die Konzeption spezifischer Tagsets, Guidelines und persönliche Anleitungen erfordern, sodass die gattungsübergreifende Analyse der beiden Konzepte an diesem Punkt ebenfalls vertagt werden musste.

4.1 Kollaborative Annotation

Die Operationalisierung – hier nun in Form von manuellen Annotationen – von zwei semantisch derartig komplexen Konzepten wie Entsagung und Ironie erweist sich aufgrund der immer noch verhältnismäßig umfangreichen Textgrundlage als problematisch. Man möchte einerseits vergleichbare Daten erzeugen, andererseits die Gefahr einer idiosynkratischen Annotation weitestgehend eliminieren. Aus diesen Gründen haben wir uns für eine angeleitete kollaborative Annotation mithilfe von Studierenden der germanistischen Literaturwissenschaft entschieden – und damit die Untersuchung gleichzeitig sowohl in die traditionellere literaturwissenschaftliche wie die DH-Lehre integriert.[100] Das webbasierte Annotations- und Analysetool CATMA (Computer Assisted Text Markup and Analysis) bietet dafür nicht nur eine Arbeitsumgebung, sondern ermöglicht ebenfalls die anschließende quantitative Analyse und Visualisierung der erstellten Annotationen und damit die Messbarmachung respektive Operationalisierung der Konzepte Entsagung und Ironie. Die Studierenden wurden mit den beiden Konzepten sowie den Annotationskategorien (das heißt den Tagsets) vertraut gemacht und haben anschließend mithilfe von Annotationsguidelines in Zweierteams jeweils die gleichen Texte gelesen und annotiert. Durch diese doppelte Annotation werden widersprüchliche Interpretationen oder auch unterschiedliche Verständnisse der einzelnen Annotationskategorien direkt sichtbar und können diskutiert werden, sodass die Arbeitsweise einerseits einen Dialog sowohl über die Konzepte als auch über die Annotationskategorien erzwingt. Andererseits macht sie die Ergebnisse in gewisser Weise intersubjektiv nachvollziehbar und den Forschungsdiskurs im Digitalen sichtbar.

Die kürzeren Texte und die Wahlverwandtschaften wurden von Studierenden im Masterstudiengang bzw. von studentischen Hilfskräften (ebenfalls im Masterstudium) annotiert. Die Wanderjahre bilden aufgrund der Textlänge einen Sonderfall und wurden nicht nur von zwei Personen annotiert (bzw. von vier Personen wie im Falle der Wahlverwandtschaften, deren zwei Teile wir getrennt haben), sondern von Teams in zwei Bachelorseminaren, die jeweils ca. 60 Seiten auf eines der beiden Konzepte hin annotiert haben. Die Wanderjahre wurden daher von vielen verschiedenen Personen mit recht divergierender literaturwissenschaftlicher Expertise annotiert. Derartige konzeptionelle Entscheidungen müssen in der Auswertung von Annotationsdaten unbedingt berücksichtigt werden, da es immer einen interpretatorischen Spielraum gibt – dem Tagsets und Guidelines entgegen zu wirken suchen –, der bei unterschiedlichen Personen zu divergierenden Annotationen führt. Das Verfahren bietet nicht nur theoretisch eine große Anschlussfähigkeit an die traditionelleren Literaturwissenschaften, sondern bedarf auch ganz konkret des literaturwissenschaftlichen Expert*innenwissens und der Arbeitskraft aller Annotierenden.

4.2 Tagsets für ein philologisch-kollaboratives Annotieren

Um semantisch komplexe Konzepte für die Annotation zu operationalisieren, müssen diese zunächst in eine Taxonomie überführt werden, in der das jeweilige Konzept in einem Set von Kategorien beschrieben wird, die einerseits abstrakt genug sind, um als generelle Kategorien zu den unterschiedlichsten Textpassagen zu passen, andererseits müssen sie jedoch auch definitiv genug, das heißt distinkt sein, um nicht beliebig angewendet werden zu können.[101] Außerdem sollten die Kategorien in ihrer Gesamtheit eine holistische Beschreibung des Konzeptes ermöglichen. Ein komplexes Konzept in einem solchen Tagset zu operationalisieren, ist daher eine große Herausforderung, im Zuge derer man sich in der Regel jedoch sehr viel bewusster über die dem Konzept zugrundeliegenden Strukturen, Dimensionen und Dynamiken wird. Das Tool CATMA bietet die Möglichkeit, solche Tagsets beliebig zu erstellen und weiterzuentwickeln. Ein Konzept kann somit in einem Tagset auch aus unterschiedlichen Perspektiven beschrieben werden, sodass ein und dieselbe Textstelle mit unterschiedlichen Tags aus einem Tagset belegt werden kann.

