Available at https://www.zfdg.de
Sofern nicht anders angegeben
Available at https://www.zfdg.de"> (c) Forschungsverbund MWW
Einreichung zum Call for Publications im Rahmen der vDHd21.
Transformation der WORD-Vorlage nach XML/TEI-P5 durch die Oxgarage und eigenen XSLT; Lektorat des Textes durch die Herausgeber*innen und die Redaktion der ZfdG.
Medienrechte liegen bei den Autor*innen.
All links checked:
Die Covid-19-Pandemie belegt eindrucksvoll die Relevanz von virtuellen
Museumsräumen, welche den Zugang zu Kunst- und Kulturartefakten auch in Zeiten
physischer Einschränkungen ermöglichen. Neben der unstrittigen Relevanz solch
virtueller Angebote steht als weiteres wichtiges Kriterium deren Akzeptanz, die
im Wesentlichen von Kriterien wie Usability und User Experience abhängt.
Bislang gibt es für die Umsetzung von benutzerfreundlichen Virtual Environments
(VE) nur generische Design-Guidelines, wie etwa die
The Covid-19 pandemic demonstrates the relevance of virtual museums, which provide access to art and cultural heritage even in times when museums are closed. Besides their undisputable relevance, another important factor is the acceptance of virtual museums, which primarily depends on usability and user experience. So far, there are only generic guidelines for the design of user-friendly virtual environments, such as the twelve heuristics presented by Sutcliffe and Gault. This paper presents an evaluation of those VE heuristics and their applicability to virtual museums. To do so, we select six exemplary virtual exhibitions and evaluate them with respect to the existing heuristics. Based on the results, we present best practices for the design of virtual museums. Furthermore, we discuss limitations of the existing heuristics. Two existing heuristics do not seem to be suitable for virtual museums. In addition, we complement two heuristics which could be derived from the examples and argue for a further development of domain-specific heuristics and best practices for virtual museums.
Die Fotografie hat die Malerei nicht ersetzt, Instagram hat die
Fotografie nicht platt gemacht und virtuelle Museumsrundgänge werden nicht die
Museen killen.
Mit diesen Worten verfechtet die Kuratorin und Kolumnistin Anika Meier die Rolle virtueller Museumsrundgänge und verteidigt sie vor all jenen Kritiker*innen, die behaupten, eine virtuelle Museumserfahrung könne niemals den realen Besuch ersetzen. Diese Sichtweise sei laut Meier ein großes Missverständnis: Bei virtuellen Rundgängen gehe es nicht darum, Museen zu ersetzen, sondern darum, einen neuen Zugang zu Kunst und Kulturgütern zu schaffen.
Unter virtuellen Museumsrundgängen versteht man sämtliche Angebote online
zugänglicher Ausstellungen von Kunst und anderen Kulturgütern. Die Präsentation
der Exponate ist dabei vielfältig und reicht von einfachen Fotografien bis hin zu
videospielartigen 360-Grad-Erfahrungen.
Während die Relevanz virtueller Museumsräume spätestens seit Covid-19 außer Frage
steht,public
history für den Aspekt der Wissensvermittlung ein weiterer zentraler
Faktor die Akzeptanz.acht goldenen Regeln des Interface-Designs von Shneiderman
et al.
Auch für die Domäne virtueller Ausstellungen finden sich Best Practices im Bereich
der Benutzeroberflächen: Beispielsweise untersucht Johnson verschiedene
Präsentationsformen von 3D-Objekten im Internet und leitet aus der Evaluation von
fünf Projekten Best Practices ab, die Museen und andere Gedächtnisinstitutionen
dabei unterstützen sollen, 3D-Objekte online frei verfügbar zu machen.
In unserem Beitrag verwenden wir die zwölf Heuristiken von Sutcliffe und
Gault,
In diesem Abschnitt wird das methodische Vorgehen bei der heuristischen Evaluation dargestellt. Dabei werden zum einen die zugrundeliegenden Heuristiken und zum anderen die evaluierten Projekte näher erläutert. Zudem sollen vorab einige grundlegende Begrifflichkeiten im Kontext des (3D-)User-Interface-Designs kurz erörtert werden.
Während ein
Die Ermittlung von Best Practices im Anwendungsgebiet virtueller Museen stützt
sich zunächst auf allgemeine Gestaltungsgrundsätze für (3D-)User-Interfaces.
Solche
Die Heuristiken dienen trotz ihres weit zurückliegenden Publikationsdatums in
vielen Anwendungsgebieten nach wie vor als Grundlage für die Erstellung von
neuen, domänenspezifischen Heuristiken, welche die Eigenheiten und spezifischen
Probleme des jeweiligen Anwendungsfelds berücksichtigen, beispielsweise für die
sprachliche Interaktion von Mensch und Maschine oder für
Augmented-Reality-Anwendungen für das Smartphone.
Wenngleich die Heuristiken nach Sutcliffe und Gault für die Evaluation von VEs
bereits vor über 15 Jahren veröffentlicht wurden, erweisen sie sich nach wie
vor als aktuell.
Die Evaluation zu den Heuristiken nach Sutcliffe und Gault zeigt, dass die Sammlung zwar viele wichtige Aspekte abbildet, allerdings nicht gleichermaßen für die ganze Bandbreite von VE-Szenarien eingesetzt werden kann. Im Rahmen dieses Beitrags dienen die Heuristiken deshalb zunächst als Ausgangspunkt, um bestehende virtuelle Ausstellungen systematisch zu evaluieren und auf dieser Basis Best Practices für deren benutzerfreundliche Gestaltung abzuleiten.