Wie sehen nun die Tagsets für Entsagung und Ironie aus? Zur Erarbeitung von Kategorien haben wir vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit der entsprechenden Forschungsliteratur zunächst zwei Arbeitsdefinitionen der Konzepte selbst entwickelt. Nach dem ersten Schritt – der Vereinbarung, bei Entsagung und Ironie generell von Konzepten zu sprechen (siehe Abschnitt 1) – ist diese definitorische Modellierung im Kontext digitaler manueller Annotation der zweite Schritt der Operationalisierung, und adressiert das Desiderat der bislang mangelhaften Konzeptualisierung.

Die Arbeitsdefinition und damit auch das Tagset für Entsagung verfahren dabei abstrahierend und zergliedern den Prozess des Entsagens und den daran beteiligten Dimensionen in einzelne Einheiten. Entsagen wird dadurch, in Anlehnung an die Bestimmungen im Goethe-Wörterbuch, zur performativen Handlung, die zwischen Figuren, zwischen Erzählinstanz und Figuren oder zwischen Erzählinstanz / Autor*in und Leser*innen stattfinden kann. Mit der Operationalisierung rückt aufgrund der formalen Strukturen vor allem die narratologische Betrachtung des Entsagungskonzepts in den Vordergrund. Entsagung bezeichnet das Phänomen der Aushandlung zwischen affektiv motivierter, kurzfristig und unmittelbar realisierter Aneignung eines definierten Objekts einerseits, und dem durch Verzicht erworbenen mittelbaren Anspruch auf langfristigen, zunehmend abstrakten ideellen Gewinn andererseits. Die Arbeitsdefinition versucht insbesondere den generischen Charakter des Entsagungskonzepts vom Liebes- und Genussverzicht zur enthaltsamen Lebensethik angesichts der Moderne abzubilden. Diegetische und ästhetische Entsagung beziehen sich auf unterschiedliche Kommunikationsebenen: Diegetische Entsagung findet zwischen Figuren statt, ästhetische zwischen Erzählinstanz und Leser*in.

Ironie hingegen ist keine Handlung, sondern vielmehr Haltung und kann nicht in mehrere Schritte eines Prozesses zergliedert werden. Definition und Tagset für Ironie beinhalten daher eine Konzeptualisierung, die außerhalb der Goetheforschung erarbeitet wurden,[102] und beschreiben Ironie aus unterschiedlichen Perspektiven. Dazu kommt, dass Goethe sowohl als ironisch im Sinne der Romantik gelesen wurde,[103] als auch eine Ironie attestiert bekam, die dezidiert nicht romantisch war.[104] Die beiden unterschiedlichen Formen (wie schon Honnef-Becker[105] sie auseinander hält) müssen daher Eingang in die Analyse finden und damit Teil der Definition und des Tagsets werden. Ironie ist eine Form des uneigentlichen Sprechens. Sie bezeichnet vor allem eine Aussage, die das Gegenteil des Gesagten meint (rhetorische Ironie), bezieht sich zudem auf Ereignisfolgen unabhängig von einem Subjekt (objektive Ironie), ist gelegentlich nur durch größere strukturelle Textzusammenhänge erschließbar (illokutionäre Ironie), oder bezieht sich auf eine künstlerische (Selbst-)Reflektion im Zuge einer philosophisch-literarischen Haltung (romantische Ironie). Die Arbeitsdefinition versucht sich an Bahrs Annahme anzunähern, dass »Goethe [...] in die Geschichte der Entwicklung der literarischen Ironie im 18. Jh. [gehöre], weil er einen entscheidenden Beitrag zu deren Umbildung von der rhetorischen Redefigur zur Form der literarischen Aussage geleistet hat.«[106]

Darauf aufbauend haben wir den Annotierenden für Entsagung folgendes Kriterienset bzw. Tagset zur Verfügung gestellt:

1: Regulierende Instanz

  • Erzähler
  • Figur

2: Modus der Regulierung

  • intern motiviert: Entsagung, Enthaltung, Verzicht, etc.
  • extern motiviert: Versagung, Verbot, Gebot etc.