Für die Erarbeitung von allgemeingültigen Best Practices zur Entwicklung und
Gestaltung virtueller Museumsräume werden ausgewählte VEs aus dieser Domäne
genauer betrachtet und Beispiele zur konkreten, positiven Umsetzung der
Heuristiken
Bei der Erarbeitung von Best Practices wurden insgesamt sechs VEs aus dem GLAM-Bereich ausgewählt. Die Projekte wurden weiterhin so ausgewählt, dass möglichst vielfältige, unterschiedliche Ansätze zur Umsetzung virtueller Museumsräume abgedeckt werden. Konkret wurde bei der Wahl der Projekte auf Diversität im Hinblick auf die nachfolgenden Selektionskriterien geachtet:
Alle ausgewählten Projekte sind Desktop-VR-Anwendungen, die frei im Internet zur Verfügung stehen. Um die Projekte nutzen zu können, brauchen die Nutzer*innen also lediglich einen Computer mit Bildschirm, Tastatur und Maus und einem Audioausgang. Zum Teil unterstützen die Anwendungen zwar die Nutzung von VR-Headsets, dies wurde in der Analyse aber nicht weiter berücksichtigt, da die Nutzung der Anwendungen eine hohe Zugänglichkeit gewährleisten soll. Nachfolgend werden die Projekte kurz vorgestellt. Die Beschreibungen basieren dabei, wenn nicht anders gekennzeichnet, auf der eigenen Betrachtung und Nutzung der Anwendungen. Tabelle 2 zeigt eine Übersicht über die ausgewählten Anwendungen sowie eine Aufschlüsselung der Selektionskriterien.
Die WDR-Zeitkapsel ist ein Projekt, welches den Nutzer*innen eine
virtuelle Zeitreise ermöglichen soll. Es besteht die Möglichkeit, ein
Wohnzimmer im Jahr 1968 zu besuchen oder an Bord eines Flugzeuges im Jahr
1960 zu reisen. Die virtuellen Orte bieten den Nutzer*innen eine
360°-Perspektive mit vielen Interaktionsmöglichkeiten. Bei bestimmten
Interaktionen werden innerhalb der Umgebung kurze Videosequenzen abgespielt,
die in die 360°-Erfahrung eingebunden sind. Der WDR bietet darüber hinaus
Unterrichtsmaterialien für Lehrer*innen, um die Zeitkapsel in den
Schulunterricht einzubinden.
In diesem Projekt von
Die virtuelle Ausstellung
Walter’s Cube bietet Galerien und Museen die Möglichkeit, Ausstellungen als 3D-Räume zu erfassen und auf verschiedenen Plattformen zu veröffentlichen. Nutzer*innen können sich frei in den virtuellen Räumen von Walter’s Cube bewegen und unterschiedliche Kunstwerke wie Malereien oder 3D-modellierte Skulpturen betrachten. Das Ziel der Organisation ist es, zeitliche und geographische Barrieren abzubauen und Ausstellungen frei zugänglich zu machen.
Die
Die Dauerausstellung des Kunstmuseums
In diesem Abschnitt stellen wir die Ergebnisse der heuristischen Evaluation von den genannten virtuellen Museumsräumen vor und leiten jeweils Best Practices für die konkrete Umsetzung einzelner Heuristiken ab. Dabei diskutieren wir die Anwendbarkeit und mögliche Interpretationsspielräume der bestehenden VE-Heuristiken für das Szenario musealer Räume. In Ergänzung zu den nachfolgenden Heuristiken sollten virtuelle Ausstellungen grundsätzlich einen möglichst barrierefreien Zugang haben. Gemeint ist damit beispielsweise die Verfügbarmachung von Untertiteln für auditive Elemente und Vorlesefunktionen für textuelle Informationen, aber auch die Möglichkeit, Texte in leichter Sprache anzeigen zu lassen.
Bei der Untersuchung der ausgewählten Projekte auf ihre Natürlichkeit und Nähe
zur realen Welt stellt sich die Frage, welcher Anspruch an Natürlichkeit bei
der Gestaltung eines virtuellen Museums gestellt werden sollte. Hier bietet
sich ein Vergleich zu einer anderen Domäne an: Ist das VE beispielsweise eine
Trainingssoftware für Chirurgie, so sollten sich die Aktionen und Interaktionen
von Nutzer*innen klar an der realen Welt orientieren und diese nachahmen.
Virtuelle Museen dagegen haben niedrigere Anforderungen an die Natürlichkeit,
da hier nicht der Anspruch besteht, eine möglichst reale Museumserfahrung zu
imitieren, sondern vielmehr die Vorteile und Stärken des interaktiven Mediums
genutzt werden sollen. Dieser Kompromiss wird von Sutcliffe und Gault auch
betont,
Wie in Projekt 5 umgesetzt, ermöglicht
die freie Bewegung im Raum den Nutzer*innen, sich ohne Einschränkungen
umzusehen, verschiedene Positionen und Blickwinkel einzunehmen und so
beispielsweise Skulpturen im Museum ganzheitlich betrachten zu können. Die
Nutzer*innen können sich einerseits mit den Pfeiltasten fortbewegen,
andererseits können sie mit der Maus einen beliebigen Punkt im Raum anklicken,
um dorthin zu gelangen. Hält der*die Nutzende eine beliebige Maustaste gedrückt
und bewegt die Maus, kann die Sicht in alle Richtungen verändert werden. Diese
handgesteuerte Lenkung hat einerseits den Nachteil, dass die Nutzer*innen zwei
Richtungen, also Blick- und Bewegungsrichtung, kontrollieren müssen, was die
Lenkung komplizierter macht. Andererseits birgt diese Art der Lenkung den
Vorteil, dass Blick- und Bewegungsrichtung nicht die gleiche sein müssen und
sich durch die Kontrolle zweier Richtungen schneller ein räumliches Verständnis
bei den Nutzer*innen bildet.