3: Bezugsbereiche der Regulierung

  • unmittelbarer Bereich: Dimension des angestrebten Objekts
  • mittelbarer Bereich: Dimension der Kompensation

4: Ästhetische Indikatoren

  • Wechsel der Erzählebene
  • Wechsel der Textsorte
  • defizitäre Realisation der Gattungsnorm
  • widersprüchliche Realisation der Gattungsnorm

Ironie wurde mithilfe dieses Tagsets annotiert:

1: Rhetorische Ironie

  • Antike Rhetorik
  • simulatio (vortäuschen)
  • dissimulatio (verbergen)
  • Narrative Ebene
  • Erzähler
  • Rezipient
  • (implizierter) Autor
  • Figur
  • Ironiesignale / verwandte Formen
  • Antiphrase
  • Parodie
  • Persiflage
  • Relativierung
  • Widerspruch
  • Sarkasmus
  • Wiederholung
  • Litotes (doppelte Verneinung)
  • Unter- / Übertreibung

1.1: Objektive Ironie

  • dramatische Ironie
  • Weltironie

1.2: Textfunktionale / illokutionäre Ironie

  • thematische Einstellung
  • gesellschaftlicher Handlungsbereich
  • ironisch durch Illokutionsstruktur

2: Romantische Ironie

  • künstlerische Reflexion
  • poetische Reflexion
  • Verweis

Über diese beiden (auch strukturell unterschiedlichen) Tagsets, ihre einzelnen Tags, die diversen Perspektiven, die sie gegenüber den verhandelten Konzepten einnehmen und respektive die von den jeweiligen Kategorien erzeugten unterschiedlichen Daten ist ein eigener Forschungsbeitrag geplant, in dem auch die quantitative Auswertung und Interpretation der Annotationen en détail vorgenommen werden soll. Dabei zeigt sich, dass die beiden Annotatorinnen in Die guten Weiber beispielsweise insgesamt 66 Annotationen für ästhetische Indikatoren für Entsagung vergeben haben.[107] Wir erinnern uns, dass dieser Text Binnenerzählungen enthält und deshalb besonders für die Kategorie der ästhetischen Entsagung interessant sein dürfte. Von diesen 66 Annotationen überlappen 50 mit Ironiesignalen, was einer Quote von knapp 76 % entspricht. Dies könnte ein Hinweis auf eine mögliche Isomorphie, also eine Gleichförmigkeit der beiden Konzepte sein, der in einer umfangreichen Datenanalyse verifiziert bzw. falsifiziert werden müsste. Da wir uns in diesem Artikel vor allem auf die Übertragbarkeit digitaler Analyseverfahren auf traditionellere Forschungsdiskurse konzentrieren und der philologischen Fragestellung in diesem Fall lediglich ein exemplarischer Status zukommt, beschränken wir uns hier auf die Nennung der einzelnen Kategorien, um zu veranschaulichen, wie komplex eine Operationalisierung literaturwissenschaftlicher Konzepte sein kann. Hinter jedem Tag steht dabei potentiell eine sehr lange und umfangreiche Forschungshistorie (innerhalb wie außerhalb der jeweiligen Philologie), weshalb den Studierenden neben spezifischen Guidelines (siehe folgenden Abschnitt) auch ein umfangreicher Forschungsüberblick zur Verfügung gestellt wurde, um sie in die Lage zu versetzen, die Kategorien korrekt einzuschätzen und anzuwenden.

4.3 Guidelines als restriktive und unterstützende Instrumente

Wie auch Gius / Jacke betonen, können Tagsets in einem philologisch-kollaborativen Annotationsprozess nur unter Anleitung, mit Hilfestellung und mittels klarer Vorgaben einheitliche oder vergleichbare Daten erzeugen.[108] Es ist daher unumgänglich, die einzelnen Kategorien der Tagsets genau zu definieren, an Beispielen zu verdeutlichen und Regeln festzulegen, wie mit den Tags umgegangen werden soll, um ein zu kleinschrittiges Annotieren zu verhindern (zu dem die Praxis des Annotierens sehr schnell verleitet).

Die folgenden generellen vier Regeln bieten sich daher für die kollaborative Verwendung von Tagsets an:

  1. Annotiert wird nach Möglichkeit der ganze Satz. Durch diese Regel wird nicht nur ein zu kleinteiliges Annotieren verhindert, sondern auch sichergestellt, dass verschiedene Annotierende die einzelnen Kategorien in ähnlicher Weise verwenden und somit vergleichbare Daten herstellen. Die Operationalisierung anderer Konzepte als Entsagung oder Ironie bedarf ggf. einer Angleichung dieser Regel.
  2. Das Tagset wird von Annotierenden nicht verändert. Wünsche für weitere Tags gehören in die Laborberichte. Die Unveränderbarkeit der Tagsets stellt ebenfalls sicher, dass alle Annotierenden durch die ausschließliche Verwendung gleicher Kategorien vergleichbare bzw. auswertbare Daten erzeugen. Die Annotierenden waren angehalten, am Ende des Semesters ihre Erfahrungen sowie konzeptionelle Kritik und eine kritische Toolreflektion in Form eines Laborberichtes zu verarbeiten. Dort wurde ihnen dann auch ermöglicht, weitere Kategorien für die Tagsets vorzuschlagen und zu begründen. Eine Rückvermittlung der Methode in den Lehr- und in diesem Fall den Prüfungsbetrieb fördert die kritische Reflektion des Verfahrens und der eigenen Arbeit.
  3. Die Vergabe jedes einzelnen Tags sollte bei Bedarf begründet werden können. Wir haben die Annotierenden dazu angehalten, entweder eine Art Annotationstagebuch zu führen, oder in CATMA Kommentare zu ihren einzelnen Annotationen zu erstellen. Dies ermöglicht es nicht nur fremden Personen, die Entscheidung nachzuvollziehen, warum eine bestimmte Textpassage mit einer bestimmten Kategorie annotiert wurde, sondern bildete auch für die Annotierenden selbst eine wichtige Gedächtnisstütze für wiederholte Annotationsdurchläufe.
  4. Fremde Annotationen werden beim Annotieren nicht als sichtbar markiert. Es gibt beim kollaborativen Annotieren des gleichen Dokumentes in CATMA die Möglichkeit, die Annotationen anderer Personen sichtbar oder unsichtbar zu stellen. Diese vierte Regel soll vermeiden, dass man sich in seinen Annotationsentscheidungen von den Entscheidungen anderer Personen beeinflussen lässt.

Für das Entsagungs-Tagset gaben wir außerdem den generellen Hinweis, dass man häufig an einzelnen Textstellen die Kategorien I–III annotieren könne, da sie unterschiedliche Aspekte von Entsagung betrachten und es sich daher potentiell anböte, Kategorie IV zuerst zu annotieren. Ähnlich wie die ästhetischen Indikatoren im Entsagungs-Tagset funktionieren die Ironiesignale, weshalb wir die Regel aufgestellt haben, dass diese bei jedem Vorkommen im Text unabhängig von einer inhaltlich feststellbaren Entsagung / Ironie zu annotieren seien.

In der Erarbeitung von Guidelines für kollaboratives Annotieren sollte darauf geachtet werden, für jeden Tag bzw. für jede Gruppe von Tags eine Definition bereitzustellen. Zusätzlich gaben die Studierenden die Rückmeldung, dass es sehr hilfreich sei, wenn zu jedem Tag ein konkretes Textbeispiel genannt wird.

4.4 Problematisierung der Methode

Die manuelle taxonomiebasierte Annotation als close reading-Methode macht es möglich, komplexen semantischen Konzepten wie beispielsweise Entsagung und Ironie sehr viel näher zu kommen als vom konkreten semantischen Gehalt einzelner Textpassagen abstrahierende distant reading-Methoden. Der Methode kommt daher kein explorativer, sondern ein analytisch-interpretativer Status zu, dessen messbare Einheiten qualitative Annotationen sind. Entscheidet man sich für die Methode des kollaborativen Annotierens, tauchen jedoch auch Schwierigkeiten auf, die es zu problematisieren und kritisch zu reflektieren gilt. Ein zentrales Problem ist die große Menge an erzeugten Metadaten in Form mehr oder weniger interpretativer Annotationen und die teilweise unterschiedliche Qualität dieser Daten.