Zusammenfassung: Die Natürlichkeit der Anwendung ist keine
hohe Priorität bei virtuellen Museen und sollte lediglich dann umgesetzt
werden, wenn dies die Usability erhöht oder Möglichkeiten für das
Vermittlungskonzept bietet. Durch die freie Bewegung im Raum mit einer
handgesteuerten Lenkung können Nutzer*innen Kunstwerke und Exponate aus
unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten und das VE besser erkunden.
Bei Betrachtung dieser Heuristik sollte vorerst definiert werden, welche
Aufgaben Nutzer*innen potenziell in einem virtuellen Museum durchführen bzw.
welche Ziele sie erreichen möchten, und wie sie diese Aufgaben in einem realen
Museum durchführen würden. Deggim et al. nennen verschiedene Anwendungen für
die Nutzung virtueller Museen:Our
mission is to eliminate geographic and temporal barriers between exhibitions
and the audiences.
Exponate betrachten zu können und sich über diese und darüberhinausgehende Zusammenhänge zu informieren, ist eine elementare Aufgabe, die in virtuellen Museen unbedingt durchführbar sein sollte. Projekt 6 ermöglicht den Nutzer*innen die Bewältigung dieser Aufgaben, wobei eine starke Orientierung an realen Museumserfahrungen auffällt. Die Möglichkeit zur Informationsakquise wird hier durch unterschiedliche Medien gewährleistet: Nutzer*innen können sich mithilfe eines Audioguides durch die Ausstellung führen lassen. Ein zusätzlicher Audioguide für Kinder vermittelt die Inhalte in leicht verständlicher, kindgerechter Weise. Die Stationen für die Audioguides werden durch runde Buttons mit entsprechenden Symbolen gekennzeichnet. Wird der Button angeklickt, öffnet sich oben rechts im Bildschirm ein kleines Fenster, das den Titel der Tonspur, die Länge der Audiosequenz, die Länge der bisher angehörten Audiosequenz sowie einen Play- und Pause-Button anzeigt. Darüber hinaus sind ausgewählte Exponate mit Buttons versehen, die kennzeichnen, dass zu diesem Objekt eine hochauflösende Fotografie sowie ein Informationstext oder eine Beschreibung des Exponats zur Verfügung steht. Detailansichten, die mit Informationstexten versehen sind, finden sich auch in Projekt 5. Hier klicken Nutzer*innen die Exponate an, wobei sich ein neues Fenster öffnet, welches entweder mit Fotografien der Exponate aus unterschiedlichen Blickwinkeln und passenden Informationstexten gefüllt ist oder die Nutzer*innen mit zusätzlichen Medien wie eigens für die Ausstellungen gedrehten Videos versorgt (vgl. Abbildung 1).
Weiterhin umfasst diese Heuristik auch das Verhalten von virtuellen Objekten,
welches den Erwartungen der Nutzer*innen weitestgehend entsprechen sollte.
Beispielhaft lässt sich dies in Projekt 1
festmachen. Im Szenario
Zusammenfassung: Es zeigt sich, dass Detailansichten von
Exponaten, versehen mit hochauflösenden Fotografien der Objekte und
Informationsmedien unterschiedlicher Art, den Nutzer*innen deren Betrachtung
erleichtert. Weiterhin bietet es sich im virtuellen Raum an, Gebrauchsobjekte
entsprechend ihrer Verwendung in der realen Welt mit Interaktionen oder
multimedialen Angeboten zu versehen.
Im Rahmen dieser Studie wurden ausschließlich Projekte mit einer hohen
Zugänglichkeit ausgewählt, was u. a. bedeutet, dass für deren Nutzung keine
speziellen VR-Ein- und Ausgabegeräte benötigt werden. Entsprechend erfahren die
Nutzer*innen der Anwendungen auch kein haptisches Feedback und können die
Anwendung nicht mit natürlichen Körperbewegungen wie Gehen oder Greifen
bedienen, weshalb die Relevanz dieser Heuristik in den Hintergrund rückt.
Sutcliffe und Gault nehmen die Einschränkungen durch die verfügbaren Ein- und
Ausgabegeräte zur Kenntnis, beschreiben aber auch, wie durch eben diese
Einschränkungen der natürliche Ausdruck leidet.
Die natürliche Darstellung des Selbst kann jedoch auch ohne haptisches Feedback
in Desktop-VR-Anwendungen angedeutet werden. LaViola et al. schlagen etwa vor,
bei einer Einschränkung der zur Verfügung stehenden Geräte das haptische
Feedback durch auditives und visuelles Feedback zu substituieren.Navigation and orientation support näher beleuchtet. Auch
die freie Bewegung im Raum, wie sie in Projekt
5 umgesetzt ist und unter Heuristik
1: Natural engagement bereits erörtert wurde,
trägt zum natürlichen Ausdruck und einer besseren Selbstwahrnehmung im VE bei.
Zusammenfassung: Insgesamt lässt sich festhalten, dass der
natürliche Ausdruck eine*r Nutzer*in zwar durch die Ein- und Ausgabegeräte
limitiert ist, sich haptisches Feedback aber durch auditives Feedback
substituieren lässt und auch die freie Bewegung im Raum zu einer verbesserten
Selbstwahrnehmung und Natürlichkeit beiträgt.