Einerseits eröffnet die Methode die Möglichkeit, den literaturwissenschaftlichen Arbeitsprozess der Annotation (und nicht nur die zusammengefassten Ergebnisse dieses Prozesses) sichtbar zu machen. Zu jeder einzelnen Annotation finden sich zudem häufig ebenfalls digital hinterlegte Kommentare, welche die Entscheidungsgründe, die zu dieser Annotation geführt haben, beleuchten. Durch die zweifache Annotation jedes Textes lassen sich zudem leicht eindeutige, weniger eindeutige und widersprechend annotierte Textpassagen ausmachen. Im Gegensatz zum in der Korpuslinguistik häufig verfolgten Ziel des »interannotator agreements« gibt es in der literaturwissenschaftlichen Annotation das Phänomen der »legitimate conflicting annotations«.[109] Begründete konfligierende Annotationen weisen häufig auf interpretatorisch interessante Textpassagen hin.

Andererseits geht die Methode einher mit einem sehr großen Aufwand und es sind häufig pragmatische Gründe, die zu eingeschränkter Ergebnisqualität führen. Die Integration der digitalen Annotation in die literaturwissenschaftliche Lehre geht mit folgenden Problemen einher:

  1. Die Studierenden haben einen sehr unterschiedlichen Kenntnisstand, der im Zuge des Seminars trotz unterschiedlicher Motivationen möglichst angeglichen werden muss.
  2. Die Leistungsfähigkeit der Studierenden und damit einhergehend ihre Fähigkeit, komplexe semantische Konzepte nicht nur zu verstehen, sondern auch praktisch in Texten wiederzuerkennen, ist ebenfalls sehr heterogen.
  3. Die zeitliche Beschränkung der Annotationsphase auf ein Semester führt dazu, dass keine wiederholten Durchläufe mit veränderter Taxonomie vollzogen werden können. Wir haben aufgrund dieser Problematik mit der Rückvermittlung in die Lehre mehrere der kürzeren Texte von studentischen Hilfskräften annotieren lassen, die dafür mehr Zeit hatten und aufgrund ihrer Erfahrung mit den Tagsets und in der Zusammenarbeit vergleichbare Annotationen erstellen konnten.

Diese Probleme sind besonders virulent, wenn ein überdurchschnittlich langer Text annotiert wird, der nicht von nur zwei Annotierenden jeweils vollständig bearbeitet werden kann, wie die Wanderjahre im Fallbeispiel. Für diesen Text haben etwa 40 Studierende, von denen einige im Bachelor-, andere bereits im Masterstudium waren, Annotationen erstellt. Die Annotationen sind folglich heterogener als die von zwei Masterstudierenden erzeugten Annotationen für die kürzeren Texte (bzw. jeweils zwei für die beiden Teile der Wahlverwandtschaften). Das hat Auswirkungen auf die Aussagekraft der Analyse – im Detail wie im quantitativen Vergleich. Vor diesem Hintergrund sind die Ergebnisse von Abfragen etwa nach der Distribution einer widersprüchlichen Realisation der Gattungsnorm innerhalb der Wanderjahre zu sehen. Das Gleiche gilt für vergleichende Abfragen zwischen den Wanderjahren und anderen Werken, die aufgrund der unterschiedlichen Ausgangslage, in der die Annotationen erzeugt wurden, kaum zu rechtfertigen sind.

Die große Menge an erzeugten Metadaten führt ferner zu einer Auswertungsproblematik. Da die Menge der Textdaten nicht mehr zu überschauen ist, bleibt entweder die punktuelle Auswertung und Interpretation (close) oder die quantitative vergleichende Analyse der Daten (distant). Damit wiederholt sich die generelle Problematik des distant reading auf Ebene der Annotationsdaten.