Eine schnelle Reaktionszeit zwischen Aktionen der Nutzer*innen und der Anzeige
dieser Aktionen soll vermeiden, dass Nutzer*innen unter Cybersickness leiden.
Studien zeigen, dass Desktop-VR-Anwendungen jedoch deutlich seltener
Cybersickness hervorrufen als VR-Headsets.
Zusammenfassung: Diese Heuristik ist für
Desktop-VR-Anwendungen, wie sie in dieser Studie untersucht werden, nicht
relevant.
Objekte im VE sollten in ihrem Verhalten physikalischen Gesetzen folgen und
darauf bezogen den Erwartungen der Nutzer*innen gerecht werden. Der Fokus liegt
hier auf Realismus, und weniger auf den Erwartungen der Nutzer*innen an die
Nutzung der Objekte zur Durchführung von Interaktionen, wie es bei Heuristik 2: Compatibility with the user’s task and domain der Fall ist. Die
Anforderungen an realistisches Verhalten von Objekten sind in der vorliegenden
Domäne eher nebensächlich. Beispielsweise lassen sich in keinem der
ausgewählten Projekte Beispiele für Objekte finden, die ergriffen und
anschließend fallen gelassen werden können.
Bestimmte Faktoren werden dennoch den Anforderungen an eine realistische
Darstellung gerecht. Beispielsweise spiegelt das auditive Feedback bei Projekt 1, das unter Heuristik 3: Natural expression of
action bereits beschrieben wurde, realistisches Verhalten von Objekten
bzw. die Interaktion mit diesen wider. Weiterhin fällt bei Projekt 5 auf, dass hier Schatteneffekte genutzt wurden,
die die realistische Darstellung des Raumes und der Objekte unterstützen.
Unterschiedliche Lichtquellen lassen die 3D-modellierten Objekte im virtuellen
Museum unterschiedliche Schatten werfen. Die Lichtquellen selbst spiegeln sich
teilweise im Boden. Diese Tiefenhinweise bieten den Nutzer*innen eine
verbesserte Wahrnehmung des dreidimensionalen Raumes insgesamt und ergänzen die
Vorstellung der Positionen der Objekte im Raum.
Zusammenfassung: Objekte, die Interaktion durch Bewegung
zulassen, sollten grundlegenden physikalischen Gesetzen folgen. Realismus kann
in Desktop-VR-Anwendungen durch auditives Feedback sowie Schatteneffekte
verbessert werden, wodurch auch die dreidimensionale Wahrnehmung der
Nutzer*innen unterstützt wird. Wird die freie Bewegung dadurch limitiert, dass
Objekte und Wände Hindernisse darstellen, so verbessert dies die Orientierung
in der Anwendung: Indem die Wahlmöglichkeiten der Nutzer*innen eingeschränkt
sind und sie weniger Entscheidungen treffen müssen, wird der Umgang mit dem
System vereinfacht.
Diese Heuristik behandelt Perspektivwechsel innerhalb des VE. Diese sollen ohne Verzögerung entsprechend den Kopfbewegungen der Nutzer*innen wiedergegeben werden. Hier wird deutlich, dass diese Heuristik nur bedingt auf Desktop-VR-Anwendungen angewendet werden kann, da kein VR-Headset zur Verfügung steht, um den Blickpunkt mit Kopfbewegungen zu wechseln. Jedoch lassen sich auch in Desktop-VR-Anwendungen die Blickpunkte mit Maus und Tastatur als Eingabegeräte verändern.
Projekt 2 ermöglicht es den Nutzer*innen, sich in alle Richtungen ohne Einschränkungen umzusehen. Dazu halten die Nutzer*innen die linke Maustaste gedrückt und ändern den Blickpunkt, indem sie das Bild mit der Maus umherschieben, wobei der Bildschirmrand eine Limitation darstellt: Ist dieser mit dem Cursor erreicht, muss der Cursor erst wieder in eine neue Position gebracht werden, damit der Blickwinkel weiter verändert werden kann. Durch die Betätigung des Mausrades oder das Zusammen- bzw. Auseinanderziehen der Finger auf dem Touchpad kann zusätzlich heran- und weggezoomt werden. Die Möglichkeit zur Änderung des Blickpunktes bietet sich vor allem in Anwendungen an, in denen historische Orte präsentiert werden. Ein Beispiel aus Projekt 2 ist ein virtueller Rundgang durch Schloss Versailles, bei dem es viele Kunstwerke zu entdecken gilt, die sich nicht auf Kopfhöhe der Nutzer*innen befinden, sondern beispielsweise die Decke zieren. Durch die Zoom-Funktion lassen sich in den Gebäuden und Kunstwerken Details ausmachen, die sonst nicht zu erkennen wären. Auch Projekt 5 bietet Nutzer*innen die Möglichkeit, sich frei im Raum umzuschauen. Die Steuerung unterscheidet sich minimal von Projekt 2: Die Veränderung des Blickwinkels wird durch Gedrückthalten einer beliebigen Maustaste gesteuert. Dabei wendet sich der Blick in die Richtung, in die der Cursor bewegt wird. In Projekt 2 ist es umgekehrt. Hier bewegt sich der Blickwinkel immer in die entgegengesetzte Richtung des Cursors. Es ist unklar, welche der beiden Varianten der Blickpunktänderung hier stärker konventionalisiert ist, da beide Interaktionsvarianten jeweils auch in zahlreichen anderen Anwendungen vorzufinden sind.
Zusammenfassung: Grundsätzlich sollten bei der Gestaltung
von virtuellen Museumsangeboten freie Wechsel des Blinkwinkels ermöglicht
werden. Das ist insbesondere dann wichtig, wenn die Ausstellung von Exponaten
nicht auf eine durchschnittliche Kopfhöhe limitiert ist, sondern überall im
Raum zu finden sind. Durch das Heranzoomen mit Mausrad oder Touchpad können
zusätzlich Details exploriert werden.
Die Orientierung im VE sollte insofern durch eine intuitive Navigation unterstützt werden, dass Nutzer*innen ihre Position stets ausmachen und gegebenenfalls zu bekannten Positionen steuern können. Dabei sollten sich unnatürliche Aktionen wie das Durchfliegen von Räumen mit dem Anspruch des VE nach Natürlichkeit die Waage halten. In Projekt 5 wird etwa die Orientierung in der Ausstellung durch eine Anzeige am rechten unteren Bildschirmrand unterstützt, welche die Nutzer*innen darüber informiert, in welchem Raum sie sich befinden. Die Räume sind mit einer Nummer und einem Titel versehen. Nutzer*innen werden in einen anderen Raum teleportiert, wenn sie einen der Pfeile links und rechts der Anzeige anklicken. So können sie, ohne selbst in die entsprechenden Räume zu navigieren, einfach in andere Räume innerhalb der Ausstellung springen. Eine ähnliche Umsetzung der Unterstützung wird den Nutzer*innen in Projekt 3 geboten. Hier sind am unteren Bildschirmrand nebeneinander alle Orte, an die sich die Nutzer*innen begeben können, mit Namen und einem Bild gelistet. Damit deutlich ist, an welchem Ort sich die Nutzer*innen befinden, sind die inaktiven Orte grau unterlegt. So wird der aktive Ort hervorgehoben. Die gelisteten Orte fungieren einerseits als Information über den aktuellen Aufenthaltsort der Nutzer*innen im VE, andererseits kann nur durch Anklicken der Orte die Position gewechselt werden.
Bei Projekt 6 wurde bei der
Navigationshilfe auf eine klassische Karte gesetzt (vgl. Abbildung 2). Durch
das Klicken auf ein entsprechendes Symbol am rechten unteren Bildschirmrand
öffnet sich eine Karte, welche die Ausstellungsräume zeigt. Zusätzlich werden
auf der Karte alle Punkte angezeigt, die ›angeflogen‹ werden können. Auch der
aktuelle Standort der Nutzer*innen wird auf der Karte rot markiert und mit dem
Winkel der Blickrichtung dargestellt. Standortänderungen können durch das
Anklicken der verfügbaren Punkte erfolgen. Diese Hilfestellung bietet sich hier
besonders an, da die Bewegung in der Anwendung auf das Anklicken einzelner
Punkte, von denen aus sich die Nutzer*innen umsehen können, beschränkt ist.
Auch auditive Stimuli können die Nutzer*innen bei der Orientierung im VE
unterstützen, indem Geräusche und ihre Lautstärke einen Ort oder die Distanz zu
einem Ort signalisieren.
Zusammenfassung: Nutzer*innen sollten bei der Navigation
und Orientierung im VE unterstützt werden. Je nach Anwendung bieten dafür
unterschiedliche Möglichkeiten an, wie z. B. die Einbindung einer Karte oder
die Auflistung der Räume der Ausstellung. Durch auditives Feedback kann die
Orientierung zusätzlich verbessert werden, indem Orte oder Distanzen zu diesen
so signalisiert werden.
Die Ein- und Ausstiegspunkte der VEs sollen eindeutig sein, sodass Nutzer*innen
wissen, wie sie ein VE betreten und auch wieder verlassen können. Die Relevanz
dieser Heuristik für Desktop-VR-Anwendungen wurde von den Autoren betont.
In Projekt 1 ist der Einstieg für
Nutzer*innen in das VE in ein Storytelling eingebaut. Um in die Anwendung
selbst zu gelangen, betätigen die Nutzer*innen einen ›Starten‹-Button.
Daraufhin kann zwischen einer normalen oder einer hohen Auflösung gewählt
werden. Nun befinden sich die Nutzer*innen bereits im VE, müssen sich aber noch
entscheiden, in welche virtuelle Welt sie reisen möchten (
Weniger interaktiv, dafür aber leichter verständlich, wird der Ein- und Ausstieg in und aus dem VE in Projekt 5 gestaltet. Auf der Startseite der Digitalen Kunsthalle sind alle aktuell zugänglichen Ausstellungen gelistet. Mit einem Klick auf den Button ›Ausstellung besuchen‹ gelangen die Nutzer*innen, nachdem die virtuelle Ausstellung geladen wurde, in das gewünschte VE. Die Möglichkeiten zum Verlassen einer Ausstellung bzw. zum Wechseln zu einer anderen sind ebenfalls klar gekennzeichnet. Einerseits befindet sich im ersten und letzten Raum jeder Ausstellung an der 3D-modellierten Wand ein ›Alle Ausstellungen‹-Button, welcher die Nutzer*innen zurück auf die Startseite führt. Andererseits ist dieser Button auch über das Menü am oberen Bildschirmrand zugänglich.
Im Sinne des Natural engagement beginnt die virtuelle
Museumstour von Projekt 6 im Foyer des
Museums. Mit dem Anklicken des sich am Boden des Museums befindlichen Buttons
›Zum 360°-Rundgang‹, der sich an der Stelle befindet, wo in der realen Welt
auch der Eingang zu der Ausstellung wäre, gelangen die Nutzer*innen in das
virtuelle Museum.