5. Scalable Reading als digitaler Dialogpartner der traditionelleren Literaturwissenschaft?

Der vorliegende Beitrag versucht zwei Brückenschläge: zwischen den DH und der (germanistischen) Literaturwissenschaft im Konzeptionellen, und zwischen zwei literaturwissenschaftlichen Kategorien mithilfe digitaler Methoden im Exemplarischen. Wir schlagen das methodische Vorgehen des scalable reading vor, um das Erkenntnisinteresse digitaler Methoden an literaturwissenschaftliche Fragestellungen rückzubinden. Dieser Ansatz enthält in unserem Fall drei Formen der Operationalisierung: zwei dem Bereich des distant reading zuzuordnende Methoden (Stilometrie und Topic Modeling) und eine close reading-Methode (die digitale Annotation). Gerade die Kombination aus Exploration und gezielter qualitativer Annotation im scalable reading ermöglicht die Annäherung digitaler Methoden an eine originär literaturwissenschaftliche Problemstellung. Die Operationalisierung, das heißt die Messbarmachung auch semantisch komplexer Konzepte, ist ein unumgänglicher Aspekt der Rückvermittlung, um im literaturwissenschaftlichen Diskurs mithilfe von Methoden der DH einen erkenntnisfördernden Beitrag zu leisten. Entsagung und Ironie zu operationalisieren ebnet beispielsweise den Weg hin zu einer Klärung des Verhältnisses der beiden Konzepte bei Goethe. Gleichzeitig gibt gerade die bisweilen widerständige Übertragung der Konzepte in messbare operable Einheiten Aufschluss über ihren spezifischen Charakter.

Ferner wird mit der Operationalisierung auch eine Beschäftigung mit dem praxeologischen Gehalt von literaturwissenschaftlichen Arbeiten notwendig, die zur »epistemischen Selbstaufklärung«[110] der literaturwissenschaftlichen Disziplin beiträgt. Die Fragen nach der Korrelation, Distribution und der Genese der hier exemplarisch verhandelten Konzepte Entsagung und Ironie formen in diesem Sinne Leitfragen des Erkenntnisinteresses – ein Prozess, der inhaltlich keineswegs als abgeschlossen gelten kann. Um die Frage der Korrelation semantisch komplexer Konzepte zu beantworten, reicht keine Exploration, sondern es bedarf umfangreicher qualitativer Metadaten. Die Distribution potentiell relevanter Werke geht über den Kanon hinaus und kann bereits in der Exploration auf weitere Texte hinweisen. Aufgrund der breiten Streuung der beiden Konzepte im Gesamtwerk lässt sich auch die Frage nach einer Konzeptgenese bislang noch nicht beantworten. Eine Auswertung der erzeugten qualitativen Metadaten verspricht hier weitere Erkenntnisse.

Gezeigt hat das scalable reading, dass die Konzepte Entsagung und Ironie auch in Bezug auf eine mögliche Operationalisierung unterschiedlicher Art sind. Während mit dem Topic Modeling zwei potentielle Entsagungs-Topics gefunden werden konnten, war eine solche explorative Erkenntnis in Bezug auf Ironie nicht möglich. Die von uns aufgestellte Hypothese, dass die beiden Konzepte entweder dem Operationalisierungsszenario 2 oder 3 (nach Trilcke / Fischer) zuzuordnen sind, müsste folglich umgeformt werden: Entsagung ist partiell operationalisierbar (Szenario 2), Ironie hingegen scheint eher ein Konzept aus Szenario 3 zu sein (nicht messbar). Die zentrale Differenz zwischen »Zahlen und Bedeutung«[111] kann jedoch schrittweise überbrückt werden und die digitale Annotation, bei der literaturwissenschaftliches Fachwissen eingesetzt wird, geht einen Schritt in diese Richtung.

Wenn wir Entsagung als partiell messbar bezeichnen, muss diese Aussage dahingehend eingeschränkt werden, als dass es sich in dem verhandelten Beispiel um Entsagung bei Goethe handelt. Möchte man Entsagung oeuvreübergreifend als Epochendiskurs operationalisieren, bildet das Goethekorpus zwar einen geeigneten Ausgangspunkt, kann jedoch nicht als hinreichend für diese Aufgabe klassifiziert werden.