Zusammenfassung: Ein- und Ausstiegspunkte sollten klar
gekennzeichnet sein und idealerweise an mehreren Stellen zur Verfügung stehen.
Beispielsweise können im VE selbst Buttons zum Verlassen oder Ändern der
virtuellen Welt eingebunden werden, die gleichzeitig auch über das Menü
zugänglich sind. Abhängig von der Art und Zielgruppe der Anwendung bietet sich
eine Einbindung der Ein- und Ausstiegspunkte ins Storytelling an.
Immer dann, wenn im virtuellen Raum etwas anders umgesetzt wird als in der realen Welt, sollte dies eindeutig gekennzeichnet und vor allem konsistent umgesetzt werden. Typische Beispiele sind hier etwa die Substitution von Modalitäten, beispielsweise das Ersetzen von realem ›Tasten / Fühlen‹ durch ›Hören / Sehen‹ im virtuellen Raum, oder die Verwendung von effektiven Navigationsmechanismen, etwa das Fliegen durch den virtuellen Raum oder die Nutzung von Teleportation. In den evaluierten Projekten finden sich vor allem Beispiele aus dem letztgenannten Bereich der Navigation, allerdings nicht im Sinne erweiterter Navigationsmöglichkeiten, sondern eher im Sinne von Einschränkungen der Bewegung im virtuellen Raum.
In Projekt 2 etwa ist eine freie Bewegung im Raum nur bedingt möglich. Die Nutzer*innen können mit der Maus anzeigen, in welche Richtung sie sich bewegen möchten. Der Cursor stellt in der Anwendung einen Pfeil dar, der in die Richtung zeigt, in die sich die Nutzer*innen beim Mausklick bewegen werden. Bei der Bewegung zu einem ausgewählten Punkt zeigt eine kurzzeitige Unschärfe des Bildes den Nutzer*innen an, dass diese zu einem Punkt navigieren. So wird deutlich, dass es sich bei der Fortbewegung nicht um ein flüssiges Laufen im VE, sondern um ein schrittweises Weiterkommen zu einem ausgewählten Punkt handelt. Im Sinne dieser Heuristik wird die Anzeige dieser eingeschränkten Navigation allerdings in der gesamten Anwendung konsistent umgesetzt. Bei Projekt 6 ist die Fortbewegung vergleichbar eingeschränkt, da sich die Nutzer*innen hier nur zu bestimmten, eindeutig gekennzeichneten Punkten bewegen können. Hierbei handelt es sich um grüne Punkte, die mit einem weißen Kreis umrandet sind. Befindet sich der Cursor auf einem der Punkte, so wird den Nutzer*innen in einer Vorschau gezeigt, welchen Blickpunkt sie einnehmen, wenn sie den Punkt anklicken. Wurde ein Punkt bereits angeklickt, verändert sich die Farbe von grün zu grau. So wird den Nutzer*innen signalisiert, dass sie sich an diesem Punkt bereits umgesehen haben. Auch in diesem Beispiel wird die farbkodierte Information konsistent innerhalb der gesamten Anwendung umgesetzt.
Zusammenfassung: Besonders in Anwendungen, in denen die
Bewegung im virtuellen Raum nicht so frei wie in der realen Welt gegeben ist,
ist es wichtig, den Nutzer*innen eindeutig und konsistent zu signalisieren, an
welche Punkte sie sich bewegen können. Dies kann etwa durch eine Darstellung
des Cursors als Pfeil und durch die Unschärfe des Bildes, während die
Nutzer*innen an einen bestimmten Punkt ›reisen‹, gewährleistet werden.
Diese Heuristik fordert, dass die Nutzer*innen beim Erlernen der Funktionen des VE durch entsprechende Erklärungen und Hilfestellungen unterstützt werden. In Projekt 1 wird dies umgesetzt, indem die Interaktionsmöglichkeiten innerhalb des VE unterschiedlich gekennzeichnet werden. Unterschieden wird dabei zwischen erklärenden Audiosequenzen, die in das Storytelling der Anwendung eingebunden sind, dem Heranzoomen an Objekte wie dem Fernseher, Bücherregal oder Radio und anderen Interaktionsmöglichkeiten wie beispielsweise der Entstehung eines Gespräches zwischen zwei Personen oder dem Klingeln des Telefons. Für alle Elemente gibt es Symbole, welche die Möglichkeiten der Interaktion andeuten und gleichzeitig als Buttons fungieren. Die Buttons verändern beim Näherkommen des Cursors ihre Größe und werden so deutlicher erkennbar. Entsprechend werden die Nutzer*innen subtil auf die Interaktionsmöglichkeiten hingewiesen. Zusätzlich ist über das Menü, das über einen Button in der rechten oberen Ecke geöffnet wird, eine Hilfeseite zugänglich, welche die Funktionen des VE kurz erörtert.
Beim Starten von Projekt 3 öffnet sich ein kurzes Tutorial, das die Hauptfunktionen der Anwendung erklärt. Erst, wenn die Nutzer*innen auf ›Weiter‹ klicken, gelangen sie in die eigentliche Anwendung (vgl. Abbildung 3). So werden die Nutzer*innen bereits vor der Nutzung mit der Anwendung vertraut gemacht. Auch in diesem Beispiel signalisieren unauffällige, aber pulsierende Punkte, dass weitere Informationen oder Interaktionsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Ein kurzes Tutorial zu den Bedienelementen der Anwendung beim Start bietet auch Projekt 4. Dieses Tutorial kann mit einem Klick auf ein Fragezeichen-Symbol am rechten unteren Bildschirmrand stets wieder aufgerufen werden.
Zusammenfassung: Eine Hilfeseite, die den Nutzer*innen die
Bedienung und Hauptfunktionen der Anwendung verständlich und kurz erläutert,
ist obligatorisch für VEs der Domäne Museum, da so auch die Zugänglichkeit
erleichtert wird. Diese Hilfestellung sollte schnell zu finden sein,
beispielsweise über das Menü oder über einen Button, der direkt zur Hilfeseite
führt. Mithilfe unterschiedlich gestalteter Buttons kann signalisiert werden,
dass unterschiedliche Interaktionsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Durch ein
unauffälliges Design stören sie die Nutzer*innen nicht in der Exploration des
VE, machen aber durch ihre Dynamik, beispielsweise der Veränderung ihrer Größe,
auf sich aufmerksam. Weiterhin wird den Nutzer*innen auf diese Weise
verdeutlicht, dass nur bestimmte Objekte die Möglichkeit einer Interaktion
bieten.
Laut Sutcliffe und Gault ist diese Heuristik nur für kollaborative VEs
relevant,
Zusammenfassung: Diese Heuristik betrifft ausschließlich
kollaborative VEs und ist damit für diese Studie nicht relevant.
Diese Heuristik fordert, dass die Wahrnehmung des Aufenthalts im VE und das
damit verbundene Gefühl von Präsenz so natürlich und nah wie möglich an der
realen Welt sein sollte. Ob oder inwieweit dieser Anspruch auf die Domäne
zutrifft, wurde bereits unter Abschnitt
3.1
Natural engagement diskutiert. Jedoch lässt sich in Projekt 1 ein Element ausmachen, welches
die Wahrnehmung der Natürlichkeit verstärkt: die Interaktion mit Personen. In
die genannte Anwendung ist ein interaktives Storytelling eingebunden, wobei
reale Personen mit den Nutzer*innen interagieren und auf deren Aktionen
reagieren. Bereits beim Einstieg in das VE interagieren die Nutzer*innen mit
einem ›Dealer‹, der Zeitkapseln verkauft, die virtuelle Zeitreisen ermöglichen
sollen (vgl. Abschnitt 3.8
Clear entry and exit points). Der ›Dealer‹ bewegt sich
zum Standpunkt der Nutzer*innen und spricht diese direkt an. Im Storytelling
wird suggeriert, dass die Nutzer*innen innerhalb der Szenarien nicht von den
sich darin befindenden Personen gesehen werden können. Trotzdem schaut
beispielsweise beim Einstieg in das Szenario
Zusammenfassung: Vor allem interaktive Elemente steigern
das Gefühl der Immersion bei den Nutzer*innen. Sie dienen weiterhin der
Unterhaltung und sollen die Nutzer*innen aktivieren und dazu motivieren, das VE
weiter zu explorieren.
Bei der Beschäftigung mit den Heuristiken stellte sich heraus, dass die
Interpretation und damit zusammenhängend die Abgrenzung einiger Heuristiken
Probleme für die Bearbeitung darstellen. Davon betroffen sind vor allem jene
Heuristiken, die sich weitestgehend auf die Natürlichkeit der Anwendung und die
Nähe zur realen Welt beziehen (Heuristiken 1–6 und 12). Bei diesen Heuristiken sind die Unterschiede graduell
und beziehen sich auf das, was Gegenstand der Natürlichkeit ist, also
beispielsweise das Verhalten von Objekten, die Wahrnehmung des Selbst oder die
Durchführung von Aufgaben. Diese Schwierigkeit wurde von den Autoren in der
Evaluation ihrer Heuristiken bereits erkannt und thematisiert: Hier gaben viele
der Begutachter*innen an, Probleme bei der Interpretation der Heuristiken zu
haben.
Nicht alle Heuristiken haben sich als geeignet für die Ausarbeitung von Best
Practices erwiesen. Heuristik 4 (Close coordination of action and representation) wurde in
der Bearbeitung nicht berücksichtigt, da sie weniger mit der Gestaltung als der
Implementierung einer Desktop-VR-Anwendung in Zusammenhang steht. Auch Heuristik 11
(Clear turn-taking) wurde für die Generierung von Best Practices als nicht
relevant eingestuft, da sie sich lediglich für kollaborative VEs eignet. Im
Gegensatz dazu erwiesen sich die anderen Heuristiken als äußerst produktiv und gut
anwendbar. Aus ihnen konnten Best Practices für die Gestaltung von virtuellen
Museumsräumen abgeleitet werden, die nachfolgend nochmals zusammengefasst werden.
Nachfolgend findet sich eine Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse aus der Evaluation ausgewählter VEs in Form von verallgemeinerbaren Best Practices:
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass aus vielen der generischen Heuristiken
für VEs auch Best Practices auf den Museumsbereich übertragen werden konnten.
Gleichzeitig fiel bei der heuristischen Evaluation der sechs ausgewählten
Projekte auf, dass die bestehenden Heuristiken nicht alle Aspekte, die für den
musealen Bereich relevant sind, vollständig abdecken. Nachfolgend ergänzen wir
deshalb zwei weitere Heuristiken, die induktiv aus der Evaluation der
Projektbeispiele abgeleitet wurden. Diese ergänzenden Heuristiken decken im
Wesentlichen die Aspekte
Im Rahmen der Betrachtung von Heuristik 2
(Compatibility with the user’s task and domain)
wurden einige multimediale Elemente innerhalb der Projekte bereits beschrieben.