Eine pragmatische Schwierigkeit führt zu einer weiteren offenen Frage in Bezug auf die exemplarische Problemstellung. Während wir sowohl die Methoden als auch die Analyseergebnisse der beiden distant reading-Methoden darstellen konnten, mussten wir uns bei der kollaborativen taxonomiegestützten digitalen Annotation auf die Beschreibung der Methode und ihrer Rückvermittelbarkeit konzentrieren. Die Operationalisierung ist erst vollständig, wenn die in diesem close reading erzeugten Annotationen auch quantitativ ausgewertet werden. Die Darstellung dieser Auswertung bedarf allerdings sehr viel mehr Raum, da in ihrem Zuge die einzelnen Tag-Kategorien und die Dimensionen ihrer Verhältnisse zueinander genau erläutert sowie Entscheidungen in der statistischen Auswertung begründet dargelegt werden müssen. Aus diesem Grund mussten wir uns hier darauf beschränken, lediglich beispielhaft und ausschnittsweise die Korrelationen zweier ausgewählter Gruppen von Tags in Die guten Weiber darzustellen. Diese exemplarische Analyse eines kleinen Ausschnitts unseres umfangreichen Metadatenmaterials bedarf einer großformatigeren Einbettung – auch im Vergleich mit den Daten zu den anderen annotierten Texten – sowie detaillierteren Auswertung. Ein scalable reading führt unabdingbar zu einem sehr großen Umfang an auswertbaren Daten. Aus diesem Grund musste die Auswertung der Annotationen in einen weiteren geplanten Artikel verschoben werden.

6. Ausblick

Stilometrie, Topic Modeling und taxonomiebasierte digitale Annotation sind drei Beispiele, um komplexe semantische Konzepte zu operationalisieren. Andere literaturwissenschaftliche Problemfelder können mithilfe anderer oder weiterer Methoden wie z. B. der Netzwerkanalyse, Named Entity Recognition oder Sentiment-Analyse messbar gemacht werden. Generell scheint aber gerade die Kombination von Methoden aus dem Bereich des distant reading und des close reading für den Brückenschlag zurück in die Literaturwissenschaft prädestiniert: Der im Zuge der Operationalisierung (durch Text- und Metadaten) möglich werdende distanzierte Blick auf Textsammlungen bildet einen genuinen digitalen Beitrag in literaturwissenschaftlichen Debatten, der es wert ist, weiter verfolgt zu werden.

Auch für das Beispiel Entsagung und Ironie bei Goethe ergeben sich weitere Arbeitsfelder, um die Konzepte näher zu bestimmen. Die Entwicklung von spezifischen Tagsets für die Annotation von Dramen oder auch die Analyse lyrischer Texte wie West-östlicher Divan bereits im distant reading-Ansatz bieten die Möglichkeit einer umfassenderen Analyse der beiden Konzepte bei Goethe. Erst auf dieser Grundlage können verlässliche Aussagen über ihre Funktion als Ordnungsstrategien für potentielle Werkphasen getroffen werden. Die Fokussierung auf ›epische‹ Texte in unserem Ansatz erfolgte aus pragmatischen Gründen. Bereits die Anwendung der Tagsets auf das Epos Hermann und Dorothea führte in der Annotationspraxis zu Schwierigkeiten, was dafür spricht, dass die Gattungsspezifik nicht unterschätzt werden sollte, spricht man über werkübergreifende Konzepte.

Mit Blick auf den Status der DH in der traditionelleren Literaturwissenschaft kann angenommen werden, dass die Dichotomie von qualitativen und quantitativen Methoden zugunsten von synthetischen Methodenkombinationen überwindbar ist. Wir plädieren daher für weitere Versuche der Operationalisierung von komplexen Merkmalen. Denn gerade in den Übergangszonen von vermeintlichen Binarismen wie Zahl / Bedeutung und Qualität / Quantität ereignen sich produktive Widerstände, die zur disziplinären Selbstreflexion der DH wie der traditionelleren Literaturwissenschaft anregen.


Fußnoten


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  • Cornelia Zumbusch: Die Immunität der Klassik. Berlin 2012. [Nachweis im GVK]


Abbildungslegenden und -nachweise

  • Abb. 1: Bootstrap Consensus Tree des Goethekorpus (100–1000 MFW, Culled @ 0–80 %, Classic Delta Distance, Consensus 0,6). [Horstmann / Kleymann 2019]
  • Abb. 2: Topic 6 und Topic 15 (von insgesamt 60 Topics bei 4000 Iterationen und 399 Stoppwörtern). [Horstmann / Kleymann 2019]
  • Abb. 3: Verteilung von Topic 6 im Goethekorpus. [Horstmann / Kleymann 2019]
  • Abb. 4: Verteilung von Topic 15 im Goethekorpus. [Horstmann / Kleymann 2019]