Allerdings beschränkten sich die Beispiele, die als Best Practices angeführt
wurden, auf multimediale Bestandteile der Projekte, welche Elemente einer
realen Ausstellung imitieren. In den Projekten finden sich jedoch
beispielsweise Audiosequenzen oder Videos, die in anderer Weise, wie es im
realen Museum so nicht möglich wäre, präsentiert werden. Deggim et al. sehen
die große Stärke [von virtuellen Museen] in der ergänzenden Präsentation […],
die mit klassischen Ausstellungsmethoden nicht möglich [ist]
.
In Projekt 5 in der Ausstellung
Die Beispiele veranschaulichen unterschiedliche multimediale
Präsentationsformen, die die Potenziale des Online-Mediums nutzen und sich so
von Ausstellungsformen realer Museen absetzen. Daraus ergibt sich folgende
Beschreibung für die neu entwickelte Heuristik Einbindung
multimedialer Vermittlungselemente
:
Diese Heuristik ist nicht auf die genannten Beispiele beschränkt; vielmehr sind die Gestalter*innen virtueller Museumsräume und vergleichbarer VEs dazu aufgerufen, die Potenziale des Mediums auszuschöpfen und neue Formen der Präsentation in Desktop-VR-Anwendungen zu entwickeln.
Interaktive Medienstationen sind längst Teil moderner Ausstellungskonzeption.
Durch Spiele oder digitales Storytelling unterstützen sie bei der Vermittlung
von Ausstellungsinhalten und aktivieren die Besucher*innen. Durch ihre
Attraktivität müssen Besucher*innen allerdings häufig warten, bis sie eine
Medienstation nutzen können.
Die Ausstellung Hypercam können
Nutzer*innen ihre Videobilder verzerren und mit Schiebereglern in verschiedenen
Dimensionen manipulieren. So werden sie interaktiv direkt in das Kunstwerk
eingebunden und können es selbst explorieren.
Bei der Entwicklung eines virtuellen Museums für ein historisches Gebäude
legten Deggim et al. den Fokus auf eine interaktive Visualisierung der
Baugeschichte des Alt-Segeberger Bürgerhauses.
Auch die Interaktion mit Personen, wie sie bereits unter der Heuristik 12
Sense of presence dargestellt wurde, ist für diese
Heuristik relevant. Ein wie in Projekt 5
umgesetztes digitales Storytelling kann unterhaltende und den Lernprozess
fördernde Elemente kombinieren und greift so das Konzept des Edutainment
auf.
Virtuelle Museen haben das Potenzial, solche interaktiven Medien direkt an
Exponate und Kunstwerke zu koppeln oder Nutzer*innen sogar in diese
einzubinden. Die Beschreibung für die Heuristik Interaktive
Wissensvermittlung lautet zusammengefasst wie folgt:
Die vorliegende Studie untersucht die Anwendbarkeit von bestehenden Heuristiken zur Gestaltung von VEs auf die Domäne virtueller Museumsräume. Dabei wurden die Heuristiken im Rahmen einer heuristischen Evaluation auf sechs beispielhafte Projekte angewandt. So sollten einerseits die Eignung der Heuristiken für den Bereich virtueller Museen überprüft werden und andererseits – die Heuristiken als Schablone nutzend – konkrete Umsetzungen innerhalb der Projektbeispiele als Best Practices extrahiert werden. Von den ursprünglichen zwölf Heuristiken von Sutcliffe und Gault sind letztlich nur zehn für den Bereich virtueller Museumsräume geeignet. Zusätzlich wurden zwei weitere, domänen-spezifische Heuristiken aus den Projektbeispielen abgeleitet. Im Ergebnis entstand so eine Sammlung von Heuristiken, die es künftigen Gestalter*innen im GLAM-Bereich ermöglichen sollen, virtuelle Museumsanwendungen mit einem hohen Maß an Usability und einer guten User Experience zu konzipieren. Die aus den Projektbeispielen abgeleiteten Best Practices geben dabei weitere Hinweise zur konkreten Umsetzung der teilweise abstrakten Heuristiken.
Wenngleich wir davon überzeugt sind, dass die vorliegende Diskussion und
Erweiterung von Heuristiken sowie die abgeleiteten Best Practices hilfreich für
das Design künftiger Museumsanwendungen sein werden, so gibt es gleichzeitig
einige Limitationen dieser Studie, die nachfolgend diskutiert werden. Eine
wesentliche Einschränkung stellt die Auswahl von insgesamt sechs Projekten,
stellvertretend für den gesamten Bereich musealer VR-Anwendungen, dar. Zwar wurden
die Projekte nach unterschiedlichen Diversifikationskriterien so ausgewählt, dass
eine möglichst repräsentative Auswahl entstanden ist, ein Anspruch auf
vollständige Abbildung aller Gestaltungsphänomene in diesem Bereich kann auf
dieser Basis allerdings nicht erhoben werden. Da vier der sechs Projekte aus dem
deutschsprachigen Raum kommen, und mit Walter’s Cube und
Google Arts and Culture nur zwei internationale Projekte
untersucht wurden, ist der Aspekt interkultureller Designimplikationen in dieser
Studie nicht weiter berücksichtigt.
Insgesamt wirft die Beschäftigung mit virtuellen Museumsräumen auch die Frage auf,
welche alternativen Präsentationsformen von Kunst- und Kulturobjekten das Medium
Internet bietet. Viele Gedächtnisinstitutionen in Deutschland und auf der ganzen
Welt befinden sich längst im Prozess der Digitalisierung ihrer Sammlungen und
Exponate und vereinigen sich in Projekten wie der Public History gefordert wird.Applied History, also eine konkrete
Anwendung von Geschichte.